Bei 2° droht Katastrophe

Schwerwiegende Auswirkungen des Klimawandels am Mittelmeer

Der am 26.10.2016 unter dem Titel „Climate change: The 2015 Paris Agreement thresholds and Mediterranean basin ecosystems“ im Fachmagazin Science veröffentlichten Studie folgend käme es in den kommenden 100 Jahren zu einer stärkeren Veränderung des mediterranen Ökosystems als in den vergangenen 10.000, wenn sich die Erdatmosphäre um mehr als 1,5 Grad erwärmte. Bei mehr als 2,0 Grad sagen die Autoren Wolfgang Cramer und Joel Guiot aus Aix en Provence katastrophale Umwälzungen voraus.

Weite Teile Südeuropas in Südspanien, Portugal, Italien und Griechenland, in Nordafrika und Vorderasien würden infolge der dann eintretenden Wasserknappheit zu Wüsten, mit der Folge, dass Laubwälder vertrockneten.

1,5 sind Obergrenze

Im Dezember 2015 hatten sich 195 Staaten bei der COP21 darauf geeinigt, die Erwärmung der Erdatmosphäre gegenüber der vorindustriellen Zeit „deutlich unter zwei Grad“ zu halten (wovon im Mittelmeerraum jetzt schon 1,3 Grad mehr als zwischen 1880 und 1920 erreicht seien). Weil aber schon das für kleine Inseln im Pazifik katastrophale Folgen hätte, wurde festgelegt, die Erwärmung solle auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt werden. Sie soll sogar möglichst die als entscheidend für den Schutz der kleinen Inselstaaten geltende 1,5-Grad-Grenze nicht überschreiten.

Nun erwärmt sich der Mittelmeerraum aber besonders schnell – im weltweiten Durchschnitt ist die Erdtemperatur seit Aufzeichnungsbeginn um rund ein Grad angestiegen. Auf der Suche nach Veränderungen von Klima und Ökosystemen der Region während des Holozäns (jüngstes Erdzeitalter, reicht 11.700 Jahre zurück) untersuchten Forscher um Joel Guidot und Wolfgang Cramer (früher PIK-Potsdam) von der Universität Aix-Marseille Pollenablagerungen. Diese Grundlage ermöglichten es den Forschern, die Auswirkungen verschiedener Temperaturanstiege auf Klima und Vegetation der Mittelmeerregion abzuschätzen.

Mittelmeer bei Formentor Mallorca Foto © hoAus den in der Studie entwickelten Szenarien folgt aufgrund von Wasserknappheit ein Verlust der Artenvielfalt in den mediterranen Ökosystemen – kritisch deshalb, weil die Mittelmeerregion ein Hotspot weltweiter Artenvielfalt sei. Außerdem böte die Region den Menschen etlichen Nutzen – sauberes Wasser etwa, Hochwasserschutz und Raum zur Erholung. Diese Faktoren würden ohne ambitionierten Klimaschutz in Zukunft stark zurückgehen.

Volker Mrasek fasste im Deutschlandfunk zusammen: „Die Vegetation schreibt ihre Geschichte gewissermaßen selbst. Pflanzenpollen überdauern im Boden, in Sedimentschichten, in See-Ablagerungen, und wenn man die durch Altersbestimmung zeitlich zuordnet, kann man sehen, zu welcher Zeit welche Pflanzen an welchen Orten vorkamen.“ Die Forscher hätten das Pollenarchiv für den mediterranen Raum gelüftet, und zwar rückblickend für das ganze Holozän – „auch das ist das Neue an der Studie. So können sie einen Eindruck gewinnen, wie sich Vegetationsformen und Ökosysteme in der Vergangenheit und bei welchen Klimabedingungen entwickelt haben. Zweiter Teil war dann, sich vorliegende Modell-Simulationen für dieses Jahrhundert anzuschauen – und zu sehen: Wann bricht der Mittelmeer-Raum aus dem gewohnten Klima des Holozäns aus? Wie sieht das für verschiedene Pfade der Treibhausgas-Emissionen aus? Und dann das Fazit: Der Klimavertrag von Paris genügt nicht! Schon in einer Zwei-Grad-Welt würden Steppe und Wüste in Südeuropa und Nordafrika weiter vordringen – wobei man auch sagen muss, dass sich der Mittelmeer-Raum im Durchschnitt stärker als die Welt erwärmt.“

Carl Beierkuhnlein, Lehrstuhlinhaber für Biogeographie der Universität Bayreuth, kritisierte Guidot und Cramer: Die Veröffentlichung sei zwar die erste umfassende Studie über Auswirkungen des Klimawandels im Mittelmeerraum; weil aber eine Pollenanalyse nicht alle Gattungen abdecken könne, seien die Konsequenzen für die gesamte Artenvielfalt unklar.

Die Autoren weisen allerdings selbst darauf hin, dass ihre Arbeit die anthropogene Einwirkung auf die Ökosysteme nicht berücksichtigt habe. Aber viele dieser Effekte würden künftig aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen und zunehmender Wirtschaftsleistung noch wachsen.

->Quellen:

Schockierende, den Klimawandel drastisch illustrierende NASA-Fotos: bluewin.ch/folgen-des-klimawandels