Ölausstieg im Heizungskeller

Wie Wohnungen 2030 warm werden: Fünf Millionen Wärmepumpen, gleichviel Gas, viel weniger Öl

Wenn Deutschland sein Klimaschutzziel erreichen will – 80 bis 95 Prozent weniger CO2 als 1990 – dann muss sich in deutschen Heizungskellern eine Menge tun. Das Ziel ist ehrgeizig. Der Gebäudesektor soll in gut 30 Jahren praktisch klimaneutral sein. Womit sollen aber im Jahr 2050 die Häuser geheizt werden, wenn Energieträger wie Öl und Erdgas nicht mehr verwendet werden dürfen? Und was muss schon bis zum Jahr 2030 getan werden, damit die richtigen Weichen gestellt werden bis 2050? Um diese Fragen geht es in der Studie Wärmewende 2030 (15.02.2017), deren Ergebnisse Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende vorab in einer Pressemitteilung analysierte:

Agora Studie Wärmewende 2030

„Demnach wird bis 2030 der Anteil von Erdgas zum Heizen ähnlich hoch bleiben wie heute. Für eine klimaschonende Wärmeversorgung sei es aber nötig, dass der Gebäudewärme-Verbrauch durch Effizienzverbesserungen bundesweit um ein Viertel gegenüber heute sinkt. Die größten Verschiebungen ergeben sich bei Heizöl, Umweltwärme und Wärmenetzen: Für Heizöl ist in einem klimaschonenden und kosteneffizienten Wärmesystem 2030 kaum Platz mehr. Wärmepumpen werden hingegen zur tragenden Säule, sie müssen rund zwanzigmal mehr Wärme liefern als gegenwärtig. Bei der Versorgung über Wärmenetze, die sich aus einem Mix von Wärmequellen speisen, steht eine Verdoppelung an.

Die derzeitige Entwicklung bei der Gebäudewärme ist allerdings nicht so, dass ein solcher Wärmemix von alleine erreicht wird. Vor allem der Zubau der Wärmepumpen ist deutlich zu gering – nur zwei Millionen Wärmepumpen werden nach derzeitigem Stand bis 2030 installiert werden, nötig sind jedoch fünf bis sechs Millionen Stück.

Patrick Graichen - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify‚Um dort hinzukommen, sollten Wärmepumpen künftig auch in Altbauten eingesetzt werden, zum Beispiel als Hybrid-Modelle in Kombination mit Gaskesseln, die an besonders kalten Tagen zusätzlich anspringen‘, sagt Dr. Patrick Graichen.

Ähnlich sieht es bei der Gebäudedämmung aus: Anstatt ein Prozent müssten künftig jährlich zwei Prozent des Gebäudebestands energetisch saniert werden. Bei den Wärmenetzen geht es darum, den Ausbau frühzeitig zu ermöglichen und den Anteil von Erneuerbarer-Energien-Wärme stetig zu erhöhen.“

Die Studie hat auch untersucht, welche Anforderungen die zusätzlichen Wärmepumpen an das Stromsystem stellen. Demnach ändere sich die jährliche Spitzenlast kaum, wenn die heutigen veralteten Nachtspeicherheizungen durch effiziente Heizungen ersetzt und die Wärmepumpen flexibel gesteuert würden.

Um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, sei es allerdings nötig, dass der Anteil von Strom aus Erneuerbaren Energien schneller wachse als bislang geplant. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bereits 2030 mindestens 60 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren stammen müssten; bislang ist dieses Ziel für 2035 gesetzt.

Für eine klimafreundliche und kosteneffiziente Wärmeversorgung müsse die Rolle der Wärmepumpen bis 2050 noch weiter wachsen: Etwa 10 bis 17 Millionen Wärmepumpen würden in ferner Zukunft gebraucht. Die Wärmepumpen würden dann unterstützt durch solarthermische Heizungen und Biomasse-Heizungen sowie zu einem kleinen Anteil auch durch Gas, das mit Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt werde. Fossile Energieträger könnten aufgrund ihres CO2-Ausstoßes im Jahr 2050 allenfalls noch in wenigen Ausnahmefällen genutzt werden.

‚Deutschland wird seine Klimaschutzziele genau wie alle anderen Ländern weltweit nur erreichen, wenn es langfristig auf Kohle, Öl und Erdgas verzichtet‘, konstatiert Patrick Graichen. ‚Diese Erkenntnis ist weder neu noch kompliziert. Herausforderungen birgt allerdings der Weg dorthin, denn wir sprechen von einem schrittweisen Komplettumbau des Energiesystems. Mit unserer Studie zeigen wir, wie der Weg hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft und Industrie aussehen kann und wie die Weichenstellungen im Gebäude-Wärmesektor aussehen müssen. Es ist klar, dass dieser Prozess viele Jahre, sogar Jahrzehnte dauern wird. Er kann aber auch solange dauern, denn wir müssen nichts überstürzen.‘

Die Studie Wärmewende 2030 wurde von den Fraunhofer-Instituten für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) sowie für Bauphysik (IBP) mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), des Öko-Instituts und der Prognos AG im Auftrag von Agora Energiewende erstellt.

Die Wissenschaftler haben dafür zahlreiche Szenarien entwickelt, in denen der Wärmeenergiebedarf für jede Stunde des Jahres modelliert und mit dem stündlichen Stromdargebot aus Erneuerbaren Energien abgeglichen wurde. Betrachtet wurden nur solche Szenarien, bei denen sowohl die Wärmeversorgung als auch die Stromversorgung durchgehend sichergestellt war.“

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