Klimaschutz durch Ablasshandel?

WZB-Experiment: Moralvorstellungen der Verursacher widersprechen Umweltpolitik

Ein Experiment des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zeigt: Individuelle Verantwortungsgefühle spielen für die Umweltpolitik eine größere Rolle als bislang gedacht. Der Emissionshandel ist umstritten, obwohl er aus ökonomischer Sicht ein geeignetes Instrument ist, um das Klima zu schützen. Die Skepsis gegenüber dem Handel mit CO2-Zertifikaten lässt sich damit erklären, dass er dem Verantwortungsgefühl von Verbrauchern widerspricht.

Landschaftsvermüllung 2014 in Berlin, Kleingartenkolonie – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Ergebnisse von MCC und WZB sind für das Design von klimapolitischen Politikinstrumenten von Relevanz, so etwa für eine mögliche Reform des Europäischen Emissionshandels (EU ETS). Das EU ETS sieht vor, dass CO2-Emissionen durch die Vergabe einer festen Menge handelbarer Zertifikate begrenzt werden. Der Emissionshandel bewirkt, dass Emissionen dort eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Gleichzeitig können Unternehmen mit hohen Minderungskosten sich Zertifikate kaufen und damit ihre Emissionen kompensieren anstatt ihr Verhalten in Richtung Emissionsminderung anzupassen.

Die Möglichkeit, sich durch Zahlungen aus der Verpflichtung zur CO2-Minderung freizukaufen, wird mitunter von Wissenschaftlern, Politikern und der Katholischen Kirche als moralisch verwerflich kritisiert.

„Der Emissionshandel wird mitunter als Ablasshandel verunglimpft“, sagt WZB-Forscher Roel van Veldhuizen. „Das weist auf ein Spannungsfeld zwischen ökonomischer Effizienz und Moralvorstellungen hin.“

Eine neue Studie darüber von Forschern von MCC und WZB ist jetzt im Fachmagazin Journal of Public Economics erschienen. In einem Experiment entschieden sich die meisten Teilnehmer dafür, eine von ihnen verursachte Verschmutzung selbst zu beseitigen, statt dies einem Teampartner zu überlassen – selbst wenn das für beide deutlich gewinnbringender gewesen wäre. Für ihr Experiment teilten die Wissenschaftler eine Gruppe von 60 Studierenden der Technischen Universität Berlin in Zweier-Teams auf.

„Individuelle Verantwortung spielt beim Kampf gegen den Klimawandel eine besonders wichtige Rolle“

Bei einem Geschicklichkeitsspiel musste die erste Person versuchen, Kichererbsen in eine Schale zu werfen. Danach hatte der Proband die Wahl: Er konnte den von ihm verursachten Müll –  die zu Boden gefallenen Erbsen –  selbst auflesen oder diese Aufgabe dem Versuchspartner überlassen. Letzteres versprach dem Team eine doppelt so hohe Entlohnung. Tatsächlich entschieden sich aber 60 Prozent der Kichererbsen-Werfer dafür, selbst aufzuräumen und verzichteten damit auf den höheren Gewinn. Diese Teilnehmer stimmten in einer anschließenden Befragung auch dem Satz zu: „Individuelle Verantwortung spielt beim Kampf gegen den Klimawandel eine besonders wichtige Rolle.“

Um den tatsächlichen Einfluss individueller Verantwortung zu prüfen, untersuchten die Forscher eine Kontrollgruppe. Während alle anderen Faktoren identisch waren, lagen in dieser Anordnung die Kichererbsen bereits zu Beginn des Experiments auf dem Boden, es gab also keinen Verursacher. Hier entschieden sich nur 30 Prozent der Teilnehmer dafür, selbst aufzuräumen.

Politik soll moralische Vorstellungen stärker berücksichtigen

Die Autoren empfehlen, bei der Wahl von Politikinstrumenten moralische Vorstellungen stärker zu berücksichtigen. So kann die Studie wichtige Hinweise für das Design klimapolitischer Instrumente liefern, etwa für eine Reform des Europäischen Emissionshandels (EU ETS). Derzeit können sich Unternehmen mit dem Erwerb von Zertifikaten aus der Verpflichtung zur CO2-Minderung freikaufen, statt ihr Verhalten nachhaltig auf Emissionsminderung auszurichten. Dies wird oft als moralisch verwerflich kritisiert. „Unter Umständen könnte eine CO2-Steuer leichter vermittelbar sein als der Emissionshandel“, schlussfolgert Jan Steckel vom MCC.

„Offenbar übertragen Menschen ihre individuell erlernten Moralvorstellungen auch auf größere politische Zusammenhänge wie den Klimawandel“, erklärt WZB-Forscherin Dorothea Kübler. Allerdings warnen die Forscher davor, Moral und Ökonomie gegeneinander auszuspielen. „Die Lehre aus diesem Experiment kann sicher nicht sein, dass wir unsere Moralvorstellungen über Bord werfen, weil sie wirtschaftlich nicht effizient sind“, so Steckel.

Michael Jakob vom MCC ergänzt: „Doch es gibt ethische Normen, die die Umsetzung ökonomisch effizienter Lösungen sogar behindern, anstatt sie zu beflügeln. Hier bräuchten wir eine Erweiterung der adäquaten Begriffe von ethischem Verantwortungsbewusstsein für globale, inter-generationale Probleme, wie beispielsweise den Klimawandel.

Die Verhaltensökonomie, die psychologische Ansätze zur Erklärung menschlichen Verhaltens nutzt, gewinnt zunehmend an Bedeutung: Erst kürzlich wurde Richard H. Thaler mit dem Wirtschaftsnobelpreis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie gewürdigt.

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