Kooperation Schlüssel zum Forschungs-Transfer

Empfehlungen an  Politik, Unternehmen und Wissenschaft

  1. Kollaborative FuE durch ein Forum für Innovation und Kollaboration unterstützen
    Industrie 4.0 birgt ein großes Potenzial zur Prozessverbesserung in Liefernetzwerken, auch für die Automobilindustrie. Die Vielfalt der Industrie 4.0-Themenfelder lässt sich durch ein einzelnes Unternehmen beziehungsweise eine einzelne Unternehmensgruppierung nicht erschließen. Hier ist die Zusammenarbeit verschiedener Kompetenzträger gefragt, um relevante Themenfelder schnell zu entwickeln. Die gemeinschaftliche Erschließung erfordert eine intensive Abstimmung aller Partner der Branche, um die individuellen Entwicklungswege mit den Zielen der Branchenentwicklung in Einklang zu bringen. Dazu sollte branchenspezifisch ein Forum für Innovation und Kollaboration eingerichtet werden, das eine gemeinsame Forschungsagenda für die Branche abstimmt und die Umsetzung der vereinbarten Ziele beaufsichtigt.
  2. Nutzenstiftende Kollaboration fördern
    Industrie 4.0 zeichnet sich durch vernetzte Abläufe und autonome Steuerung aus – und erhöht die Komplexität von Projekten. Diese erfordern damit mehr denn je einer interdisziplinären und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, um gute (Branchen-)Lösungen hervorbringen zu können. Die Verbesserung der Kollaboration zwischen allen Projektbeteiligten ist ein Schlüssel zum Erfolg. Die intensive Zusammenarbeit aller Partner muss zukünftig bereits in der Findungsphase des Konsortiums beginnen und sich bis zum Transfer der Ergebnisse fortsetzen. Eine erfolgreiche Kollaboration während der Initiierung des Projekts fördert ein gemeinsames Verständnis und insbesondere eine effektive und effiziente Bearbeitung durch das Konsortium.
  3. Projekte agil steuern
    Zukünftige Entwicklungsprojekte im Bereich Industrie 4.0 unterliegen stärker als zuvor einem permanenten Gestaltungsprozess, der eine agile Vorgehensweise erfordert. Die Fähigkeit, agil auf neue Erkenntnisse innerhalb und außerhalb des Projekts reagieren zu können, wird ein Kennzeichen erfolgreicher Forschung sein. Hierzu bedarf es einer kompetenten Projektleitung, die Veränderungen und Wirkungen beziehungsweise Möglichkeiten eines Projekts erkennt, das Vorgehen entsprechend anpasst, bei unterschiedlichen Interessenslagen vermittelt und einen Konsens herbeiführt. Zukünftig soll die Qualifikation der Projektleitung durch das Konsortium nachgewiesen werden.
  4. Projektsteuerung durch den Projektleiter erweitern
    Forschungsprojekte unterliegen internen und externen Faktoren, die den Projektverlauf, die Ergebnisqualität und die Nachfrage nach Ergebnissen maßgeblich beeinflussen. Dazu zählen unter anderem das Nichtwahrnehmen von Verantwortung durch Konsortialpartner, die bewusste Wissenszurückhaltung zur Wahrung der Unternehmensinteressen, sich ändernde Marktbedarfe sowie neue Technologien. Aktuell ist die Handlungsfähigkeit der Projektleitung bezüglich der Reaktion auf die vielfältigen Einflüsse auf das Projekt im Grundsatz beschränkt. Bei einer „Schieflage“ des Projekts fehlen dem Projektleiter die Mittel, um zum Beispiel Entscheidungen über Unternehmensgrenzen hinweg durchsetzen, geeignete Sanktionen gegen ineffiziente Partner verhängen und Aufwandsverschiebungen zwischen den Partnern oder Kompetenzveränderungen durch einen Partnerwechsel innerhalb der Konsortien vornehmen zu können. Nur Projektleiter, die auch die Projektmittel verwalten, können ein Projekt erfolgreich steuern.
  5. Transferzentren einrichten und Projektergebnisse verbreiten
    Unklare Verantwortlichkeiten, Aufgaben, Folgeinvestitionen und Rechte an den vorhandenen systemischen Entwicklungen sowie Pflichten im Rahmen einer gemeinschaftlichen Verwertung und Verbreitung führen zu Verzögerungen im Transfer guter Entwicklungen. Um Industrie 4.0 in die breite Anwendung zu bringen, sind Erkenntnisse aus Projekten gezielt zu verbreiten und den Zielgruppen über geeignete Transfermaßnahmen bereitzustellen. Hier ist die gesamte Branche gefordert, relevante Ergebnisse aus den Projekten zu kommunizieren, Entscheidungen für branchenweite Technologieentwicklungen zu treffen und diese aufeinander abgestimmt umzusetzen. Mithilfe einer Etablierung regional operierender, vernetzter Transferzentren durch die Fördermittelgeber werden diese Transferprozesse in die Branche gezielt unterstützt.
  6. Risikofonds einrichten
    Zukünftige Projekte unterliegen einem permanenten Gestaltungsprozess. Die Fähigkeit, schnell und agil auf neue Erkenntnisse inner- und außerhalb des Projekts reagieren zu können, wird zum Kennzeichen erfolgreicher Forschung. Dazu gehört ebenso die Erkenntnis, dass die Ergebnisse aus Projekten der angewandten Forschung für die Industriepartner gegebenenfalls nicht den ursprünglich vermuteten Mehrwert für die praktische Anwendung aufweisen. Die Akteure aus Unternehmen, Wissenschaft und Förderinstitutionen, die an den Projekten beteiligt sind, müssen einen potenziellen Abbruch des Projekts akzeptieren und Wege dafür beziehungsweise zum Ausstieg von Partnern eröffnen. Die Belange der Wissenschaft sind hierbei besonders zu beachten und die Fortführung der wissenschaftlichen Arbeiten zu sichern. Auffangen lassen sich derartige Projektrisiken durch die Einrichtung eines Risikofonds seitens der Fördermittelgeber.

