BUND und DUH prangern Regierung an

Berlin blockiert Umsetzung der EU-Abgasstandards für Kohlekraftwerke

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisieren mit harschen Worten, dass die Umsetzung EU-weit verbindlicher Abgasvorschriften in nationale Gesetzgebung zum 16.08.2018 nicht erfolgt ist. Deutschland hatte gesetzlich genau ein Jahr Zeit, die neuen EU-Bandbreiten für Stickoxide, Quecksilber, Feinstaub und Schwefel für Großfeuerungsanlagen national festzulegen und in der Bundesimmissionsschutz-Verordnung umzusetzen.

Kraftwerke im Befliner Nordwesten – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Der Energiesektor sei nach dem Verkehr Hauptverursacher des Luftschadstoffs Stickstoffoxid (NOx). Aber neben der Autoindustrie protegiere die Bundesregierung auch die Kohleindustrie zu Lasten der Gesundheit. Daher fordern der BUND und die DUH die Bundesregierung auf, die Umsetzung EU-weit verbindlicher Vorgaben für die Abgasreinigung von Kohlekraftwerken unverzüglich in nationales Recht umzusetzen. Nur so kann eine Verzögerung bei der Einhaltung der neuen Abgasstandards für Kohlekraftwerke ab 2021 vermieden werden. Aus Sicht des Umwelt- und Verbraucherschutzverbandes zeigt sich an der Blockadehaltung abermals, welch geringen Stellenwert die „Saubere Luft“ und der Klimaschutz für die Bundesregierung haben.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dazu: „Allen Klimaschutzversprechen zum Trotz sind in Deutschland immer noch zu viele und zu dreckige Kohlekraftwerke aktiv. Die Technik, um die Anlagen deutlich sauberer zu machen und damit faktisch Leben zu retten, ist vorhanden. Die deutsche Bundesregierung hält jedoch nicht nur über die deutsche Automobilindustrie ihre schützende Hand, sondern auch über die Betreiber von Deutschlands Kohlekraftwerken. Diese haben über viele Jahre sehr viel Geld mit den Anlagen verdient. Welche Begründung kann es für eine Regierung geben, die Umsetzung dieser Technik nicht zu verlangen? Der Ausstieg aus der Kohle als Energieträger ist eine der zentralen Voraussetzungen, um die Klimaschutzziele zu erreichen und daher unabwendbar. Für die Kohle wie für den Dieselantrieb gilt: Solange sie noch genutzt werden, müssen sie so sauber sein, wie technisch möglich. Die Bundesregierung darf sich geltender Rechtsvorgaben nicht länger widersetzen“, so Resch weiter.

[note 2015: 3.850 vorzeitige Todesfälle – 79.000 Asthmaanfällen von Kindern: Im August 2017 hat die EU neue Standards für die Abgasreinigung bei Braun- und Steinkohlekraftwerken – gegen den vorherigen Widerstand durch die Bundesrepublik – veröffentlicht. Die EU-Anforderungen bilden den Stand der Technik bei der Abgasreinigung für Kohlekraftwerke ab und müssen ab August 2021 eingehalten werden. Die Frist zur Umsetzung der EU-Vorgabe in die Bundesimmissionsschutzgesetzgebung zum 16.8.2018 hat die Bundesregierung tatenlos verstreichen lassen. Die DUH befürchtet, dass damit auch die Einhaltung der neuen Abgasstandards ab August 2021 gefährdet ist. Dabei könnten die zur Einhaltung der neuen Standards erforderlichen Nachrüstungen die NOx-Emissionen um zwei Drittel reduzieren.

Während Stickoxidemissionen aus Dieselfahrzeugen vor allem im städtischen Bereich zu hohen Belastungen und Überschreitungen von Luftqualitätsgrenzwerten führen, tragen Emissionen aus Kraftwerken wesentlich zur Hintergrundbelastung bei. Den aus der Hintergrundbelastung entstehenden negativen gesundheitlichen Effekt hat das Umweltbundesamt in einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie ermittelt. Für das Jahr 2014 sind demnach 6.000 vorzeitige Todesfälle sowie mehr als 400.000 Krankheitsfälle von Asthma und Diabetes der Hintergrundbelastung zuzuordnen. Das Aktionsbündnis „Europe beyond coal“ quantifiziert die gesundheitlichen Folgen von Schadstoffemissionen aus den in Deutschland betriebenen 86 Kohlekraftwerken für das Jahr 2015 mit 3.850 vorzeitigen Todesfällen sowie unter anderem 79.000 Asthmaanfällen von Kindern. Neben Stickoxid sind Feinstaub und Ozon weitere relevante Schadstoffe.]

Untätigkeit und Fristversäumnis der Regierung kritisiert auch der Bund  scharf.: „Die Bundesregierung muss die Gesundheit der Bevölkerung schützen, nicht die Interessen der Kohlelobby“, sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. „Anstatt die neuen Standards für bessere Luftqualität beherzt zu nutzen, droht nun die Verzögerung  von überfälligen Maßnahmen gegen den Dreck aus Kohlekraftwerken.“ Dabei spielten die neuen Standards auch eine wichtige Rolle, wenn es darum gehe, welche Kraftwerke beim notwendigen Kohleausstieg zuerst abgeschaltet werden sollten. Hierbei würden die neuen Vorgaben für den Stickoxid-Ausstoß vor allem  Braunkohleanlagen Schwierigkeiten bereiten, die im Gegensatz zu Steinkohlekraftwerken noch keinen Katalysator einsetzen müssen. Weiger weiter: „Die schmutzigsten Meiler müssen als erstes vom Netz. Denn Kohlekraftwerke tragen stark zum Klimawandel sowie zur Luftverschmutzung bei und belasten die Gesundheit der Bürger massiv.“

Der BUND fordert denn auch Altmaier und Schulze auf zu handeln. „Die Minister Altmaier und Schulze sind jetzt in der Verantwortung, die EU-Vorgaben ehrgeizig umzusetzen. Sie müssen den Betreibern reinen Wein einschenken: Viele ihrer Kohlemeiler sind deutlich zu dreckig“, so Weiger. So ist die Energiewirtschaft zum Beispiel für ein Viertel der Gesamtbelastung an Stickoxiden in Deutschland verantwortlich. Zahlreiche deutsche Braunkohlekraftwerke gehörten zu den schmutzigsten in ganz Europa, obwohl es längst die Techniken gäbe, das zu ändern.

„Die Betreiber wollen die nötigen Investitionen bei Kraftwerken verhindern, die sich ohnehin kaum noch rentieren und setzen für ihre Gewinne die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel“, erläutert Weiger. „Aber die Uhr tickt. Spätestens ab 2021 müssen die neuen Standards EU-weit eingehalten werden, um so den Ausstoß an Schadstoffen deutlich zu begrenzen. Kohlekraftwerke, bei denen sich die Investition nicht mehr lohnt, sind dann die ersten Kandidaten für Stilllegungen.“

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