Kohle und Versorgungssicherheit

  1. Ist es aus Sicht der Bundesregierung möglich, die Versorgungssicherheit Deutschlands im Strombereich mit einer nationalen Leistungsbilanz zu bewerten, die Stromflüsse in das und aus dem Ausland vernachlässigt (Antwort bitte begründen)?

Eine nationale Leistungsbilanz erlaubt angesichts der grenzüberschreitenden Stromleitungen und der gekoppelten europäischen Strommärkte keine Aussage zur Versorgungsicherheit in Deutschland. Diese Ansicht teilen die Übertragungsnetzbetreiber selbst und äußern dies in ihrem aktuellen Bericht zur Leistungsbilanz. Die Leistungsbilanz wurde im Wesentlichen wegen dieser geringen Aussagekraft im Jahr 2016 aus dem Energiewirtschaftsgesetz entfernt; hierzu wird auf die Begründung zum Strommarktgesetz vom 30. Juli 2016 verwiesen.

  1. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung national wie europäisch, um Versorgungssicherheit auch für die kommenden Jahre zu gewährleisten (bitte nach Energieträgern und Maßnahmen im Hinblick auf Gewährleistung der Versorgungssicherheit aufschlüsseln)?

Elektrizität: Bei der Versorgungssicherheit im Bereich Elektrizität liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf einem Spitzenplatz. Die Ausgestaltung des Strommarktes in Deutschland setzt die richtigen Anreize, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Durch die Einbindung in europäisch gekoppelte Märkte für Elektrizität profitieren die deutschen Verbraucher durch Ausgleichseffekte etwa bei den Höchstlasten, Erneuerbaren Energien oder Kraftwerksausfällen sowohl in Bezug auf Kosten als auch auf Versorgungssicherheit. Um das erreichte Sicherheitsniveau auch zukünftig abzusichern, wird ein kontinuierliches Monitoring der Versorgungssicherheit nach § 51 des Energiewirtschaftsgesetzes im Auftrag des BMWi durchgeführt.

Das Monitoring betrifft im Bereich der Versorgung mit Elektrizität insbesondere das heutige und künftige Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den europäischen Strommärkten mit Auswirkungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Teil des Elektrizitätsbinnenmarktes. Bei dem Monitoring sind auch grenzüberschreitende Ausgleichseffekte bei erneuerbaren Energien, Lasten und Kraftwerksausfällen zu berücksichtigen. Außerdem hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf eine Abstimmung mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union, auf eine gemeinsame Methodik und ein gemeinsames Verständnis zur Messung und Bewertung der Versorgungssicherheit sowie auf einen gemeinsamen Versorgungssicherheitsbericht hinzuwirken.

Als konkrete nationale Maßnahme im Bereich Elektrizität führt die Bundesregierung eine Kapazitätsreserve ein, um die Versorgungssicherheit am Strommarkt auch in außergewöhnlichen Extremsituationen der kommenden Jahre zu gewährleisten.

Zur Bedeutung der Sicherheitsbereitschaft für die Versorgungssicherheit wird auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen.

Steinkohle: Die Versorgungssicherheit mit Steinkohle ist aufgrund des liquiden Weltmarkts und der internationalen, breit diversifizierten Angebotsstrukturen als hoch einzuschätzen. Die Einfuhr von Steinkohle liegt in der Verantwortung der entsprechenden Unternehmen. Staatliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind nicht aus Sicht der Bundesregierung erforderlich.

Braunkohle: Die Versorgung mit Braunkohle erfolgt aus nationalen Quellen. Die Versorgung der Braunkohlekraftwerke mit diesem Energieträger ist daher gesichert und bedarf keiner staatlichen Unterstützung.

Erdöl: Deutschland ist zu 98 Prozent abhängig von Ölimporten. Die Versorgungssicherheit ist durch ein weltweit breites Angebot hoch. Wie bei Steinkohle liegt die Verantwortung der Einfuhr bei den einzelnen Unternehmen. Staatliches Handeln zur Versorgungssicherheit mit Öl liegt nur in dem Fall vor, wenn durch besondere Gegebenheiten die Ölversorgung unterbrochen bzw. gestört ist. Die Staatengemeinschaft der OECD-Mitglieder haben sich im Rahmen des Internationalen Energieprogramms und die EU-Mitgliedsländer im Rahmen der EU Richtlinie 2009/119 verpflichtet, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten. Danach sind Mineralölvorräte im Umfang eines Nettoimports von 90 Tagen vorzuhalten.

Erdgas: Auch im Gasbereich ist Deutschland weitgehend von Importen abhängig. In Deutschland gefördertes Gas entsprach im Jahr 2017 rund 7 Prozent des deutschen Eigenbedarfs. Erdgas in Deutschland wird daher v. a. aus Norwegen, Russland und den Niederlanden importiert. Global werden die Märkte angesichts eines steigenden Angebots an LNG (verflüssigtes Erdgas) liquider. In dem liberalisierten und entflochtenen deutschen Gasmarkt sind private Unternehmen für die Ein- und Ausfuhr von Erdgas zuständig.

Gemäß der neuen Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 müssen die Mitgliedstaaten künftig nicht mehr nur rein nationale Notfall- und Präventionspläne aufstellen, sondern ggfs. auch regionale Versorgungsrisiken betrachten. Die Präventions- und Notfallpläne tragen damit der Tatsache Rechnung, dass beim Ausfall von Versorgungsrouten länderübergreifend gehandelt werden muss. Erstmalig regelt die Verordnung darüber hinaus, unter welchen Bedingungen benachbarte Mitgliedstaaten solidarische Gaslieferungen vornehmen müssen.

  1. Wird die Inbetriebnahme von Nordlink mit 1,4 Gigawatt Übertragungsleistung nach Norwegen (www.tennet.eu/fileadmin/user_upload/Our_Grid/ Interconnections/NordLink/160731_Factsheet_NordLink_Technischer_ Aufbau.pdf) die Versorgungssicherheit in Deutschland aus Sicht der Bundesregierung positiv beeinflussen, wenn ja, in welchem Maße, und wenn nein, warum nicht?

Die nach Inbetriebnahme von NordLink zusätzlich zur Verf ügung stehende Importkapazität in Höhe von maximal 1 400 Megawatt aus Norwegen wird die Versorgungssicherheit in Deutschland erhöhen. Es ist davon auszugehen, dass in Zeiten hoher Stromnachfrage in Deutschland über NordLink Strom importiert wird. Wie hoch die tatsächliche Importmenge nach Deutschland sein wird, hängt dann von der Differenz der Stromgroßhandelspreise sowie der Markt- und Netzsituation in beiden Ländern ab.

Folgt:  Inbetriebnahme von Nordlink