Unterschätzte Photovoltaik

Energiequelle mit verkanntem Potenzial

Kaum zu glauben: Das Potenzial der Photovoltaik werde stark unterschätzt, schrieb im wissenschaftlichen Fachblatt Nature Energy soeben ein deutsches Forscherteam. Demnach könnte PV bis 2050 zwischen 30 und 50 Prozent der Energie liefern. Vor allem die schnelle Fortentwicklung der Technologie und stark gesunkene Kosten hätten dazu beigetragen, dass heute weit mehr Strom aus Sonnenenergie gewonnen werde als in zahlreichen Untersuchungen vorhergesagt.

Felix Creutzig vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hatte mit einem Team Thema-bezogene Studien durchgesehen, in denen Forscher Umfang und Leistung der PV vorausgesagt und ihre Bedeutung für die Einhaltung der Zwei-Grad-Klimagrenze abgeschätzt hatten. Ergebnis: Nahezu alle Studien hatten die Entwicklung oft weit unterschätzt. Von 1998 bis 2015 seien jährlich im Schnitt  38 Prozent Zuwachs bei der Neuinstallation zu verzeichnen gewesen – die Internationale Energieagentur (IEA) habe dagegen nur 16 bis 30 Prozent genannt. Auch der der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung der Bundesregierung (WBGU), Greenpeace und der Weltklimarat IPCC hätten zu geringe Wachstumsraten erwartet. Creutzig  und Team nennen als Gründe dafür:

  • Der positive Einfluss von staatlichen Fördermaßnamen und hoher Akzeptanz in der Bevölkerung auf die PV-Nutzung und ihren Ausbau seien unterschätzt worden.
  • Die schnelle technologische Weiterentwicklung bei gleichzeitig fallenden Kosten sowie die Verteuerung konkurrierender Technologien habe kaum jemand vorhergesehen. So sinke derzeit der Preis von Solarmodulen bei jeder Produktiosverdopplung um mehr als 20 Prozent, schreibt das Team.

PV-Tracker bei Hünfeld – Foto © Gerhard Hofmann

Mit einem PIK-Computermodell sei eine Kostenanalyse erstellt und Kosten für Netzausbau, Speicher und andere Integrationsoptionen von Solarstrom berücksichtigt worden. Zudem sei das Modell mit neuen Daten zum PV-Ausbau und der technologischen Lernkurve versehen worden. Creutzig und Co. nach der Modell-Simulation des PV-Potenzials: PV könne bis 2050 drei Mal mehr Energie liefern als bisher geglaubt. Dazu müssten politisch allerdings einige Maßnahmen ergriffen werden, wie eine stärkere Sektorenkopplung oder ein forcierter Speicherausbau: „Um die Möglichkeiten der Solarenergie voll auszuschöpfen, sollten die Industrieländer – vor allem die G20 – jetzt die Regularien für die Elektrizitätsmärkte modernisieren und Technologien für neue Speichermethoden fördern“, so Hauptautor Creutzig. Viele Länder können von der günstigen Photovoltaik profitieren, sind die Wissenschaftler überzeugt. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie irrational sich beispielsweise US-Präsident Donald Trump mit seinem Kampf für die klimaschädliche Kohle gegen den Wandel der Wirtschaft stellt“, sagt Creutzig mit Blick auf die Politik in Übersee. Die geografischen Voraussetzungen für die PV-Nutzung seien in den USA besonders geeignet. Auch die starke Nutzung von Klimaanlagen und hohe Stromnachfrage an Sommernachmittagen passe gut zum Erzeugungsprofil von Photovoltaik-Anlagen.

In anderen Teilen der Erde wie etwa Indien oder Chile sei die Photovoltaik bereits günstiger als die Energiegewinnung aus Kohle. Dennoch stünden gerade in Entwicklungsländern die hohen Kapitalkosten an der Gesamtinvestition dem stärkeren Einsatz der Photovoltaik derzeit noch im Wege. Neue Finanzierungsmodelle oder Bürgschaften könnten gerade in Afrika bei der Verbreitung helfen, so die Wissenschaftler weiter laut pv magazine. Derzeit sinke der Preis von Solarmodulen jedes Mal um mehr als 20 Prozent, sobald sich die produzierte Gesamtmenge verdoppelt habe, so die Wissenschaftler. Aber auch an anderen Stellen gebe es noch viel Potenzial und vielversprechende Ideen, um die Kosten der Photovoltaik weiter zu senken.Mitautor Robert Pietzcker vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ergänzt: „Doch solange wichtige Akteure wie die Internationale Energieagentur den Beitrag von Solarenergie zum Klimaschutz massiv unterschätzen, besteht die Gefahr von Fehlinvestitionen und verpassten Geschäftschancen. Um in 15 Jahren ein stabiles Stromsystem mit 20 bis 30 Prozent PV-Strom zu ermöglichen, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden.“

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