Dezentralität dauerhaft prägendes Strukturmerkmal des Energiesystems

Agora Energiewende: Folgen für Energiepolitik und Energierecht – Grundlegende Analyse zur Dezentralitätsdebatte – Thesen zu einem Ordnungsrahmen

Dezentralität entwickelt sich laut einer Agora-Energiewende-Analyse mit der Energiewende zu einem dauerhaft prägenden Strukturmerkmal des Energiesystems. Schlüsseltechnologien der Energiewende (vor allem Wind, Solar, Batteriespeicher, Digitalisierung) sowie in der Gesellschaft verankerte politische, ökonomische und soziale Präferenzen für Eigenversorgung und Regionalität treiben das Strom- und Energiesystem in Richtung dezentrale Strukturen. Diese Entwicklung kann nicht mehr mit dem bisherigen Konzept einer ausschließlich zentralen Steuerung verbunden mit immer mehr Netzausbau beantwortet werden. Vielmehr benötigt das neue Strom- und Energiesystem einen eigenen Ordnungsrahmen für Dezentralität, der das derzeitige Chaos im Bereich der dezentralitätsbedingten Ausnahmen bei Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen neu ordnet.

Wind und PV bei Bitterfeld – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Das sind die Kernergebnisse einer aufwändigen Analyse, in deren Rahmen Experten aus dem Deutschland-Team von Agora Energiewende mit Unterstützung weiterer hinzugezogener Fachleute versuchen, die oftmals hitzige öffentliche Debatte über Dezentralität in der Energiewende auf ein festeres Fundament zu stellen und Räume für informierte Debatten und konstruktive Lösungen zu öffnen.

Die beteiligten Autoren haben sich dazu zunächst auf ein gemeinsames Verständnis des schillernden Begriffs Dezentralität verständigt, um dann darauf aufbauend die sechs Aspekte des Themenfeldes, welche die bisherige Dezentralitäts-Debatte prägen en Detail genauer auszuleuchten. Diese sind:

  1. Die Rolle der Eigenversorgung,
  2. regionale Verteilung von Stromerzeugung und –verbrauch,
  3. die regionale Vermarktung von Ökostrom,
  4. regionale Smart Grids beziehungsweise Smart Markets,
  5. die Rolle kleiner Akteure mit Fokus auf „Bürgerenergie“ und schließlich
  6. die Rolle kommunaler Energien.

Energiewende und Dezentralität - Analyse © Agora Energiewende, L'energy, RAPAlle Aspekte der Dezentralität begründen sich nicht aus sich selbst heraus, sondern werden in dem am 28.02.2017 veröffentlichten Sammelband „Energiewende und Dezentralität“ unter jeweils vier Dimensionen analysiert:

  1. Der Dimension des Stromnetzes: Was bedeutet der jeweilige Dezentralitätsaspekt für das Stromnetz?
  2. Der ökonomischen Dimension: Wie ist der jeweilige Dezentralitätsaspekt wirtschaftlich zu bewerten, was bedeutet er für den Strommarkt?
  3. Der sozialen Dimension: Was bedeutet der Dezentralitätsaspekt beispielsweise für die Akzeptanz der Energiewende?
  4. Und schließlich der politischen Dimension: Welche, auch regional-politischen Faktoren spielen jeweils eine Rolle?

Im Anschluss daran werden Chancen und Risiken der jeweiligen Entwicklungen abgewogen und erste Handlungsvorschläge unterbreitet.

Abschließend werden Thesen für einen Ordnungsrahmen der Dezentralität formuliert. Diese soll vor allem die aktuellen dezentralitätsbedingten Ausnahmen bei den Netzentgelten, bei Steuern, Abgaben und Umlagen überwinden, die vielfach willkürlich und kontraproduktiv im Sinne des Gesamtsystems wirkten. Stattdessen sollte das Stromsystem perspektivisch in eine klare Struktur aus drei Ebenen überführt werden, wobei die Ebenen durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Abgaben und Umlagen geprägt wären:

  1. Eine untere Ebene, in der Strom lokal und ohne Rückgriff auf das öffentliche Netz erzeugt und verbraucht wird (Eigenverbrauch/Mieterstrom),
  2. eine mittlere Ebene innerhalb einer Stromregion und schließlich
  3. eine überregionale, auch transnationale Ebene für den überregionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch.

Neu an dem Konzept ist vor allem die Einführung von „Stromregionen“, in denen bei Netzengpässen ein regionaler Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch stattfindet und neue regionale Märkte entstehen sollen.

->Quellen: