Die mobilisierte Energiewende

Idee des geschlossenen Kohlenstoffkreislaufes

In Abbildung 1 ist gezeigt, wie ein solches Konzept die Idee des geschlossenen Kohlenstoffkreislaufes umsetzt. Die Mobilität muss nicht mehr „dekarbonisiert“ sondern graduell „defossilisiert“ werden. Dies gelingt durch den kombinierten lokalen und zentralen Einsatz von grünem Strom. Zusätzlich zur Mobilität übernehmen Fahrzeuge auch Stabilisierungsaufgaben im elektrischen System; sie dienen durch ihre Batterie und die Umwandlung chemischer Energie aus den Designer-Kraftstoffen in elektrische Energie als Senken für Energiespitzen und als verteilte Stromquellen.  Die Darstellung des grünen Wasserstoffes stellt eine erhebliche Regellast im Stromsystem dar, die als neuer großer Verbraucher von vorne herein das „demand side management“ mitbringt. Die Herstellung dieser Kraftstoffe wäre eine Form chemischer Energiekonversion und eine Speicherung solarer Energie.

Abbildung 1: Mobilität in einem geschlossenen Kreislauf von Kohlenstoff (blaue Linien). Dargestellt ist schematisch die systemische Integration von Mobilität, Stromversorgung und kohlenstoffhaltigen Materialien. Die Integration von Wärme ist aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt. Die Entwicklung von Designer-Kraftstoffen (gelb) spielt eine zentrale Rolle. – Grafik © Robert Schlögl

Die in Abbildung 1 dargestellte wichtige Rolle der Biomasse als Sammler für dezentral emittiertes CO2 könnte noch um eine Funktion als Kohlenstoffsenke (grau in Abbildung 1) erweitert werden. Würde man Biomasse unter Verwendung des in ihr gespeicherten Energiegehaltes so passivieren (etwa durch hydrothermale Kondensation25), dass sie als feste Form von Kohlenstoff nicht mehr leicht biologisch abbaubar wäre, so könnte man CO2 sequestrieren ohne mit einem Gas umgehen zu müssen.  Diese Idee ist nicht neu26 bedarf aber noch erheblicher chemischer und ökologischer Forschung, um den Kohlenstoff dauerhaft zu fixieren und nicht zusätzliche Energie dafür aufwenden zu müssen. In jedem Fall benötigen wir Prozesse, welche die in der Biomasse enthaltenen Nähr- und Mineralstoffe in den Boden zurückführen um wirklich nachhaltig zu arbeiten. Für diese Anwendung steht in einem nachhaltigen System nur ein Teil des globalen jährlichen Zuwachses an Biomasse (ca.5×1010t C/a27) zur Verfügung. Aus Gründen der Ökostabilität muss ein wesentlicher Teil im System bleiben, wir müssen uns alle ernähren, und nur der Rest davon könnte für energetische Zwecke oder als Betriebsstoff für „sub-zero Emission“ Programme genutzt werden. Die Erde beherbergt etwa 4.1×107 km2 Wald28. Wir nehmen an, dass wir 25% der Waldfläche für die Ernte des jährlichen Zuwachses an Biomasse nutzen könnten (dies wären vor allem Wälder in den nördlichen Breiten in USA, Kanada und vor allem Russland). In diesen Breiten beträgt der Biomassezuwachs etwa 4×102 t C/a km2 27. Damit könnten etwa 4×109 t C/a geerntet werden. Selbst wenn man unvermeidliche Emissionen bei der Umwandlung in biostabile Formen von Kohlenstoff mit ca. 10% annimmt, könnte damit ein in etwa der globalen Kohlenstoffemission durch Mobilität vergleichbarer Betrag der Atmosphäre entzogen werden. Dieser als „CCI“ (carbon capture and immobilization) benannte Prozess ermöglicht zudem die Nutzung von konzentrierter aschefreier Biomasse in der Vergasung parallel zu frischer Biomasse und fossilen Trägern.

Wir erkennen, dass die derzeitige Unsicherheit in der Entwicklung der Mobilität mit vielen scheinbar konkurrierenden Lösungen sehr gut zu einem mächtigen Treiber der gesamten Energiewende umgeleitet werden kann. Wir haben jetzt die Chance der Integration der Sektoren. Viele der bisher entwickelten Teillösungen können darin Verwendung finden, es entsteht durch unterschiedliche Gewichtungen ein Portfolio von Möglichkeiten, um geographisch unterschiedliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Da keine Energieform kategorisch ausgeschlossen ist, kann ein gleitender brucharmer Übergang organisiert werden, der neben der schnellen Reduktion von fossilem CO2 auch die ökonomischen und sozialen Komponenten des Energiewandels angemessen berücksichtigt. Ohne die vielen sich hinter dieser kursorischen Konzeption verbergenden Herausforderungen verniedlichen zu wollen, wäre solch ein Konzept zumindest ein Diskussionsansatz für Prioritäten in der Energiewende. Für die Forschung stehen dabei neben der Verifikation der hier gemachten Annahmen die Entwicklung skalierbarer chemischer Prozesse für die Gewinnung von grünem Wasserstoff und die Konversion von CO2 zu Designer-Kraftstoffen und zu kohlenstoffhaltigen Funktionsmaterialien als unverzichtbare Komponenten des Systems im Vordergrund.

Fußnoten:
1 Quellen: US census.gov, statistica.com
1a http://www.ag-energiebilanzen.de/9-0-Energieflussbilder.html
2 Quellen: umweltbudesamt.de, ag-energiebilanzen.de
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->Quelle und kompletter Artikel (kostenpflichtig):

Robert Schlögl: Die mobilisierte Energiewende, in: Angewandte Chemie 2017, 129,2– 6, DOI: 10.1002/ange.201701633