E.ON-Solarcloud: Nebelkerze für die Energiewende

„Verbrauchertäuschung und Energiewende-Fake“ – von Susanne Jung

E.ON wirbt aktuell mit einem auf den ersten Blick verlockenden Angebot: Wenn Strom aus der eigenen Solaranlage im Haus nicht selbst verbraucht wird, kann der überschüssige Anteil in einer Cloud zwischengespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Doch: „Ob die Verbraucher mit diesem Stromliefervertrag gut beraten sind, sollte dringend überprüft werden. Wer wenig fragt, wird schnell in die Irre geleitet“ – so Susanne Jung auf der Webseite des Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.. Ein Artikel auf cleanthinking urteilt kurz und bündig: „…eher kontraproduktiv für die Realisierung der Energiewende“.

Laut E.ON sei es möglich, 100% des erzeugten Stroms selbst zu nutzen und damit einer privaten Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien einen Schritt näher zu kommen. Jung: „Alles funktioniert virtuell – es lebe die Solar-Cloud!“ Der Zugang zur Cloud werde über den Abschluss eines E.ON-Vertrages und die Zahlung einen monatlichen Festpreis möglich (z.B. 30,99 €). Erst dann könne es losgehen. Der zwischen“gespeicherte“ Solarstrom kann jederzeit und allerorts abgerufen werden. Sogar Elektroautos können an E.ON-Tankstellen betankt werden.

Mit diesem Angebot intensiviere E.ON seine schon länger laufende, auf Betreiber von Bestandsanlagen und Solarinteressierte gerichtete Werbekampagne. „Perfekter kann eine Neukunden-Akquise nicht sein, denn ein grünes Mäntelchen gibt es noch obendrauf. Wie viele der gutgläubigen Kunden allerdings verstehen, dass es hier weder um die Nutzung des eigenen Solarstroms noch um die Beschleunigung der Energiewende sondern ganz allein um einen ganz normalen Stromliefervertrag mit E.ON geht, ist schwer abzuschätzen.“

Deshalb hier zunächst in aller Deutlichkeit: Wenn Solarstrom in das öffentliche Netz eingespeist werde, vermische er sich mit Strom aus Fossil und Atom. Über das Stromnetz werde der Strom allenfalls räumlich verschoben. Eine zeitliche Verschiebung in Zeiten ohne Solarstrom finde nicht statt. E.ON investiere zur Sicherstellung des Angebots auch nicht in „echte“ physische Stromspeicher. Der Strom, den E.ON liefere, wenn die Sonne gerade nicht scheine, sei ganz überwiegend NICHT gespeicherter Solarstrom. Der Stromriese biete mit der Solar-Cloud ein rein kaufmännisches Produkt an. Über den Grundpreis finanziert der Stromkunde den vermeintlichen Nulltarif des Solarstroms.

Jung: „Ob die Verbraucher mit diesem Stromliefervertrag gut beraten sind, sollte dringend überprüft werden. Wer wenig fragt, wird schnell in die Irre geleitet. Ist der Preis im Verhältnis zu anderen Stromanbietern akzeptabel? Was passiert, wenn der von Anlagenbetreibern in der virtuellen Cloud ‚angesparte‘ Solarstrom aufgebraucht und weiterer Egal-Strom hinzugekauft werden muss? Ist E.ON dann auch noch preisstabil? Diejenigen, die hoffen, dass E.ON den Strom im virtuellen Solarstrom-Speicher mit Erneuerbaren Energien ‚füllt‘, werden ebenfalls enttäuscht sein. Das Unternehmen nutzt das Produkt dazu, noch mehr Fossil- und Atomstrom zu verkaufen und den Bestand seiner Kraftwerke zu sichern.“

So oder so: Die virtuelle Solar-Cloud von E.ON bringe uns der Energiewende keinen Schritt näher. „Im Gegenteil! Die Vernebelungstaktik des Energieriesen trägt dazu bei, der Politik beim Ausbremsen von Investitionen in echte Kurz-, Mittel- und Langzeitspeichern kräftig auf die Schulter zu klopfen. Wir hoffen, dass die meisten Energiewende-geschulten Solarstromer auf ein solches Öko-Fake-Angebot nicht anspringen.“

Auf cleanthinking (Autor Martin Jendrischick?) wirft das neue Angebot der SolarCloud „Solarstrom-Selbstversorgung ohne Speicher“ einige Fragen auf. Nach allem, wie der Autor das Produkt versteht, „ist es eher kontraproduktiv für die Realisierung der Energiewende. Das ist schade – denn das Energiekonto an sich ist eine gute Idee.“ Der Haken: das Energiekonto SolarCloud von E.ON rechne sich nicht.

