Im Mittelpunkt: Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt

Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um Messstandorte

Bei allen Diskussionen um Randbedingungen bei der Beurteilung der Luftqualität sei der „Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“ das oberste Ziel des Luftqualitätsrechts. Das  betont das Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in einer gemeinsam mit dem UBA und einer Reihe weiterer Landesumweltämter veröffentlichten Erklärung. Die Umweltinstitutionen reagieren damit auf die wiederholt geäußerten Zweifel an der Verlässlichkeit der gemessenen Daten und an der Wahl der Standorte von Messstationen.

Die Stellungnahme beschäftigt sich mit der Standortwahl für die Messstationen und dem Einsatz des Passivsammler-Messverfahrens für Stickstoffdioxid. Außerdem ordnet sie die verschiedenen Messungen in den Kontext der durch das Luftqualitätsrecht geforderten Beurteilung der Luftqualität ein, wie das HLNUG mitteilt.

Stellungnahme im Wortlaut

Beurteilung der Luftqualität gemäß europäischer Luftqualitätsgesetzgebung:
Im Mittelpunkt der Luftqualitätsgesetzgebung steht der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt

„Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre wird die Luftqualitätsgesetzgebung durch Vereinbarungen auf europäischer Ebene dominiert. Der grundlegende Gedanke, an dem sich auch die Gesetzgebung orientiert, wurde im sechsten Umweltaktionsprogramm der EU (2002-2012) verankert und findet sich mit gleichem Wortlaut auch im darauf folgenden, siebten Umweltaktionsprogramm (Laufzeit bis 2020) wieder. Er lautet:

‚Die Union hat zugesagt, ein Luftqualitätsniveau zu erreichen, das nicht zu signifikanten negativen Auswirkungen auf und Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führt.‘

Alle Mitgliedstaaten haben dies mitgetragen und haben sich entsprechend verpflichtet. Oberstes Anliegen der Luftqualitätsgesetzgebung ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt allgemein. Dies sollte bei allen Diskussionen um Randbedingungen bei der Beurteilung und um notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität immer im Fokus stehen. Die derzeit gültige Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft in Europa (2008/50/EU) ist als Überarbeitung aus den Luftqualitätsrichtlinien der Jahre 1996 bis 2002 entstanden. Sie verlangt eine Beurteilung der Luftqualität im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bzw. in den darin festgelegten Ballungsräumen und Gebieten. Bewusst ist dabei von Beurteilung die Rede und nicht alleine von Messung. Zwar gilt eine qualitativ hochwertige Messung mit zeitlicher Abdeckung über das Kalenderjahr an einem festen Punkt – eine ‚ortsfeste Messung‘ – als sicherste Methode. Um dem Anspruch einer Beurteilung quasi überall nachkommen zu können, sind jedoch auch andere Methoden notwendig, wie beispielsweise die Modellrechnung oder der Einsatz von orientierenden Messungen. Diese dienen einer Erweiterung des Bildes über einzelne Punkte hinaus. Sie können mindestens Hinweise auf mögliche andere Belastungsschwerpunkte liefern, die dann gegebenenfalls mit besseren Methoden – wie ortsfesten Messungen – untersucht werden können.

Probenahmestellen

Die Luftmessstellen in den Ländern basieren auf dem Regelwerk der Luftqualitätsgesetzgebung und orientieren sich an deren Ziel. Da aufgrund der sehr unterschiedlichen lokalen Faktoren nicht immer der ideale Standort realisierbar ist, lassen die Anlagen 3 B und C der 39. BImSchV den Messnetzbetreibern Spielräume bei der Standortwahl von Luftmessstellen. Diese Spielräume sind dazu gedacht, Bereiche höchster Belastung zu berücksichtigen, nicht sie auszunehmen. Eine erste Überprüfung des TÜV Rheinland hat für das Luftmessnetz NRW eine Übereinstimmung der Messstellen mit den gesetzlichen Vorgaben (39. BImSchV Anlage 3 Buchstabe C) ergeben. Die geplante Überprüfung der Messstellenstandorte durch das Bundesumweltministerium begrüßen wir als objektivierenden Schritt.

