Kritik am neuen Bundesverkehrswegeplan

Bundesverkehrswegeplan rechtswidrig und klimapolitisch fahrlässig

Als einen „Anti-Klimaschutzplan“ bezeichnet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 in einer Pressemitteilung. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks habe bei der Ressortabstimmung mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Verfehlung sämtlicher Umweltziele nicht verhindert und hätte ihre Zustimmung bis zur grundlegenden Überarbeitung des Plans verweigern müssen, kritisierte der BUND.

„Die Öffentlichkeitsbeteiligung durch das Bundesverkehrsministerium war eine Farce“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Dies führe dazu, dass der BVWP dem Bundestag zahlreiche bedarfsgerechte, kostengünstigere und umweltverträglichere Alternativen vorenthalte. Bei keinem der 1261 Fernstraßenprojekte seien vernünftige Alternativen, obwohl gesetzlich vorgeschrieben, ausreichend „ermittelt, beschrieben und bewertet“ worden. „Milliarden sollen in gefälligkeitsdemokratisch über die Republik verteilte, überflüssige Autobahnprojekte und in städtebaulich fragwürdige Ortsumfahrungen fließen. Statt in naturzerstörende Straßenneubauprojekte müssten die Mittel in die Beseitigung der größten Engpässe bei den Bahnknoten investiert werden“, sagte Weiger.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt dagegen nennt seinen neuen, 182 Seiten starken Bundesverkehrswegeplan „das stärkste Programm für die Infrastruktur, das es je gab. Er umfasst ein Volumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro. Damit modernisieren wir unsere Infrastruktur und beschleunigen die Mobilität in Deutschland. Mit den Rekordmitteln aus meinem Investitionshochlauf hat der BVWP 2030 eine klare Finanzierungsperspektive.“

[note Das Bundeskabinett hat am 03.08.2016 den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 sowie die Ausbaugesetze für die Bundesschienen-, Bundesfernstraßen- und Bundeswasserstraßenwege beschlossen. Der Plan umfasst rund 1.000 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 269,6 Milliarden Euro – 112,3 für Schienenwege, 132,8 für Bundesfernstraßen, und 24,5 für Bundeswasserstraßen. Der neue BVWP 2030 enthält rund 1.000 Projekte. Davon entfallen 49,3 Prozent auf die Straße, 41,6 Prozent auf die Schiene und 9,1 Prozent auf Wasserstraßen. Die dringlichsten Aus- und Neubauprojekte sind nach nationalem Prioritätenkonzept als „Vordringlicher Bedarf“ (VB) eingestuft, darin gekennzeichnet die Projekte zur Engpassbeseitigung (VB-E).
Der BVWP 2030 setzt fünf wesentliche Eckpunkte um:

  1. Klare Finanzierungsperspektive – Investitionsmittel und Projekte sind synchronisiert, so dass die Projekte des vordringlichen Bedarfs im Zeitrahmen des BVWP 2030 umgesetzt werden können.
  2. Erhalt vor Aus- und Neubau – Rund 70 Prozent der Gesamtmittel fließen in den Erhalt der Infrastruktur (BVWP 2003: 56 Prozent).
  3. Stärkung der Hauptachsen – Stärkung der Hauptachsen und Knoten und damit der Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes: 87 Prozent der Mittel gehen in großräumig bedeutsame Vorhaben.
  4. Engpassbeseitigung – Beseitigung von Engpässen auf den Hauptachsen, um den Verkehrsfluss im Gesamtnetz zu optimieren. Rund 2.000 Kilometer Engpässe auf Autobahnen und rund 800 Kilometer Engpässe auf Schienenstrecken werden beseitigt.
  5. Breite Öffentlichkeitsbeteiligung – Erstmals konnten sich Bürgerinnen und Bürger am BVWP beteiligen – von der Grundkonzeption über Projektvorschläge bis zum Entwurf, der sechs Wochen öffentlich auslag. Die Stellungnahmen sind im Bericht zur Beteiligung zusammengefasst.
    Den Bundesverkehrswegeplan flankieren die Ausbaugesetze für Schiene, Straße und Wasserstraße. Die drei Gesetze bilden dann die Grundlage für die Finanzierung und Realisierung der Verkehrsprojekte im Bundesverkehrswegeplan. (Nach BMVi)]

Verkehr einziger Sektor mit steigenden CO2-Emissionen

Straßenverkehr in Wiesbaden - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftLaut BUND widerspricht der BVWP zudem den EU-Vorgaben und verletze die Beteiligungsrechte der Umweltverbände. „Dobrindts fahrlässige Planung führt zu mehr Treibhausgasen, mehr Flächenverbrauch, mehr Zerschneidung und zu erheblichen Rückschritten beim Schutz unserer Natur, der Landschaft und des Klimas“, sagte Weiger. „Die Treibhausgase im Verkehr könnten um 7 bis 10 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden, das entspricht etwa fünf Prozent der Verkehrsemissionen. Hierzu bräuchte es die richtigen Entscheidungen in der Verkehrsplanung“, sagte Weiger. Der Verkehr sei der einzige Sektor in Deutschland, in dem die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2015 stiegen, im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent.

„Massive Manipulationen, schwere methodische Fehler“

LKW in Stau auf A9 - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftNach BUND-Recherchen weisen viele Stellungnahmen und Gutachten zu Straßenbau­projekten, beispielsweise zur A20, A39, A14 und zur B10 Pirmasens-Landau, massive Manipulationen an Projektdefinitionen, -prognosen und -bewertungen auf. Außerdem führen etwa 90 Prozent der über 500 vorgesehenen Ortsumfahrungen nicht zu einer echten Entlastung der Ortsdurchfahrten und einer Verbesserung der Lebensqualität. Der BUND fordert – auch wegen schwerer methodischer Fehler wie der Nicht-Berücksichtigung der Lkw-Maut-Ausweitung ab 2018 auf alle Bundesstraßen – vor der Entscheidung des Bundestages grundlegende Planänderungen und Neuberechnungen solcher Projekte unter Einbeziehung vernünftiger Alternativen.

„Dobrindt hat wie ein Gutsherr aus dem vorigen Jahrhundert geplant, der seinen politischen Günstlingen Gefälligkeiten erweisen will. Schädliche Trends wie die steigende Belastung durch Klimagase und die Überschreitung der Stickoxidgrenzwerte in Städten werden verstärkt, anstatt durch integrierte Verkehrskonzepte oder Verlagerung auf die Schiene gegenzusteuern. Mit einem derart veralteten Verständnis von politischer Beteiligung und Raumplanung gewinnt Minister Dobrindt die altvorderen Straßenbau­lobbyisten für sich. Mit einer vernünftigen Verkehrsplanung, die Weichen zum Nutzen der Allgemeinheit im 21. Jahrhundert stellt, hat dieses Straßenbau-Flickwerk nichts zu tun“, so Weiger.

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