Bis 2050 „mindestens 95%“ weniger Treibhausgase

Reaktionen auf Klimaschutz-Gesetzentwurf: Gleichzeitig Lob und Kritik

„Die Koalition streitet heftig darüber, wie Klimaschutz gesetzlich geregelt werden soll“, befindet tagesschau.de – Stein des (erneuten) Anstoßes: Umweltministerin Svenja Schulzes Gesetzentwurf, in dem sie ihren Kabinettskollegen strenge Kriterien verordnet, um die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 95% zu senken. Die Ministerin will mit drohenden Einschnitten im Haushalt und Sofortprogrammen andere Ressorts per Gesetz zum Klimaschutz zwingen. Sollten dem Bund Kosten entstehen, weil europäische Verpflichtungen verfehlt werden, würden diese Ausgaben „anteilig nach dem Grad der Nichteinhaltung“ in den Haushaltsplänen der verantwortlichen Bundesministerien veranschlagt, heißt es in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliege.

CO2 und Rauch – Kraftwerke im Nordwesten Berlins – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Merkel hält sich bedeckt

Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte zurückhaltend auf den koalitionsinternen Konflikt. Regierungssprecher Seibert sagte am 22.02.2019 in der Bundespressekonferenz, die Kanzlerin stehe hinter dem Ziel, gesetzliche Regelungen zu beschließen, damit die nationalen Klimaschutzziele 2030 eingehalten würden: „Ich erinnere an den Koalitionsvertrag, in dem wir gemeinsam festgelegt haben, dass die Bundesregierung in diesem Jahr gesetzliche Regelungen verabschieden will, um die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 zu gewährleisten“, sagte Seibert. Er wollte Schulzes Entwurf nicht inhaltlich kommentieren, sprach aber von einem „sehr komplexen“ und „facettenreichen“ Thema, das nicht einfach umzusetzen sei. Schulze hatte dem Kanzleramt ihren Entwurf zur sogenannten Früh-Koordinierung vorgelegt.

Schulze will Treibhausgas-Emission-Mengen festlegen – und zwar für die sechs Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie „Abfallwirtschaft und Sonstiges“. Die Fachminister müssten demnach für ihren Bereich Programme vorlegen, die von der Bundesregierung beschlossen werden müssten – Konkretes will Schulze ihren Kollegen aber nicht vorschreiben. Dass sie die Treibhausgasemissionen bis 2050 um „mindestens 95 Prozent“ senken will, gilt als bisher größtes Vorhaben des Umweltministeriums – bisher hatte die Koalition eine Spanne von 80 bis 95 Prozent genannt. Auch die Zielwerte der Sektoren für 2030 sind strenger als die des Klimaschutzplans.

Union spielt nicht mit: „Entdemokratisierung!“

Allerdings wollen laut tagesschau.de etliche Unionspolitiker kein Rahmengesetz, sondern lediglich Maßnahmengesetze für die einzelnen Bereiche. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer sprach gar von „Klimaplanwirtschaft“, die werde es „mit CDU und CSU nicht geben“. Die Zeit formulierte: „Der Koalitionspartner CSU sieht die ‚Räterepublik‘ nahen: SPD-Umweltministerin Svenja Schulze will die Ministerien mit Haushaltseinschnitten zum Klimaschutz zwingen“. Und die FAZ titelte: „Schulzes Klimaschutzgesetz bringt Union auf die Palme„. „Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein ging noch einen Schritt weiter: „Das ist eine Entdemokratisierung, ein Weg in eine Räterepublik und ein Volkswirtschaftsplan in grünem Gewand“, sagt auch Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein. „Außer einem Koalitionsstreit bewirkt diese ganze Geschichte nichts.“ Er stieß sich an Passagen, wonach ein siebenköpfiger Klimarat die Einhaltung der jährlichen CO2-Einsparziele überwachen solle.

Bundesverband Erneuerbare Energie: Guter Rahmen mit Vorbildcharakter

„Das Bundesumweltministerium hat einen sehr guten Entwurf für ein Klimaschutzgesetz des Bundes vorgelegt. Er regelt Klimaschutz mit Verlässlichkeit für alle Beteiligten und setzt den Rahmen für die notwendigen Treibhausgaseinsparungen“, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. „Mindestens 95 Prozent weniger CO2 bis 2050 – das ist ein starkes Signal für die Wende hin zu sauberen, Erneuerbaren Energiequellen und mehr Effizienz. Der Bund geht mit gutem Beispiel voran und löst mit diesem Rahmengesetz eine positive Dynamik für alle Sektoren aus.“

Ein großer Fortschritt sei, dass den einzelnen zuständigen Ministerien Verantwortung zugewiesen wird. „Das verhindert, dass einzelne Ressorts auf das jeweils andere verweisen. Jeder Sektor muss selbst liefern.“ Ministerien, die künftig ihrer Verantwortung für CO2-Einsparungen in ihren Zuständigkeitsbereichen nicht gerecht werden, sollen an den Kosten, die der Bundesrepublik hierdurch entstehen, verursachergerecht beteiligt werden. „Dies dürfte die Motivation der einzelnen Häuser deutlich erhöhen, den Reden auch konkrete Taten folgen zu lassen.“ Der BEE begrüßte ebenso die Festlegung der jährlichen Budgets sowie den vorgesehenen Monitoringprozess. „Das garantiert Verbindlichkeit und ermöglicht eine unabhängige Kontrolle.“

Der Entwurf des Bundesumweltministeriums sei mutig und habe Vorbildcharakter, fasste Peter zusammen. „Die Bedeutung des Klimaschutzgesetzes liegt darin, dass nicht nur Ziele proklamiert werden, sondern ein konkreter Rahmen festgelegt wird, innerhalb dessen die Ziele erreicht werden.“ Als notwendige Rahmengesetzgebung forciere er somit Klimaschutz im Bereich der öffentlichen Hand. Nun gelte es, diesen Rahmen zu füllen und konsequent umzusetzen.

Folgt: Klimaallianz: Zivilgesellschaft stellt Mindestanforderungen vor