Die zu messenden Luftschadstoffkonzentrationen sind zeitlich und räumlich starken Schwankungen unterworfen. Sie werden von variierenden Emissionsparametern, aber auch von meteorologischen Bedingungen und lokalen Strömungsverhältnissen beeinflusst. Um den Messaufwand vernünftig einzuschränken, hat der Gesetzgeber Mindestanforderungen in Bezug auf die in einem festgelegten Gebiet zu betreibende Zahl von Probenahmestellen bestimmt. Diese Mindestanforderung hindert selbstverständlich nicht daran, zusätzliche Probenahmestellen einzurichten. Dies verbessert natürlich die Informationen, um dem Ziel einer möglichst flächendeckenden Beurteilung zumindest näher zu kommen. Zusätzliche Messpunkte sind daher im Sinne des Immissions- und Gesundheitsschutzes nie von Nachteil.

Definierte Grenz- und Zielwerte gelten prinzipiell an allen Orten, mit Ausnahme

  • von Bereichen, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zugang hat und in denen es keine festen Wohnunterkünfte gibt,
  • auf dem Gelände von Arbeitsstätten, für die alle relevanten Bestimmungen über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gelten sowie
  • auf den Fahrstreifen der Straße und auf dem Mittelstreifen der Straßen (sofern Fußgänger für gewöhnlich dorthin keinen Zugang haben).

(2008/50/EU oder 39. BImSchV, jeweils Anlage 3 A)

Ein wichtiges Ziel der europäischen Luftqualitätsgesetzgebung ist eine weitgehende Harmonisierung der Beurteilung der Luftqualität. Dazu zählen auch Rahmenbedingungen für die Auswahl der Probenahmestellen, an denen ein Einhalten der Grenzwerte überprüft werden soll. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch das übergeordnete Ziel des Gesundheitsschutzes der Menschen. Die Richtlinie erwartet eine punktbezogene Beurteilung. Der Ort von Probenahmestellen soll in Bereichen liegen, in denen die höchsten Werte auftreten mit dem zusätzlichen Hinweis, dass dort auch von einer signifikanten Exposition der Bevölkerung ausgegangen werden kann (39. BImSchV, Anlage 3 B. a). Das Ergebnis an diesem Punkt entscheidet zunächst einmal darüber, ob der betreffende Ballungsraum bzw. das betreffende Gebiet mit ‚Grenzwert überschritten‘ zu beurteilen ist.

Darüber hinaus soll ein solcher Ort nach den Kriterien für die ‚großräumige Ortsbestimmung der Probenahmestellen‘ (Anlage 3 der 39. BImSchV) im Allgemeinen auch so gewählt werden, dass die Messung von Umweltzuständen, die einen sehr kleinen Raum in ihrer unmittelbaren Nähe betreffen, vermieden wird. In Bezug auf den Straßenverkehr soll die Probenahmestelle daher so gewählt werden, dass die Luftproben – soweit möglich – für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 Metern repräsentativ sein sollen.

Die Formulierung bezüglich der Repräsentativität mit der Einschränkung „soweit möglich“ berücksichtigt auch, dass in derRealität exakt gleiche Konzentrationen über einen langen Streckenabschnitt in der Regel kaum zu erwarten sind. Daher ermöglicht sie es auch bei Abweichungen, eine real existierende und dokumentierte lokale Belastungssituation zu berücksichtigen, um nicht dem übergeordneten Ziel des Gesundheitsschutzes zu widersprechen.

