Regierungs-Diesel-Paket umstritten

Koalitionskompromiss bei Nachrüstung

Diesel-Abgase vermeiden – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Kaum erblickte der lang umkämpfte Regierungskompromiss das Licht der Öffentlichkeit, schon war er umstritten und möglicherweise eine Rechnung ohne den Wirt namens Automobilindustrie. Der Koalitionsausschusses hatte sich nach rund sechsstündigen Beratungen in den frühen Morgenstunden des 02.10.2018  auf ein Maßnahmenpaket gegen Diesel-Fahrverbote geeinigt. Nach Angaben von SPD-Chefin Andrea Nahles gab es dabei auch eine Verständigung über die umstrittenen Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel. Sogar Steuergeld sollte teilweise fließen. Offen blieb nur noch, ob die Autoindustrie die „ausgesprochen komplexe Einigung“ mittragen würde, Nahles sagte nur: „Das werden wir sehen.“ Umweltverbände kritisierten hart – wie sich sppäter zeigen würde, zu Recht.

[note Die Nachrichtenagentur Reuters meldete: “Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, den Fahrzeughaltern von Euro 4 und Euro 5 Diesel-Fahrzeugen ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten”, heiße es in dem Beschlusspapier. Daneben wolle die Regierung Euro-5-Haltern auch Hardware-Nachrüstungen anbieten, sofern eine solche geeignet und verfügbar sei. Die Kosten samt Einbau sollten die jeweiligen Autobauer tragen. Wörtlich im Beschlusspapier: “Damit tragen die Nachrüster die Haftung.”]

Für Nikolaus Doll (Die Welt) „ist der ganze Diesel-Plan Makulatur, denn Autobesitzer werden ungleich behandelt“. Weil es keine Verpflichtung zur Nachrüstung gebe, „die Bundesregierung setzt bei Nachrüstungen von alten Dieseln auf Freiwilligkeit“, also sei „der Dieselplan nichts als heiße Luft“. Dazu komme, dass die Autobauer ungleich und ungerecht behandelt würden, Betrüger würden in einen Topf mit denen geworfen, deren Grenzwerte lediglich zu hoch seien, ausländische Firmen gleich überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen. Man könne sie „zu nichts zwingen. Wie will man das den Kunden erklären? Aber die Koalition will derzeit nichts erklären, sie will schnell eine Lösung“.

BUND: „Entscheidung gegen flächendeckende Hardware-Nachrüstungen ist Entscheidung für Fahrverbote“

Die Ergebnisse des Koalitionsgipfels zu Diesel-Nachrüstungen kommentierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND als erster: „Der Koalitionsgipfel präsentiert eine halbgare Lösung im Dieselskandal. Anstatt eine mutige und wirksame Entscheidung zu fällen, knickt die Regierung ein weiteres Mal vor der Autolobby ein. Damit opfert sie den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürgern den privatwirtschaftlichen Interessen der Autokonzerne und ihrer Aktionäre. Sollten umfassende Hardware-Nachrüstungen für Fahrzeuge mit überhöhten NOx-Werten auf Kosten der Konzerne nicht im großen Stil kommen, werden unweigerlich weitere richterlich verordnete Fahrverbote kommen. Die Entscheidung gegen flächendeckende Hardware-Nachrüstungen ist de facto eine Entscheidung für Fahrverbote. Die Koalitionäre blenden diese Realität aus und lassen wirksame Maßnahmen zur Einhaltung der seit 2010 verbindlichen gesetzlichen NO2-Grenzwerte in unseren Städten weiter vermissen. Ohne die auch vom BUND mitinitiierten Klagen und den dadurch entstandenen Druck auf die Bundespolitik wären aber selbst diese bescheidenen Ergebnisse wohl nie zustande gekommen.

Mit der Konzentration auf zunächst einige wenige Regionen erzeugt die Politik Betrogene der Autoindustrie erster und zweiter Klasse. Dann könnten Dieselfahrer schon fast darauf hoffen, dass auch in ihrer Region Fahrverbote kommen, damit sie überhaupt Ansprüche gegen die Konzerne geltend machen können. Durch dieses Vorgehen der Politik wird staatliches Handeln auf den Rechtsweg verlagert und negiert zudem, dass Fahrverbote auch in Städten drohen, die nicht zu den sogenannten Intensivstädten zählen.

Der BUND ist gegen die geplanten Verkaufsförderprogramme. Diese dienen in erster Linie dazu,  jetzt noch solche Diesel zu verkaufen, die mit der Euro 6c nicht der neuesten Abgasnorm entsprechen. Diese Fahrzeuge sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.“

Folgt: Ergebnisse des Diesel-Gipfels: Nachrüstung oder Prämie für neue Autos?