Kenngrößen zur Erfassung von Umweltbewusstsein

Teilaspekte als Kenngrößen für das Umweltbewusstsein

In der Rezeption der Umweltbewusstseins-Studien wurden immer wieder einzelne Teilaspekte als Kenngrößen für das Umweltbewusstsein und seine Entwicklung in Deutschland aufgefasst. Große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregte vor allem der Prozentanteil der Befragten, die Umweltaspekte als eines der beiden „wichtigsten politischen Probleme, denen sich unser Land derzeit gegenübersieht“ nannten. Die Interpretation der Ergebnisse dieses mit einer offenen Frage erhobenen Indikators ist jedoch nicht unproblematisch: Zum einen haben hier tagesaktuelle Problemkonjunkturen einen großen Einfluss; zum anderen müssen offene Fragen kodiert werden, wodurch weitere nur schwer kontrollierbare Einflüsse ins Spiel kommen. Für vergleichende Betrachtungen im Zeitverlauf sind diese Ergebnisse daher nur eingeschränkt geeignet.

[note „Pressure“-Indikatoren werden z. B. in der Studie in folgende sieben Unterbereiche aufgeteilt:

  1. Grüner Konsum
  2. Nutzungsdauerverlängerung
  3. Autonutzung
  4. Fleischkonsum
  5. Wohnfläche
  6. Nutzung nachhaltiger Angebote
  7. Bürgerschaftliches Engagement]

Bei Analysen des Umweltbewusstseins im Zeitverlauf ist auch die allgemeine soziokulturelle Entwicklung zu berücksichtigen: Seit den 1990er Jahren hat sich die deutsche Gesellschaft tiefgreifend verändert, und so auch das Umweltbewusstsein. Heute dominiert weniger ein wertebezogener, post-materialistischer Blick auf die Umweltproblematik, wie er für die 1970er und 1980er Jahre typisch war; vielmehr zeichnet sich ein zunehmend „hybrides“ Umweltbewusstsein ab, das pragmatischer und situativer mit der Problematik umgeht.

Konstrukt Umweltbewusstsein immer wieder neu definieren

Das Konstrukt Umweltbewusstsein muss daher immer wieder der gesellschaftlichen Entwicklung folgend neu definiert werden. Die Befragungsinstrumente, die zu seiner Erfassung dienen, sind insofern kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf ihre Aktualität hin zu überprüfen. Gleichzeitig gilt es, das Konstrukt und seine Operationalisierung im mittelfristigen Zeitraum konstant zu halten, um valide Zeitvergleichsmessungen zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund war die Zielsetzung der Machbarkeitsstudie, einen Vorschlag für einige zentrale und zeitgemäße Kenngrößen zur Erfassung von Umweltbewusstsein auf dem aktuellen Stand der sozialwissenschaftlichen Diskussion zu entwickeln und diese im Rahmen eines empirischen Feldtests auf ihre Tauglichkeit (Validität, Reliabilität, Plausibilität) zu testen. Im Vordergrund standen dabei folgende Fragestellungen:

  1. Mit welchen Kenngrößen kann Umweltbewusstsein heute erfasst werden?
  2. Wie ist das Konstrukt „Umweltbewusstsein“ heute zu definieren, so dass es den tatsächlichen Denk- und Wahrnehmungsformen bezüglich der ökologischen Problematik gegenwärtig (und in absehbarer Zukunft) Rechnung trägt?
  3. Wie kann ein fundiertes, valides und reliables Monitoring des Umweltbewusstseins in Deutschland durch das UBA über einen mittelfristigen Zeitraum hinweg auf einheitlicher, stabiler und somit vergleichbarer Grundlage ermöglicht werden?
  4. Welche Art von Kenngrößen ist geeignet, um den Stand und aktuelle Entwicklungen des Umweltbewusstseins auch medial gut zu kommunizieren?

Ferner wurde mit der Machbarkeitsstudie angestrebt, die bislang weitgehend auf „objektive“ Aspekte (naturwissenschaftlich oder wirtschaftlich) fokussierte Umweltberichterstattung um Vorschläge für die „subjektiven“ Komponenten zu ergänzen. Den entsprechenden Instrumenten bzw. Kenngrößen muss dabei besondere methodische Sorgfalt gewidmet werden. Der zu entwickelnde Vorschlag sollte dabei nicht nur die Komplexität, Vielschichtigkeit und Kontextgebundenheit des Konstrukts „Umweltbewusstsein“ angemessen widerspiegeln, sondern auch Anforderungen nach guter (politischer) Kommunizierbarkeit und effizienter Umsetzbarkeit genügen. Um mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Modul in Studien zum Umweltbewusstsein und Umweltverhalten integriert werden zu können, sind darüber hinaus forschungs-ökonomische Gesichtspunkte zu beachten. Insofern wurde angestrebt, mit einer begrenzten Zahl von Fragen relevante Erkenntnisse für die Wissenschaft sowie praxistaugliche Orientierung für die Gestaltenden von Umweltpolitik und Umweltkommunikation zu liefern.

Der vorliegende Bericht stellt die theoretischen Grundlagen, die forschungspraktische Entwicklung und eine erste empirische Prüfung eines Vorschlags für einen Set an Kern-Indikatoren vor, aus denen sich zeitgemäße Kenngrößen für den aktuellen Stand des Umweltbewusstseins in Deutschland ergeben.

Als Fazit für die Entwicklung von Kenngrößen des Umweltbewusstseins kann festgehalten werden:

  • Kenngrößen für Umweltbewusstsein können nach unterschiedlichen Modellen konstruiert werden.
  • Modell und Umfang sind in erster Linie davon abhängig, mit welchen Zielen und zu welchem Zweck die Kenngrößen eingesetzt werden sollen. Deshalb sollte eine möglichst genaue Zieldefinition vorgenommen werden.
  • Daneben ist eine leitbildhafte und operationale Definition dessen notwendig, was als umweltbewusst gilt beziehungsweise gelten soll.
  • Gerade für den Einsatz in einem politischen Kontext und für die öffentliche Kommunikation gilt es, Kenngrößen zu entwickeln, die die ganze Breite von Umweltbewusstsein in der Gesellschaft widerspiegeln.
Reihe: Texte 58/2016, Seitenzahl: 134; Erscheinungsjahr:
Autoren: Gerd Scholl, Maike Gossen, Brigitte Holzhauer, Michael Schipperges
FKZ: 371317100; Verlag Umweltbundesamt

->Quellen: