Mikroalgen trotzen Klimawandel

Mikroalgen-Gemeinschaften in arktischen Küstengewässern bleiben trotz veränderter Umweltbedingungen produktiv

Mikroalgen sind die Grundlage des Ökosystems der Arktis, denn sie stehen am Anfang der Nahrungskette für Fische, Robben und Wale. Nun haben Forscher des Alfred-Wegener-Instituts gemeinsam mit kanadischen Kollegen herausgefunden und in Nature Climate Change veröffentlicht, dass ihre Gemeinschaften in der Arktis sehr widerstandsfähig sind. Demnach trotzen Mikroalgen der Versauerung der Ozeane. Auch wenn das Wasser saurer wird und sich das Licht oder die Temperaturen ändern, scheinen verschiedene arktische Mikroalgen-Gemeinschaften ihre  Produktivität und Artenzusammensetzung beizubehalten. Die Wissenschaftler sehen die Widerstandsfähigkeit der Algen im Zusammenhang mit den extremen Umweltbedingungen, unter denen sie leben: Im Winter in kompletter Dunkelheit und im Sommer durchgängig dem Tageslicht ausgesetzt, wohl deshalb sind sie ziemlich abgehärtet.

Nature Climate Change Nr.5_2018 –

Doch ob sich die Nahrungsgrundlage von Robben, Walen und kommerziell genutzten Fischarten in der Arktis insgesamt dem globalen Wandel anpassen kann, bleibt weiter zu erforschen. Die extremen und sehr variablen Umweltbedingungen können in Zeiten des Klimawandels von Vorteil sein. Denn das arktische Phytoplankton hat sich im Laufe der Evolution an variable Umweltbedingungen angepasst. Das ist eine mögliche Erklärung dafür, dass manche Mikroalgen-Gemeinschaften sich besser auf den globalen Wandel einstellen können als Gemeinschaften aus Regionen mit stabileren Umweltbedingungen, berichten Wissenschaftler um die Biologin Clara Hoppe vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

„Wir konnten zeigen, dass einige Mikroalgen als wichtigste arktische Primärproduzenten eine hohe Widerstandsfähigkeit haben. Sie reagieren zum Beispiel weniger stark auf Ozeanversauerung als wir es von Gemeinschaften aus dem Südpolarmeer oder den gemäßigten Breiten kennen“, sagt Hoppe. Sie hatte in Experimenten mit natürlichen Phytoplankton-Gemeinschaften die Temperatur, das Lichtregime und den pH-Wert verändert und die Produktivität der Mikroalgen bestimmt. Die Ozeane versauern, weil durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Im Wasser reagiert das CO2 zu Kohlensäure und reduziert dessen pH-Wert, welcher beispielsweise auf zellulärer Ebene den Stoffwechsel und damit die Produktivität von Organismen beeinflussen kann.

In neun von zehn experimentellen Ansätzen blieb die Produktivität ähnlich. Nur bei dem Experiment mit der geringsten Temperatur von 1,8 Grad Celsius hatte eine zunehmende Versauerung abnehmende Produktivität zur Folge. Unter den anderen experimentellen Temperaturen zwischen 3 bis 8 Grad Celsius hatte Ozeanversauerung keine messbaren Auswirkungen für die ein bis dreiwöchigen Experimente. „Wir schlussfolgern, dass die Mikroalgen die mit sinkendem pH-Wert einhergehende höhere Protonendichte abpuffern können, solange die Temperaturen im richtigen Rahmen bleiben“, berichten die Autoren in der Studie.

Das generelle Vermögen des Phytoplanktons von Küstenregionen, auch bei stark variierenden Umweltbedingen produktiv zu bleiben, führt das Wissenschaftsteam auf verschiedene Mechanismen zurück. Zum einen scheinen die einzelnen Mikroalgen sehr flexibel mit verschiedenen Umweltbedingungen umgehen zu können, wie das AWI-Team in weiteren Laborexperimenten zeigen konnte. Zum anderen bilden viele Kieselalgenarten Sporen, die am Meeresboden mehrere Jahre überdauern können. Sind die Umweltbedingungen für bestimmte Sporen vorteilhaft, entwickeln sich die Mikroalgen und können Planktonblüten bilden. Damit existiert eine Art Saatbank mit hoher inner- und zwischenartlicher Diversität, wodurch es für viele Kombinationen an Umweltbedingungen Algenarten oder Stämme gibt, die damit besonders gut zurechtkommen.

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