Empfehlungen an Unternehmen und Wissenschaft

  1. Kollaboration als Projektgegenstand durchgängig planen
    Industrie 4.0 birgt ein großes Potenzial zur Prozessverbesserung in Liefernetzwerken der Automobilindustrie. Die Vielfalt der Industrie 4.0-Themenfelder macht eine intensive Zusammenarbeit der Beteiligten in den Konsortien erforderlich. Unternehmen müssen Kollaborationen über alle Projektphasen hinweg intensivieren und unterstützen. Nach gegenwärtiger Einschätzung sind die Fähigkeiten zur Kollaboration der Konsortialpartner noch unzureichend, sodass es in den Konsortien oftmals zu Informationsasymmetrien beziehungsweise bewusster Wissenszurückhaltung kommt. Neben Aufgaben und Verantwortlichkeiten in der Projektdurchführung sind insbesondere die Kollaborationsbedarfe in der Umsetzung früher zu planen.
  2. Kompetenzen für kollaboratives Arbeiten vermitteln
    Die große Konkurrenz unter den Unternehmen der Automobilbranche steht einem kollaborativen Arbeiten im Wege. Die Angst, sich Vertragspartnern und Wettbewerbern gegenüber zu öffnen, belastet dabei die Effektivität der Zusammenarbeit stark. Die Vertreterinnen und Vertreter in den Konsortien müssen über Kooperationsbereitschaft verfügen und seitens ihrer Unternehmen zur Kollaboration befähigt werden. In der Aus- und Weiterbildung, insbesondere in der sekundären bis quartären Bildung, sind zukünftig Lehreinheiten zum Gestalten, Verstehen und Erleben kollaborativer, interdisziplinärer Arbeitsprozesse vorzusehen, damit die geforderte Kollaborationsfähigkeit ausgebildet werden kann.
  3. Transfer durch kontinuierliche Marktorientierung unterstützen
    Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern, ist das übergeordnete Ziel der Bundesregierung. Dazu gilt es, Entwicklungs- sowie Transferprozesse guter Lösungen zu beschleunigen. Die Konsortien sind gefordert, den Transfer ihrer Lösungen intensiv zu fördern und bereits während der Antragsstellungen zu planen. Aktuell resultiert eine mangelnde Planung in unklaren Verantwortlichkeiten und Aufgaben sowie fehlenden Rechten an den vorhandenen systemischen Entwicklungen und Pflichten im Transfer. Die aktuelle Verwertungsplanung ist mit Blick auf die Transferunterstützung zu einem Transfer- und Kollaborationskonzept umzugestalten, welches die gemeinsamen Aktivitäten des Konsortiums zur Verwertung und Verbreitung über die Projektlaufzeit sowie die anschließende Umsetzungsphase beschreibt.

[note acatech STUDIE INNOKEY 4.0  Diese acatech POSITION basiert auf dem vom BMWi geförderten Projekt „Kollaboration als Schlüssel zum erfolgreichen Transfer von Innovationen am Beispiel der Automobillogistik 4.0“ (INNOKEY 4.0). acatech und das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) untersuchten darin gemeinschaftliche FuE-Aktivitäten am Beispiel der Automobillogistik. Über strukturierte Interviews mit Fachleuten aus Wissenschaft und Industrie wurden im Juni und Juli 2016 Treiber und Hemmnisse für einen erfolgreichen Transfer von FuE-Projektergebnissen in die industrielle Anwendung und Maßnahmen zur Bewältigung aktueller Schwierigkeiten identifiziert. Die Ergebnisse wurden im März 2017 durch eine Online-Befragung von Vertreterinnen und Vertreten aus mittelständischen und großen Unternehmen, Hochschulen, Universitäten und FuE-Einrichtungen validiert.]

->Quellen: