Kann ein CO2-Preis nachhaltige Entwicklung finanzieren?

Daten für SDG-Finanzierungsbedarf von unterschiedlicher Qualität: grobe Richtwerte

Trotz der großen Aufmerksamkeit, die der SDG-­Prozess im Ganzen erhalten hat, gibt es bis heute noch substanzielle Lücken in den verfügbaren Daten zu den konkreten Indikatoren, die den Fortschritt in der Erreichung der 17 SDGs und der 169 Ziele messen sollen. So sind die Daten, die bisher für den SDG-Finanzierungsbedarf verfügbar sind, von unterschiedlicher Qualität. Daher sollten sie als grobe Richtwerte verstanden werden. Schmidt-Traub diskutiert dieses Problem ausführlich und bewertet jede Studie zum Finanzierungsbedarf eines Investitionsbereichs mit einem suitability score, einer Note auf einer Skala von eins bis zehn, die die Qualität messen soll. Die Studien zu den Bereichen Gesundheit, Bildung sowie Energie-, Wasser- und Sanitär-­Infra­struk­tur sind von relativ hoher Qualität. Die Studien zur Ernährungs­sicherheit, zu Telekommunikations- und Transport-Infrastruktur sowie zu Biodiversität hin­gegen basieren auf eher einfachen Stückkostenschätzungen und werden daher schlechter bewertet.

Diese ersten Abschätzungen des Finanzierungsbedarfs vernachlässigen entscheidende Wechselwirkungen: etwa die Wirkung der CO2-Preise auf das Investitionsverhalten von Unternehmen oder die Reaktion der Haushalte auf die Stromnachfrage. Unserem Wissen nach existiert derzeit noch kein Modell, das für eine solche Aufgabe geeignet wäre. Klima­politik und nachhaltige Entwicklung gleichzeitig zu realisieren wird in vielen Schwellenländern als Zielkonflikt wahrgenommen. Wir zeigen hier einen möglichen Ausweg aus dieser Sack­gasse. Entscheidend wird sein, ob und wie sich entsprechende Maßnahmen politisch durchsetzen lassen: Verlierer müssen entschädigt, mächtige Interessengruppen für eine Politik des Wandels gewonnen werden. Mit diesen ersten Untersuchungen wollen wir zeigen, dass Klimapolitik und nachhaltige Entwicklung kein Gegensatz sein müssen. Ambitionierte nationale CO2-Preise stellen in zahlreichen Ländern des globalen Südens eine viel­versprechende Möglichkeit dar, jene nationalen Ressourcen zu mobilisieren, zu denen sie sich in der „Addis Ababa Action Agenda“ verpflichtet haben. In vielen Ländern sind die öffentlichen Einnahmen der Klimapolitik bereits so hoch, dass sie nahezu den gesamten Finanzierungsbedarf für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele finanzieren könnten. Damit wird auch für die Finanz- und Wirtschaftsminister die Einsicht greifbar, dass wirtschaftliche Nachhaltigkeit und ambitionierte Klimapolitik nicht nur vereinbar, sondern auch finanzierbar sind.

Die Forschungsarbeit, auf der dieser Buchbeitrag*) beruht, wurde gefördert durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit giz im Auftrag des BMZ. Die Autoren danken Kai Lessmann für seine Unterstützung in der statistischen Analyse der Daten und für inhaltliche Zuarbeit.

[note *)Der von Wolfgang Ischinger und Dirk Messner herausgegebene Sammelband „Deutschlands Neue Verantwortung“ vereint Beiträge von mehr als 140 Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis. Sie beleuchten darin die Zukunft der deutschen und europäischen Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik. Zu den Autoren zählen unter anderem Kofi Annan, Bill Gates, Frank-Walter Steinmeier, Reinhard Kardinal Marx, Wolfgang Schäuble, Horst Köhler, Harald Schumann, Achim Steiner, Jochen Flasbarth, Barbara Hendricks, Anton Hofreiter, Claudia Hornberg, Hans Joachim Schellnhuber, Michael Zürn und Johanna Wanka. Veröffentlicht wurde das Buch am 10. Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.]

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