„Energiewende nicht auf Kosten der Entwicklungsländer vorantreiben“

Die Gewinnung von Primärrohstoffen ist immer mit Umwelteingriffen verbunden. Warum leben wir nicht nur von Sekundärrohstoffen, um die Umwelteingriffe zu vermeiden?

Wir haben zwar eine große Menge von Rohstoffen in der deutschen Technosphäre angesammelt, aber das meiste davon steckt immer noch im aktiven Wirtschaftskreislauf und steht damit für das Recycling noch nicht zur Verfügung. Sekundärmaterialien sind für die Industrie durch die möglichen Energieeinsparungen immer hochinteressante Rohstoffe. Gewinnt man z.B. Aluminium aus Schrotten, so spart man 95% der Energie gegenüber der Primärgewinnung aus dem Aluminiumerz Bauxit. Bei uns sind die Recyclingraten im weltweiten Vergleich schon sehr hoch mit über 50% beim Aluminium und über 40% bei Stahl und Kupfer. Berücksichtigt man:

  • die Lebenszeit im Wirtschaftskreislauf,
  • die thermodynamische Unmöglichkeit einer 100%-Wiedergewinnung,
  • die praktische Nichterreichbarkeit einer Sammlungseffizienz von 100%,
  • den Rohstoffabfluss durch unseren Nettoexport,

so kommen wir optimalen Raten bereits sehr nahe. Für den Restbedarf werden wir noch lange auf Primärrohstoffe angewiesen sein. Primär- und Sekundärgewinnung müssen als komplementär angesehen werden. Große Defizite gibt es allerdings noch beim Recycling der Hightech-Elemente wie Lithium oder den Seltenerd-Elementen.

Wie sieht es mit den Menschenrechten und Umweltschäden im Bergbau aus? Man liest und hört immer wieder von katastrophalen Zuständen in Afrika oder Südamerika.

Einige Hightech-Elemente wie Tantal, Wolfram, Gold oder Zinn kommen zu einem wesentlichen Teil aus dem Klein- oder mittleren Bergbau. Beim Tantal sind es mehr als 65 %. Hier werden in der Tat oft große Umweltschäden angerichtet, oder es gibt Kinderarbeit, besonders in Afrika. Oft haben auch bewaffnete Gruppen mit Kindersoldaten ihre Hände im Spiel, die ihre Kriegszüge mit den Erlösen aus den Rohstoffverkäufen finanzieren. Es gibt unsichere Arbeitsbedingungen oder den Einsatz von gefährlichen Chemikalien ohne Schutzmaßnahmen.

Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Energiewende nicht auf Kosten der Entwicklungsländer vorantreiben, indem wir Umweltprobleme dorthin exportieren. Umweltgefährdungen und –verschmutzungen sowie unakzeptable soziale Verhältnisse am Anfang der Produktionskette würden die Glaubwürdigkeit der „grünen“ Energieerzeugung gefährden. Wir lösen das Problem aber nicht damit, dass wir einfach keine Rohstoffe aus den Gebieten mit Kleinbergbau oder mittlerem Bergbau beziehen. In so manchen Gebieten sind viele Familien davon abhängig. Die BGR hat z.B. ein „Fingerprinting-System“ für Tantalerze in Afrika entwickelt. Das ist sozusagen eine DNA-Analyse, mit der sich feststellen lässt, aus welchen Gebieten die Erze kommen. Man kann damit Erze zertifizieren, die nicht aus Gruben unter Kontrolle von Milizen oder mit Kinderarbeit kommen. Auch müssen wir dafür zu sorgen versuchen, dass beste technische und Umwelt- und Sozialstandards angewandt werden. Es gibt bereits etliche Ansätze, Handelsketten zu zertifizieren, wenn sie diesen Standards genügen, oder Zahlungsströme transparenter zu machen, um Korruption zu verhindern, wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Aber zugegeben, von einer „besten Welt“ sind wir noch weit entfernt. Noch viele Anstrengungen sind erforderlich.

[note Prof. Dr.- Ing. Dr. h. c. mult. Friedrich-Wilhelm Wellmer war Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie des früheren Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung, letzteres heute Teil des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), in Hannover sowie bis vor kurzem Präsident der Akademie für Geowissenschaften und Geotechnologien. 2011/2012 nahm er eine Gastprofessur für den Lehrstuhl „Sustainable Management of Natural Resources“ an LE STUDIUM (Loire Valley Institute for Advanced Studies, in Orléans/Frankreich) wahr.
Wellmer studierte Geologie und Bergbau an den Technischen Universitäten Berlin und Clausthal. Vor seinem Eintritt in die BGR war er für die Metallgesellschaft AG in Frankfurt/M. tätig, das damals größte deutsche Nichteisenmetall-Unternehmen, zuletzt als Director of Exploration ihrer australischen Tochter. In Europa, Kanada, Südamerika, Australien und SE-Asien explorierte er auf Stahlveredler- (wie Wolfram oder Nickel), Bunt- und Edelmetalllagerstätten (wie Kupfer Zink, Blei, Gold, Silber) und brachte eine Goldlagerstätte in Westaustralien zur Produktionsreife. Unterbrochen wurde seine Explorationstätigkeit von einer dreijährigen Mitarbeit im Rohstoffreferat des Bundesministeriums für Wirtschaft. Er ist Honorarprofessor für Wirtschaftsgeologie und Rohstoffpolitik an der Technischen Universität Berlin.
Für seine Leistungen auf dem Rohstoffsektor erhielt u. a. die Ehrendoktorwürden der Technischen Universität Bergakademie Freiberg sowie der Technischen Universität Clausthal. Er ist Träger der höchsten Auszeichnung des deutschen Bergbaus, der Georg Agricola-Denkmünze der GDMB Gesellschaft der Metallurgen und Bergleute.]