Beispielrechnung von cleanthinking: Nehmen wir einen Kunden, der eine PV-Anlage mit 3,7 kWp hat. Er hat einen Stromvertrag für 28 Cent je kWh und bekommt eine Einspeisevergütung von 12 Cent je kWh. Er hat 3.000 kWh Stromverbrauch pro Jahr. Sein Eigenverbrauch liegt bislang bei 30 Prozent. Dieser Kunde entschließt sich, die Lösung SolarCloud von E.ON zu beziehen, in der Hoffnung, dann 100 Prozent Eigenstrom nutzen zu können. Bedeutet für ihn zusätzliche Kosten von ca, 360 Euro pro Jahr. Gleichzeitig verzichtet er bei den 2.000 kWh, die er ins Netz einspeist auf die Einspeisevergütung: Damit verzichtet er auf 240 Euro. Sein Gesamtaufwand liegt also bei 600 Euro. Im Gegenzug bekommt er die gleiche Menge Strom wieder zurück und nutzt diese im Winter. Er spart also bei seinem Stromvertrag 560 Euro ein. In der Summe legt dieser Kunde also für das trügerische Gefühl, 100 Prozent Eigenstrom zu nutzen, 40 Euro zusätzlich auf den Tisch pro Jahr.

Der Autor nennt zwei Energiewende-kontraproduktive Anreize für die möglichen E.ON-Kunden auf:

  1. Es werden weniger Stromspeicher installiert, wodurch die Belastung für die Netze wieder steigt. Diese können aber jede Entlastung gebrauchen.
  2. Es entsteht der Anreiz, im Sommer möglichst wenig Energie zu verbrauchen, um mehr Geld auf das Energiekonto SolarCloud einzuzahlen. Dadurch wird mehr Energie eingespeist, was gerade an sonnigen Tagen dazu führen kann, dass die ohnehin schon teilweise negativen Strompreise weiter nach unten gehen.

Folge: „Wenn man wirklich das Modell einer Bank kopieren wolle, müsste der Kunde eine Verzinsung für den angelegten Strom bekommen. Jede zusätzliche Kilowattstunde würde helfen, dass auch die Gesamtbilanz ausgeglichen sein kann: denn gerade bei Besitzern von Heizstäben oder Wärmepumpen werde die überschüssige Energie des Sommers nicht für den Winter ausreichen. Eine Verzinsung wäre also zumindest ein finanzieller Anreiz. Außerdem müsste E.ON nach Einschätzung von cleanthinking nicht nur bilanziell Ökostrom zum Kunden bringen, sondern zusätzlich in Erneuerbare Energien investieren. Nur zusätzliche, neue Anlagen helfen mit, das die Energiewende gelingt. Werden keine zusätzlichen EE-Anlagen errichtet, wird in Wahrheit der Strommix geliefert – und der besteht im Winter überwiegend aus Kohlestrom.“

Susanne Jungs Fazit: „Wer glaubt, die virtuelle Solar-Cloud von E.ON bringt uns der Energiewende kleine Schritte näher, der übersieht die Vernebelungstaktik des Energieriesen. Mal wieder wird der Energiewirtschaft und der Politik beim Ausbremsen von Investitionen in echte Kurz-, Mittel- und Langzeitspeichern kräftig auf die Schulter geklopft. Stromspeicher sind unnötig – es lebe der Stromhandel und die Digitalisierung. Auch die komplexen, in Teilen für Kunden undurchschaubaren Vertriebsstrukturen und die zusätzlichen Kosten zur Deckung der Stromlücke zwischen Gesamtstromverbrauch und Eigenversorgung sollten Verbraucherschützer genau unter die Lupe nehmen.“

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