„Wir ernten die Erneuerbaren Energien“

Walter Leitner vom CEC erklärt Power-to-X-Projekt der Kopernikus-Initiative

Prof. Walter Leitner vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim an der Ruhr hat am 15.05.2018 Jörg Wagner vom Evonik-Magazin ELEMENTS ein Interview gegeben, in dem er erläutert, wie das Power-to-X-Projekt der Kopernikus-Initiative (siehe solarify.eu/kopemikus-groesstes-energie-forschungsprojekt-des-bmbf) elektrische Energie aus Erneuerbaren Energiequellen speichern und nutzen will, indem es sie in chemische Produkte und Kraftstoffe umwandelt.

Walter Leitner neuer Direktor am CEC – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Prof. Leitner ist Sprecher dieses vom BMBF geförderten Forschungsprojekts für die Jahre 2015-2025. Das Power-to-X-Konsortium vereint 46 Partner wie Forschungsinstitute, Industrieunternehmen und soziale Einrichtungen, um alle erforderlichen Kompetenzen zu bündeln. Ziel von Power-to-X ist es, die im Rahmen des Projekts entwickelten Technologien zur Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Quellen in physikalische Ressourcen wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Synthesegas zu nutzen. In einer späteren Phase wird dieses Projekt darauf abzielen, Innovationslösungen zu entwickeln, um die erhaltenen physischen Ressourcen effizient zu speichern, zu verteilen und in das Endprodukt umzuwandeln. Ein starker Schwerpunkt in diesem Projekt ist die Dekarbonisierung des Energiesystems, die von der Bundesregierung durch die Energiewende angestrebt wird.

Eine der zentralen Messgrößen für den Erfolg von Power-to-X sei, dass die Forschung „am Ende der Vision zu kohlenstoffneutralen Erzeugungsverfahren für Kraftstoffe, aber auch für komplexe Chemie-Produkte“ komme. Dabei sei Dezentralität „ein ganz großes Thema“ – Beispiel Petrochemie: Dort könnte „die Produktion von Chemikalien an Standorte heranrücken, wo man keine Chemie erwartet – etwa an Biogas- oder Windkraftanlagen“. Leitner will „Power-to-X nicht auf die Abfederung von Stromspitzen reduzieren. Die Wertschöpfung sollte auch jenseits dieses Themas funktionieren“. Er merkt kritisch an, dass sich die Politik im Rahmen der Energiewende „vielleicht zu stark auf den Ausbau der erneuerbaren Erzeugung allein konzentriert. Dort sieht er eine Chance, wenn es darum geht, dass Projekte aus Power-to-X dazu beitragen könnten, „wieder eine bessere Balance zwischen ökologischer Erzeugung und ökonomisch sinnvollem Verbrauch zu erreichen“.

Leitner will mit den 46 Mitgliedern von Power-to-X „die über Deutschland verteilten Kompetenzen“ in „einer nationalen Plattform“ zusammenführen. „Über die ganze Breite der Wertschöpfungskette, von der erneuerbaren Energieerzeugung über die chemischen Produkte bis wiederum zum Motor – falls man Treibstoffe herstellt – ergibt sich eine breite Palette von Stakeholdern, die Interessen vertreten und vor allem auch schon bestehende Infrastrukturen und Forschungsaktivitäten einbringen können.“ So habe man „schnell sechs sehr klar strukturierte Forschungscluster aufgebaut. Diese Cluster sind interdisziplinär angelegt.“

Das Neue an Power-to-X sei die Sektorkopplung – nämlich, „unterschiedliche industrielle Sektoren vor dem Hintergrund der zu entwickelnden Technologien zusammenzuführen“. Leitner zählt auf: Energieerzeuger, Chemiewirtschaft, verarbeitende Industrie bis zur Automobilwirtschaft. Dazu komme als neue Dimension, dass „die Erneuerbaren Energien als Input für die stoffliche Umwandlung nutzen“ könne. Es gehe um mehr, als „nur“ um Methan für die Energiespeicherung – Leitner: „Wir ernten die erneuerbaren Energien!“

In Sachen gesellschaftliche Akzeptanz konstatiert Leitner „nicht immer nur Harmonie“.  Aber er findet die Debatten „sehr konstruktiv“. Denn es gehe stets „um den Dreiklang der Nachhaltigkeit: Ökonomie, Ökologie UND gesellschaftliche Akzeptanz“. Ein paar kritische Anmerkungen hat Leitner: „Zum Beispiel ob man den sogenannten Überschussstrom nutzt oder spezifische Anlagen wie Windräder zur Versorgung von Chemieanlagen baut. Oder wie hoch das Produktrisiko bei einer dezentralen Herstellung von Chemikalien ist. In einem Chemiepark ist alles abgesichert, irgendwo auf dem Land nicht. Da sind wir in der Diskussion zwischen lokalem Umweltschutz und globalem Klimaschutz.“

Doch insgesamt zeigt sich der Mülheimer Bayer „hellauf begeistert“! Die chemische Umwandlung fossiler Rohstoffe habe uns bis heute „wunderbare Dinge ermöglicht – die Verlängerung der Lebenserwartung, die Ernährung einer immer größeren Zahl an Menschen, die Erhöhung des Lebensstandards – aber sie hat eben auch Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem in Bezug auf CO2-Emissionen. Jetzt erhalten wir die Chance, die den Kohlenstofffußabdruck zu verringern und gleichzeitig bessere chemische Produkte herzustellen. Das ist doch toll.“

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