Aber trotzdem: Sind die Rohstoffe — wenn wir weit in die Zukunft schauen— nicht endlich?
Richtig, aber wir müssen nicht nur die Primärrohstoffe in der Geosphäre betrachten, sondern auch die sekundären Rohstoffpotenziale in der Technosphäre. Bei den fossilen Energierohstoffen verbrauchen wir deren nutzbare Energie. Sie sind nicht rezyklierbar. Auch deshalb müssen wir zu Erneuerbaren Energien kommen. Anders bei den mineralischen Rohstoffen, besonders den Metallen: Sie werden GE-, nicht VERbraucht – Atome gehen nicht verloren. Wir können sie wiedergewinnen — nicht zu 100%, das ist allein thermodynamisch unmöglich, aber zu sehr großen Teilen. Wir müssen zu einer Kreislaufwirtschaft kommen. Bei den meisten Rohstoffen sind wir vom Ziel noch weit entfernt, aber wir sehen positive Trends. Nach den Statistiken des International Aluminium Institute in Paris kamen 1960 nur 17 % des Weltaluminiumgebrauchs aus Sekundärmaterial, 2009 waren es etwa 30%, für 2020 wird mit 37% gerechnet. Schon weiter auf der Lernkurve der Rohstoffeffizienz ist Platin. Der Anteil des Primärmaterials geht bereits zurück.
Außerdem müssen wir uns über den Rohstoffcharakter klarwerden und nicht auf die Substanzen als solche starren. Rohstoffe sind nämlich Produkte unseres Kopfes. Als der Steinzeitmensch feststellte, dass man mit dem sehr harten vulkanischen Glas Obsidian gut schneiden und schaben konnte, wurde es ein begehrter Rohstoff, der durch die ganze damalig bekannte Welt gehandelt wurde. Als dann der Mensch etwas Besseres erfand, nämlich Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, wurde der alte Rohstoff Obsidian wertlos. Also: wir brauchen ein Material aus der Geosphäre, das eine nötige Funktion erfüllt, und das nennen wir dann Rohstoff. Wir benötigen nicht 1 kg Kupfer als solches, sondern wir brauchen die Eigenschaft des Kupfers, elektrischen Strom zu leiten. Für die Funktion Bilder festhalten brauchte man früher Silber für Filme. Heute ist in einem i-Phone mit Kamera kaum noch Silber enthalten.
Dies führt zu der dritten Ressource, die wir neben den Rohstoffen der Geosphäre und der Technosphäre brauchen: unsere Kreativität, mit den uns in der Natur und in der Technosphäre zur Verfügung stehenden Elementen und Materialien Lösungen zu finden. Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts bestanden Permanentmagnete aus sogenannten Alnico-Legierungen, Eisen mit Beimischungen von Aluminium, Kobalt, Nickel, Kupfer und Titan. Dann kamen die Ferrite auf den Markt, keramische Werkstoffe aus Eisenoxid mit z.B. Barium- oder Strontiumoxid. In den sechziger Jahren konnte die magnetische Energiedichte signifikant durch Samarium-Kobalt-Magnete gesteigert werden. Heute sind die Permanentmagnete mit der höchsten Energiedichte, wie sie in Offshore-Windkraftanlagen eingesetzt werden, Neodymium-Eisen-Bor-Magnete mit Zusatz von Dysprosium (Samarium, Neodymium und Dysprosium sind Seltenerdelemente). Das heißt, für die Funktion Permanentmagnetismus wurden immer neue Elemente eingesetzt. Ich bin optimistisch, dass der Mensch in seiner Kreativität nicht nachlässt. Warum sollen nicht in Zukunft neue Legierungen mit noch besseren Eigenschaften gefunden werden, die es uns ermöglichen, mit weniger Material den gleichen Effekt zu erzielen? Wir sollten optimistisch auf unsere Kreativität vertrauen.
Müssen wir uns also überhaupt keine Gedanken über die Verfügbarkeit von Rohstoffen machen?
Geologische Verfügbarkeit heißt nicht Verfügbarkeit am Markt. Es kann durchaus zu Knappheiten kommen, wenn technologische Entwicklungen mehr Rohstoffe erfordern als am Markt sind. Dann greift der Mechanismus des Regelkreises der Rohstoffversorgung – die Preise steigen. Preisanstieg aber regt die Industrie an, nach Lösungen zu suchen. Auf der Angebotsseite reagiert sowohl die Industrie der Primär- wie auch der Sekundärproduktion: Bei der Primärproduktion wird die Rohstoffgewinnung unter anderem in bereits bekannten, auf der Warteliste stehenden Lagerstätten aufgenommen. Durch die Preissteigerung kann es sich lohnen, den Abbau auf Lagerstätten mit geringerer Rohstoff-Konzentration auszuweiten. Bei der Sekundärproduktion wird es durch Preissteigerungen möglich, auch bisher unwirtschaftliche Schrotte recyceln zu lassen. Auf der Nachfrageseite kommt es durch Preissteigerungen zu verstärkten Anstrengungen, Material zu sparen oder zu ersetzen. Damit kommen Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht.