„…dann machen Sie nichts anderes als beinharten Populismus“

Scheuer-Rede zum Abgasskandal

Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat eine Rede verschickt, die der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur und Ex-CSU-Generalsekretär, Andreas Scheuer, in der Aktuellen Stunde zum Thema Abgasskandal am 28.09.2018 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin gehalten hat, in der er sich nahezu durchgängig am grünen Fraktions-Vize Oliver Krischer abarbeitete. Solarify dokumentiert.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Krischer, Sie spielen sich hier auf als einer, der die deutsche Automobilindustrie mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen schützen möchte. In Wirklichkeit sind Sie der, als der Sie zum Schluss der Rede entlarvt wurden: Sie wollen eigentlich gar keinen Diesel, gar keinen Verbrennungsmotor.

Was wäre die Folge? Allein bei Bosch hängen 50.000 Arbeitsplätze am Diesel. Wir in dieser Koalition machen Wirtschaftspolitik, damit der Automobilstandort Deutschland erhalten wird. Wie unvernünftig und gewissenlos sind Sie denn? Aber wir haben vor allem die vielen Millionen Dieselbesitzer im Blick. Wenn Sie im Titel dieser Aktuellen Stunde vorsätzlich formulieren: „Drei Jahre Abgasskandal – Jetzt für saubere Luft sorgen“, dann machen Sie nichts anderes als beinharten Populismus, denn der Abgasskandal ist ein ganz anderes Thema als das Thema der Grenzwerte und der Mobilität in den Innenstädten. Vergackeiern Sie doch die Leute nicht! Wir haben sofort reagiert auf die Fehler und Manipulationen aus der Vergangenheit. Wir haben 6,3 Millionen Software-Updates. Wir haben eine Rückrufquote beim VW von 97 Prozent. Die Fehler und Manipulationen werden sukzessive und konzentriert abgearbeitet. Wir haben sofort gehandelt, und das belegt auch die Entscheidungskraft dieser Koalition.

„Ich habe heute wieder Förderbescheide im Volumen von 16,5 Millionen Euro verteilt“

Wenn Sie an dieser Stelle das eine, nämlich die Fehler und Manipulationen, die abgestellt gehören und denen wir mit Hochdruck begegnet sind, mit der anderen Geschichte, nämlich der Mobilität in den Innenstädten, in Verbindung bringen, dann machen Sie genau diesen Fehler. Bei dem einen, nämlich den Fehlern und Manipulationen, ist – da haben Sie recht – viel Vertrauen zerstört worden und ein Schaden am Label „Made in Germany“ verursacht worden.“Wir haben den Fonds „Saubere Luft“ mit einer Milliarde Euro gestartet. Ich habe heute wieder Förderbescheide im Volumen von 16,5 Millionen Euro verteilt, weil die Maßnahmen, die wir gestartet haben, wirken – messbar wirken: bei den Werten in den Innenstädten, und das ist die gute Botschaft.

Wir haben die Millionen Dieselbesitzer im Blick. Ich frage Sie: Sind Sie für Hardwarenachrüstung von Euro-4-Fahrzeugen, Herr Krischer? Sehen Sie: 3,1 Millionen Euro-4-Fahrzeuge gibt es in Deutschland, und die sind technisch gar nicht hardwarenachrüstbar; sie sind technisch nicht nachrüstbar. Auch mit einem Nobelpreis für Hardwarenachrüstung geht es nicht. Euro-5-Fahrzeuge: 5,5 Millionen, davon nur ein Drittel hardwarenachrüstbar.

„Wenn Sie so geil darauf sind, dass man in altes Wagenmaterial eine Hardwarenachrüstung reinschmeißt…“

Damit wir in die Breite kommen, brauchen wir eine andere Diskussion, nämlich dass wir den Millionen Dieselbesitzern die Botschaft geben, dass wir die Entwertung der Diesel stoppen und dass wir ihnen mit der Perspektive der Flottenerneuerung Sicherheit geben. Das ist das Ziel dieser Bundesregierung.

Wenn Sie so geil darauf sind, dass man in altes Wagenmaterial eine Hardwarenachrüstung reinschmeißt, um mit einem alten Diesel weiterhin in den Innenstädten zu fahren, obwohl wir nicht einen Hersteller haben, der beim Kraftfahrt-Bundesamt überhaupt ein Genehmigungsverfahren laufen hat: Das ist die falsche Entscheidung.

„Für Millionen Dieselfahrer eine Botschaft“

Deswegen freut es mich, dass diese Bundesregierung, diese Koalition – vor ein paar Stunden und am Montag Thema im Koalitionsausschuss – für die Millionen Dieselfahrer eine Botschaft haben wird. Wir sind in der Ausarbeitung eines guten Konzepts über die Bundesministerien hinweg. Wir werden eines machen: Nicht nur die Städte mit intensiver Belastung im Blick haben, sondern in der Breite den Dieselbesitzern diesen Dieselknick ausgleichen, weil der Markt es regeln wird, weil wir Modernisierung haben wollen und weil wir eine Flottenerneuerung haben wollen. Das muss die Botschaft sein.

