Merkel will deutsche Batterien

Mitschrift des Kanzlerinnen-Podcasts #1 7/2017 – 20.05.2017

Die Fragen stellte Dr. Nathalie Sick, Juniorprofessorin für Innovations- und Technologiemanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Nathalie Sick: Frau Bundeskanzlerin, Sie sind in der nächsten Woche bei der Grundsteinlegung für die neue Batteriefabrik der Deutschen Accumotive in Kamenz. Wir haben in Deutschland ja eine sehr starke Batterieforschung, vor allem auch in der Helmholtz-Gemeinschaft. Was denken Sie, kann die Politik tun, um unsere Forschungsergebnisse noch besser und schneller in die Anwendung zu bringen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ja, wir haben vor geraumer Zeit ja die Plattform „ Elektromobilität “ gegründet, um einfach alle Akteure zusammen zu nehmen, denn wir wissen, dass sich in der Automobilindustrie Grundlegendes ändern wird. Und deshalb beginnt das natürlich auch bei der Forschung; und hier auch ganz besonders bei der Vernetzung der Forschung und bei der Überführung von Forschungsergebnissen – möglichst schnell – in die Praxis. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt ja inzwischen seinen Anteil, damit wir insgesamt drei Prozent für Forschung und Entwicklung in Deutschland ausgeben – drei Prozent des Bruttoinlandprodukts. Und davon geht auch ein Teil in die Batterieforschung: 35 Millionen Euro. Wichtiger aber sind noch die Konstruktionen, dass wir also wirklich Cluster bilden und Zentren bilden. Wir haben zum Beispiel vier Kompetenzzentren in Dresden, München, Aachen und Ulm, die in diesem Bereich forschen. Und wir haben auch sehr viel getan, damit die Elektromobilität vorankommt, indem wir an den Universitäten die Elektrochemie gefördert haben. Wir hatten zeitweise sehr, sehr wenige Professuren für Elektrochemie, und auch das hat sich verbessert.

Für die Batteriefabrik in Kamenz werden die Zellen, also die Einzelteile der Batterie, von asiatischen Herstellern zugeliefert. Wobei wir ja schon länger darüber diskutieren, ob wir auch eine eigene Zellfertigung in Deutschland oder in Europa haben möchten. Wie sehen Sie das? Was können Politik, Forschung und auch die Industrie beitragen, um diese Zellfertigung umzusetzen?

Ja, das ist ein Punkt, über den wir auch in der Plattform „Elektromobilität “ sehr intensiv diskutiert haben. Wir müssen zurzeit die Zellen importieren. Aber für die weitere Entwicklung der Elektromobilität wäre es schon wünschenswert, bei den neuen Zelltypen dann auch dabei zu sein, wenn neue Entwicklungen da sind. Ich selber habe mir – im Zusammenhang mit unserem Innovationsrat – präsentieren lassen, dass es Fortschritte auch bei Lithiumbatterien oder -zellen gibt, die dann Reichweiten bis zu 1.000 Kilometer entwickeln können. Und das wäre natürlich dann schon ein großer Fortschritt. Und wenn wir in der Forschung hier dabei sind – auch bei den Prototypen – dann gibt es, glaube ich, auch bessere Chancen, wieder eine mo- dern e Produktion der nächsten Zellgeneration auch nach Europa oder Deutschland zu b e- ko mmen. Fraunhofer ist hier sehr aktiv, viele Institute, Helmholtz, kombiniert mit Max- Planck-Instituten. Sie merken also: In dem gesamten Bereich der Batterieforschung ist auch interdisziplinäre Kooperation von größter Wichtigkeit.

Genau, die Interdisziplinarität, die Sie gerade angesprochen haben: In der Batterieforschung arbeiten ja Chemiker, Physiker, Ingenieure und Forscher aus dem Innovationsmanagement ganz eng zusammen. Was kann hier getan werden, um das interdisziplinäre Denken und vor allem die Offenheit, die dafür notwendig ist, noch weiter zu fördern?

Ja, wir können dafür die geeigneten Strukturen schaffen. In unserer Hightech-Strategie haben wir uns ja immer wieder angeschaut: In welchen Bereichen passieren nach menschlichem Ermessen die nächsten großen Innovationsschritte? Und da merkt man dann sehr schnell, dass nicht nur bei Elektromobilität, sondern in vielen anderen Bereichen – wenn man zum Beispiel auch medizinische Forschung nimmt – im Grunde viele Disziplinen ineinander greifen: Angefangen von den Grundlagenwissenschaften wie Physik und Chemie, dann hin zu den Anwendern, aber dann eben – das zeigt auch, dass Innovationsmanager jetzt mit dabei sind – auch immer den Blick auf die schnelle Überführung in die Produktion und in die wirtschaftliche Anwendung zu haben. Und daraus ergeben sich bestimmte Strukturen, die wir fördern. Und deshalb sind Clusterbildungen inzwischen sehr stark vom Forschungsministerium im Blickpunkt der Förderung, weil wir hier alle Akteure zusammenführen können – sowohl in der Forschungslandschaft, oft aber auch in der Kombination mit Unternehmen. Und ich glaube, das ist der richtige Weg. Und dann ist es halt auch wichtig, während seines eigenen Studiums oder der Ausbildung immer mal über den Tellerrand zu schauen, um das Vokabular des Nachbarn auch ein bisschen zu verstehen.

Die Vielfältigkeit, die Sie gerade angesprochen haben – dafür ist es ja auch wichtig, dass wir ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis haben. Was denken Sie persönlich, welche Qualitäten brauchen Frauen wie wir, und wie können wir gute Rollenvorbilder sein?

Erstmal braucht man das Interesse. Und dafür haben wir den Girls’ Day. Jedes Jahr versuchen wir Mädchen zu begeistern – schon im Schulunterricht – davon , dass sie auch ihren Blick weiten bei der Ausbildung oder bei der Wahl des Studienfaches – dahin: Was kann ich auch im MINT-Bereich, also den mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächern, schaffen? Und wir haben durch die intensive Werbung in den letzten Jahren auch die Zahl derjenigen, die ein Studium beginnen, deutlich steigern können. Wir sind jetzt schon bei über 30 Prozent. Aber natürlich ist das noch nicht die Hälfte. Und auch zu erwähnen ist, dass wir bereits im Kindergarten eigentlich anfangen – mit dem Haus der jungen Forscher und Forscherinnen, muss man dann dazu sagen. Und dann würde ich sagen: Einfach Mut haben auch zu ungewohnten Rollenbildern. Wenn man dann einmal dabei ist, dann werden Sie es auch erlebt haben, ich habe es bei meinem Physikstudium erlebt, dann geht das schon. Und das sind auch ganz natürliche Dinge, die man da betrachtet – im wahrsten Sinne des Wortes. Und dafür sind Frauen genauso gut geeignet wie Männer.

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