Half Regierung beim CO2-Sprit-Betrug?

DUH: KFZ-Schmieden fälschten dreist Ergebnisse in Höhe von 2,2 Milliarden Euro: Autos schlucken 42 Prozent mehr als angegeben – und Dobrindt schaut zu

Autos verbrauchen im Alltag meist deutlich mehr, als die Hersteller angeben. Möglich machen das Laborbedingungen – und Regelschlupflöcher. Eine Untersuchung des internationalen International Council Of Clean Transportation ICCT, Mitenthüller des VW-Abgas-Skandals, zeigt nun, dass die Diskrepanz viel höher ist als angenommen: ICCT erhebt schwere Vorwürfe gegen die Autoindustrie. Und die DUH in der Folge gegen die Bundesregierung.

Die aktuellen ICCT-Zahlen belegen Abweichungen des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs bei Neufahrzeugen von durchschnittlich 42 Prozent. Negativer Spitzenreiter in dieser betrügerischen Disziplin ist ausgerechnet Deutschlands Nicht-mehr-Nobelmarke Mercedes. Zahllose verantwortliche Vorstandsvorsitzende der Autoschmieden schädigen nicht nur die Umwelt und ihre Kunden – gleichzeitig betrügen sie die Steuerbehörden in Milliardenhöhe. Kernergebnis der am Donnerstag vorgestellten Analyse: Auf der Straße verbrauchten neue Pkw 2015 im Schnitt 42 Prozent mehr Sprit, als die Hersteller im Prospekt offiziell angeben. Vor fünf Jahren hatte eine frühere Studie noch einen Unterschied von 23 Prozent, vor zehn Jahren von 15 Prozent ergeben. Weil die [[CO2]]-Werte direkt vom Verbrauch abhängen, dürften die Zahlen vor allem Klimaschützer aufschrecken.

Das ICCT bestätigt damit die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits im Februar 2015 veröffentlichten Werte. Dabei glaubt das ICCT nicht an Zufall, denn immerhin seien etwa drei Viertel der Unterschiede zwischen Real- und Testverbrauch darauf zurückzuführen, dass die Autobauer immer dreister die Schlupflöcher in den bestehenden Regulierungen ausnutzten, so ICCT-Europa-Chef Peter Mock.

Mit den 42 Prozent haben sich die gemessenen Abweichungen gegenüber 2005 verdreifacht, so die DUH. Besonders negativ fallen dabei ausgerechnet die größeren Limousinen von Mercedes, Audi und BMW auf, bei neuen Firmenflottenfahrzeugen liegt der Abstand sogar bei 45 Prozent.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Die Verbrauchs- und [[CO2]]-Angaben der Hersteller sind nicht falsch, sie sind gefälscht. Im Herbst 2007, zur Eröffnung der ‚Grünen IAA‘ haben wir erstmals die fatalen Tricks hinter diesem Betrug aufgedeckt und erklärt, wie diese zustande kommen. Jüngstes Beispiel der illegalen Praktiken ist die Lenkradkennung von Audi, mit der das Fahrzeug erkennt, dass es auf Verbrauch hin geprüft wird und den entsprechend optimalen Modus einstellt, den es auf der Straße sofort verlässt. Herr Dobrindt kennt diese betrügerischen Praktiken. Doch anstatt wirksame Kontrollen durchzusetzen, forderte sein Haus Ende letzten Jahres sogar sich selbst anzeigende Unternehmen wie VW dazu auf, ihre Selbstanzeige zurückzunehmen“.

Strafvereitelung im Amt

Das Bundesverkehrsministerium sowie seine Fachbehörde, das Kraftfahrtbundesamt, sei in den vergangenen Tagen durch die Veröffentlichung der Abstimmung des Untersuchungsberichts mit den Autokonzernen der ‚Strafvereitelung im Amt‘ überführt. Daher fordert die DUH strafrechtliche Untersuchungen gegen die verantwortlichen Autobosse und deren Platzhalter in der Regierung, Bundesverkehrsminister Dobrindt. Da die Kraftfahrzeug-Steuer anteilig von den offiziellen [[CO2]]-Angaben abhängt, sind mit dem Betrug auch immense Ausfälle bei den Steuereinnahmen verbunden. Allein in 2016 betragen diese 2,2 Milliarden Euro.

Bereits seit Frühjahr 2016 liegt die DUH in einem Rechtsstreit mit der Bundesregierung, um die Herausgabe der [[CO2]]-Messprotokolle zu erwirken, die im Rahmen der vom Bundesverkehrsministerium eingerichteten Untersuchungskommission „Volkswagen“ erstellt wurden. Nun wurde bekannt, dass einzelne Modelle bereits bei den amtlichen Nachmessungen um bis zu 35 Prozent und mehr von den offiziellen Angaben abweichen – wohlgemerkt nicht bei Messungen auf der Straße, sondern nach dem offiziellen Prüfzyklus im Labor. „Diese Fahrzeuge erfüllen nicht die Bedingungen der Typzulassung und müssten stillgelegt werden“, so Resch weiter.

Die Abweichungen bei [[CO2]] und damit Spritverbrauch in den USA liegen im Schnitt bei drei Prozent. Die amerikanische Umweltbehörde (EPA) zwingt die Autohersteller bei festgestellten Abweichungen oberhalb von vier Prozent zur Korrektur der Angaben, veröffentlicht die festgestellten Betrügereien und fordert Strafzahlungen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe. In den vergangenen Jahren wurden von der EPA die Firmen Kia, Hyundai, Daimler, BMW und Ford dabei ertappt, falsche Angaben zu [[CO2]] und Spritverbrauch gemacht zu haben.

Die DUH hat erstmals im Herbst 2007 in einer Pressekonferenz detailliert über die rechtswidrigen Praktiken bei Dieselabgas- und [[CO2]]-Emissionen hingewiesen und Beispiele für Zykluserkennung bzw. Abschalteinrichtungen veröffentlicht. Seitdem weigert sich das Bundesverkehrsministerium bis zur Aufdeckung der Volkswagen-Betrügereien in den USA, den Aufforderungen der DUH zur Nachkontrolle von [[CO2]]- und Abgasangaben bei der Typzulassung nachzukommen.

Fatales Ergebnis der fehlenden amtlichen Nachkontrollen: Seit 2010 sind die [[CO2]]-Werte bei den Neuzulassungen in Realität nicht mehr gesunken. „Das Kraftfahrtbundesamt, diese ehemals stolze Bundesbehörde, deren Präsident Zinke E-Mails ‚Mit industriefreundlichen Grüßen‘ unterschreibt, ist zum Bettvorleger der Autokonzerne geworden“, fasst Resch zusammen.

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