Dabei sind auch die ausländischen Hersteller gefragt. Wir sind mit beiden im Gespräch: mit den deutschen Herstellern und mit den 25 ausländischen Herstellern. Wir sind dabei, dass wir den Dieselbesitzern ein wirkliches Angebot machen.

Sie wollen ja generell, dass die Diesel aus dem Markt kommen. Ich sage: Die Handwerker, die Pendler, die Menschen, die lange Strecken fahren müssen, brauchen einen sparsamen Diesel und am besten einen sparsamen Diesel deutscher Ingenieurskunst. Das ist unsere Herangehensweise.

Was machen wir weiter? Wir haben schon längst Hardwarenachrüstung dort, wo es wirklich sinnvoll ist. Die Bundesregierung hat zusammen mit den Haushaltspolitikern und den Verkehrspolitikern entschieden, dass wir die Fahrzeuge umrüsten, bei denen es wirklich sinnvoll ist, nämlich die Dieselbusse in den Innenstädten. Mit 92 Prozent Schadstoffreduzierung geht jetzt ein Dieselbus in Düsseldorf an den Start. Wir haben sehr viele Förderbescheide. Wir wollen an dieser Stelle umrüsten.

„Wir wollen was für die Kommunalfahrzeuge tun – das wirkt wirklich“

Wir wollen was für die Kommunalfahrzeuge tun – Straßenreinigung, Müllfahrzeuge, Feuerwehr, Krankenwagen –, damit die Fahrzeuge der öffentlichen Infrastruktur wirklich sauber sind. Da gibt es Nachrüstsätze. Da gibt es Genehmigungen. Da machen wir Förderrichtlinien – das wirkt wirklich –, damit die Werte in den Innenstädten runtergehen. Wir werden das auch auf die Lieferdienste und die Handwerkerfahrzeuge ausweiten.

Das macht das Gesamtkonzept aus: Auf der einen Seite wollen wir die Fahrzeuge, die zu 100 Prozent in der Innenstadt fahren, wirklich sauberer bekommen, und auf der anderen Seite wollen wir den Millionen Dieselbesitzern eine gute Botschaft geben.

Sie haben dann verschiedene Optionen, wie sie sich entscheiden, und die Hersteller sind in der Pflicht. Wir sind in dieser Woche einen wirklichen Schritt weitergekommen. Es geht darum, mit guten Tauschprämien, mit geringen Leasingraten ein gutes Angebot zu machen, damit wir Euro-4- und Euro-5- in saubere Euro 6-Diesel tauschen. Das ist Wirtschaftspolitik, das ist Industriepolitik, und das ist Verbraucherpolitik dieser Koalition.

„Sie wollen auf Verboten basierend Politik machen – wir auf Anreizen“

Sie sind nur auf dem Trip, dass wir auf dem Umweg, den Sie ständig so verständnisvoll formulieren, diese Mobilitätswende, wie Sie das nennen, herbeiführen. Was bedeutet Mobilitätswende? Sie wollen auf Verboten basierend Politik machen. Wir wollen auf Anreizen basierend Politik machen. Das ist genau der Unterschied zwischen euch und uns.

Herr Krischer, Sie wollen aussperren, und wir wollen, dass gut gefahren werden kann in einer Innenstadt mit sauberer Luft. Das ist unser Konzept. Das macht diese Koalition übers Wochenende in harter Arbeit, sodass wir am Montag nach dem Koalitionsausschuss den Bürgerinnen und Bürgern eine gute Botschaft geben können: Mit dieser Koalition gibt es gute Mobilität, bessere Mobilität, aber obendrauf auch saubere Luft dank neuer Technologie. Das ist unsere Herangehensweise.

Ich möchte Sie um eines bitten – wahrscheinlich wird es sowieso nicht fruchten; ich komme aus einer Automobilherstellerregion, wo wir 2,7 Prozent Arbeitslosigkeit haben und in den letzten Jahrzehnten Millionen von neuen Fahrzeugen produziert haben –: Wir müssen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Millionen Menschen im Bereich der Automobilindustrie, im Bereich der Logistik und im Bereich der Forschung und Entwicklung die Botschaft senden, dass dieses Hohe Haus in seiner Verantwortung für unseren Wirtschaftsstandort eines im Blick hat, nämlich Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität, damit wir uns das, was wir hinsichtlich sozialer Sicherheitsstandards und vielem mehr entscheiden, überhaupt leisten können.

Dazu brauchen wir eine gute deutsche Automobilindustrie, gute deutsche Produkte für Dieselfahrer, Benziner und – vor allem auch mit Blick auf die neue Mobilität – alternative Antriebstechnologien. Deswegen wird mein Haus technologieoffen fördern. Das wird so bleiben, damit wir eines bekommen und verbessern: gute Mobilität und saubere Luft – nicht im Widerspruch, sondern als Exportschlager. Herzlichen Dank.

>Quelle: bundesregierung.de/bmvi-abgasskandal.pdf