Ähnlich verhält es sich mit den Anforderungen zur kleinräumigen Ortsbestimmung der Probenahmestellen. Auch diese lassen einen gewissen Ermessensspielraum erkennen. Probenahmestellen zu finden und einzurichten, die in allen Punkten 100-prozentigden Anforderungen entsprechen, ist in der Praxis sehr schwierig und nicht immer möglich. Den verantwortlichen Messnetzbetreibern wird deswegen ein Ermessensspielraum eingeräumt. Dieser Ermessensspielraum gründet auf deren Sachverstand und Erfahrung und versucht, die unterschiedlichen Aspekte bei der Auswahl von Messstellen, wie Schutz der menschlichen Gesundheit, formale Standortkriterien, reale einschränkende Randbedingungen für die Einrichtung vor Ort so gut wie möglich zu vereinbaren. Diese scheinbaren Abstriche am idealen Standort stellen nicht die Brauchbarkeit der ausgewählten Messstellen für eine Beurteilung der Luftqualität per se in Frage. Auch bei vollständiger Einhaltung der Standortkriterien kann die räumliche Variabilität von verkehrsnahen Konzentrationen in der Außenluft erheblich sein, z. B. auf gegenüberliegenden Straßenseiten. Dies kann durch ein unterschiedliches Verkehrs- und Emissionsaufkommen bedingt sein, oder aber auch durch besondere Strömungsverhältnisse.

In ausgewählten Fällen können darüber hinaus Luftmessstationen beibehalten werden, die bereits lange vor Verabschiedung der europäischen Luftqualitätsgesetzgebung eingerichtet wurden, um die Kontinuität der Messreihe an diesem Ort nicht aufzugeben. Dies ist jedoch in jedem Einzelfall zu begründen.

Die internen Qualitätssicherungssysteme und die Dokumentationsanforderungen für Messstellen gewährleisten eine Übereinstimmung der Luftmessnetze mit den gesetzlichen Anforderungen. Eine erste externe Überprüfung der Luftmessestationen in Nordrhein-Westfalen durch den TÜV Rheinland hat ergeben, dass für 132 der aktuell 133 Stickstoffdioxid-Messstellen des Landesmessnetzes NRW die Konformität mit den Anforderungen der 39. BImSchV Anlage 3 Buchstabe C gegeben ist. Für die eine ausgenommene Messstelle, für die die Abweichung von den Kriterien aufgrund einer Baumaßnahme dokumentiert war, ist für das Jahr 2019 bereits ein neuer geeigneter Standort gefunden worden. [https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/luft/messstellenueberpruefung/]

Messverfahren

Die Messungen der Luftschadstoffe sind umfangreich qualitätsgesichert.

Im Bestreben einer europaweiten Harmonisierung hat der Gesetzgeber auch Referenzmessverfahren für die regulierten Schadstoffe festgelegt. Diese sind inzwischen durch die europäische Normungsinstitution (CEN) in entsprechenden Normen beschrieben. Die Betreiber der Messnetze verfügen in der Regel über akkreditierte Qualitätssicherungssysteme nach DIN EN ISO/IEC 17025:2018 oder arbeiten in Anlehnung daran.

Der Gesetzgeber erlaubt jedoch durchaus die Verwendung eines anderen Messverfahrens, sofern nachgewiesen wird, dass dieses Verfahren gleichwertige Ergebnisse im Vergleich zum Referenzmessverfahren liefert. Dies ist insbesondere für die Messung von Partikeln (z. B. PM10, PM2,5) von großer Bedeutung, weil dort seit vielen Jahren und Jahrzehnten überwiegend Messverfahren eingesetzt werden, die nicht der gravimetrischen Referenzmessmethode entsprechen. Nur automatische Messsysteme ermöglichen die kurzfristige Veröffentlichung von Messergebnissen, z.B. zur Information der Öffentlichkeit. Um die Gleichwertigkeit dieser Feinstaubmonitore zu überprüfen, werden deshalb regelmäßig Vergleichsmessungen durchgeführt. Aber auch bei anderen Komponenten, wie z. B. NO2, sind Betrachtungen zur Gleichwertigkeit anzustellen, wenn ein anderes als das Referenzverfahren angewendet wird.

Aufgrund der Problematik der vielfachen Überschreitung des Jahresgrenzwerts für NO2, haben die Wünsche und Forderungen der Kommunen nach zusätzlichen NO2-Messstellen über die Jahre hinweg zugenommen. Diese gewachsenen Anforderungen, sind nachvollziehbar und häufig gerechtfertigt, jedoch mit der Einrichtung von immer mehr Luftmessstationen unter Verwendung von Referenzmessverfahren nicht zu erfüllen.

Folgt: Messung mit NO2-Passivsammlern