Janus-Kopf EU-Klimapolitik

Umweltaktivisten kritisieren Schlupflöcher

Frédéric Simon auf EURACTIV.com – übersetzt von Tim Steins
Umweltaktivisten warnen: Schlupflöcher in einem geplanten EU-Emissionsgesetz in den Bereichen Transport, Gebäude und Landwirtschaft – schreibt Frédéric Simon auf EURACTIV.com – würden dazu führen, dass die Einsparungen bis 2030 nicht die geplanten 30 Prozent (Deutschland: 38) erreichen, sondern lediglich bei 23 hängen blieben. Dies sei ein zynischer Trick der EU-Staaten, um ihre Zusagen zum Pariser Klimaabkommen zu unterwandern.

Die Umweltminister der 28 EU-Länder trafen sich am 13.10.2017 in Luxemburg, um über die Lastenverteilungsverordnung, einem wichtigen Puzzlestück in der EU-Klimapolitik, zu entscheiden. Mit der Verordnung sollen verbindliche nationale Emissions-Jahresziele für Wirtschaftsbereiche festgelegt werden, die bisher nicht unter das Emissionshandelssystem der EU (ETS) fallen.

[note EU einigt sich auf Klimaziele bis 2030 – Die EU-Länder haben sich am 13.10.2017 laut Umweltministerin Hendricks auf die Verteilung der Lasten beim Klimaschutz bis 2030 verständigt. Das sei ein Erfolg und ein Zeichen der Einigkeit, erklärte sie beim Umweltminister-Treffen in Luxemburg. Sie räumte ein, dass sie sich mehr Ehrgeiz gewünscht habe, das sei aber nicht durchsetzbar gewesen. Die Minister beschlossen Vorgaben, wie viel Treibhausgase die einzelnen Länder zwischen 2021 und 2030 bei Verkehr, Landwirtschaft, Müllentsorgung und im Wärmesektor einsparen sollen. Die Marke für Deutschland lautet 38 Prozent Minus.]

Laut Kritik der Umweltschützer enthält der Gesetzesentwurf „Schlupflöcher“, mit denen bis 2030 statt der geplanten 30 Prozent lediglich 23 Prozent eingespart werden. Wendel Trio, Chef des Umwelt-Interessensverbands Climate Action Network (CAN) Europe: „Bereits in Paris hatten die Mitgliedstaaten festgestellt, dass die EU-Verpflichtungen nicht ausreichend sind, um das UN-Ziel von 2 Grad zu erreichen“. Es sei „unglaublich, zu sehen, wie die Mitgliedsländer jetzt versuchen, ihre Anstrengungen weiter zu reduzieren,” so Trio bei einer Pressekonferenz in Brüssel am Dienstag. Er kritisierte weiter: „Tatsächlich diskutieren die Länder jetzt darüber, wie wenig sie tun wollen.“ Die EU zeige damit ihre Janusköpfigkeit in Bezug auf das Pariser Abkommen.

Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings, sagte: „Ehrlicher Klimaschutz sieht anders aus. In Sonntagsreden und auf der internationalen Bühne unterstützen die EU-Staaten das Pariser Klimaabkommen. Bei der konkreten Ausgestaltung eines klimaneutralen Umbaus aller Wirtschaftsbereiche, wie sie das Abkommen von uns verlangt, fehlt jedoch bisher der politische Wille.“

Die neue Bundesregierung werde ihre Anstrengungen im Hinblick auf den Klimawandel auf nationaler und europäischer Ebene intensivieren und an ihre Verpflichtungen anpassen müssen. „Wir brauchen eine europäische Debatte über ehrgeizige Ziele, und Deutschland ist in der Lage, eine Schlüsselrolle zu spielen. Die bevorstehende Entscheidung über die Effort Sharing-Verordnung ist eine wichtige Gelegenheit, das Gespräch über Klimaschutzmaßnahmen zu führen und auf ein wirksames Instrument zu drängen, das den Übergang in wichtigen Sektoren wie dem Verkehr vorantreiben kann.“

Anstatt für alle Sektoren die klimapolitisch notwendigen Zielvorgaben zu vereinbaren, hätten die Mitgliedstaaten einmal mehr versucht, sich durch Rechentricks und Verwässerungsinitiativen aus der Verantwortung zu stehlen. „Die unzureichende Entscheidung der Minister zeigt gleichzeitig, dass wir ein wirksames Preissignal für CO2 brauchen, um einen fairen Wettbewerb und verlässlichen Klimaschutz endlich möglich zu machen. Eine neue Bundesregierung muss hier künftig gemeinsam mit Partnern wie den Franzosen vorangehen“, so Schöne weiter.

Schlupflöcher

  • Ein von CAN Europa identifiziertes Schlupfloch ist der Vorschlag der Kommission, die durchschnittlichen Emissionen der Jahre 2016-2018 als Ausgangspunkt für die Berechnung der benötigten Reduzierungen zwischen 2021 und 2030 zu nehmen. Aktivisten loben in diesem Zusammenhang Deutschland, das dieses Loch stopfen will und fordert, die EU-Klimaziele 2020 als Ausgangspunkt zu nehmen – auch für Länder, die diese Ziele nicht erreichen.
  • Andere „Flexibilitäten“ in der geplanten Verordnung sind die Möglichkeit, ungenutzte Verschmutzungsrechte aus der Zeit vor 2020 in Zukunft zu nutzen sowie forstwirtschaftliche Gutschriften und überschüssige ETS-Verschmutzungsrechte zur Kompensierung in Bereichen wie Transport und Gebäude einzusetzen.

Wenn dies umgesetzt werde, würden die Entscheidungsträger „Europas Klima-Verpflichtungen in Gefahr bringen und die Anstrengungen von Städten und Regionen in ganz Europa abwürgen,“ schreibt auch die NGO Carbon Market Watch in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Energy Cities, einer europaweiten Vereinigung lokaler Behörden zum Thema Energiewende.

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