BDEW kritisiert mangelhaften „CO2-armen Kraftwerks-Zubau“

Kraftwerksliste: Nur 10 Kraftwerke im Bau – Kapferer: „Bauen, bauen, bauen!“

Dem BDEW zufolge werden in Deutschland nicht genug neue CO2-arme Kraftwerke gebaut, die im Rahmen der Energiewende dringend gebraucht würden, um den den Ausstieg aus Atomenergie und Kohleverstromung auszugleichen. Das zeigt eine vom BDEW zusammengestellte Liste mit Bauvorhaben ab 20 MW Leistung – so eine Medienmitteilung.

Uniper-Braunkohlekraftwerk Schkopau – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Liste zufolge gibt es in Deutschland zwar 64 Neubau-Projekte von Kraftwerken, die gesicherte Leistung bereitstellen können. Davon sind laut Liste aber lediglich zehn tatsächlich im Bau – darunter vier Gaskraftwerke mit insgesamt 572 Megawatt, fünf Windparks mit insgesamt 1528 Megawatt und ein Steinkohle-Kraftwerk mit 1052 Megawatt. Weiterhin auf der Liste finden sich zukünftige Gaskraftwerke, von denen 19 in Planung sind, acht im Genehmigungsverfahren und drei genehmigt. Bei den Windparks weist die Liste 17 genehmigte Projekte aus, bei Biomasse zwei Kraftwerke in Planung und bei Pumpspeicherkraftwerken ein Projekt in Planung und zwei im Genehmigungsverfahren. Zudem befindet sich laut Liste ein Projekt im Genehmigungsverfahren, das Steinkohle, Biomasse und Wasserstoff kombiniert.

„Was in den Markt kommt, ist noch nicht ausreichend, um auszugleichen, was an gesicherter Leistung mit dem schrittweisen Kohleausstieg und dem laufenden Kernenergieausstieg wegfallen wird. Wenn wir die Kohlekapazitäten abschalten wollen, wie es die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung vorgeschlagen hat, brauchen wir außerdem im Jahr 2030 zwingend 65 Prozent Erneuerbare. Auch ein schnellerer Netzausbau ist zwingend. Das dritte zentrale Thema ist die Versorgungssicherheit. In der Kohlekommission gab es eine sehr hohe Übereinstimmung darin, dass die Abschaltung von Kohlekraftwerken nicht an der Frage scheitern darf, ob es gelingt, die nötigen Mengen an gesicherter Erzeugungskapazität vorzuhalten. Die Quintessenz lautet: Wir müssen bauen, bauen, bauen“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer.

Positiv sei, dass es mittlerweile in 15 Projekten Kohle durch Erdgas ersetzt werde (fuel-switch-Projekte). Es seien aber weit mehr solcher Projekte nötig, um die notwendige Reduzierung der Kohleverstromung weiter voranzutreiben. Hierfür bedarf es besserer Rahmenbedingungen für den Wechsel von Kohle zu Gas.

Gut voran geht es bei den Offshore-Windkraft-Projekten: In diesem Jahr werden voraussichtlich 1,5 Gigawatt an Offshore-Kapazitäten hinzukommen. Da es im Offshore-Bereich im Unterschied zu Windenergie an Land keine Akzeptanzprobleme gibt, sollten zügig Sonderaus-schreibungen für Offshore-Wind-Kapazitäten erfolgen – zumal es ohnehin zusätzliche Netzanschlusskapazitäten für Offshore-Wind-kapazitäten in Höhe von knapp 1,6 Gigawatt gibt.

Das Grundproblem bleibt jedoch bestehen, erläuterte Kapferer: „Die heute noch bestehenden Überkapazitäten werden in wenigen Jahren nicht nur vollständig abgebaut sein. Vielmehr laufen wir sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung.“ Dem bis 2023 zu erwartenden Zubau an Kraftwerkskapazität in Höhe von etwa 4.650 Megawatt stehen bereits absehbare und schon erfolgte Stilllegungen mit einer Kapazität von rund 26.000 MW gegenüber – ein sattes Minus.“ Damit sinke bis 2023 die konventionelle Kraftwerkskapazität von heute gut 88.600 MW auf ca. 67.300 MW.

Die Bundesnetzagentur geht in ihren Prognosen davon aus, dass die höchste Stromnachfrage in Deutschland (Jahreshöchstlast) zu Beginn der 2020er Jahre bei etwa 81.800 MW liegen wird. Dieser Wert wird nur noch dadurch erreicht, dass weitere bereits zur Stilllegung angezeigte Kraftwerke nicht vom Netz genommen werden dürfen, da sie als systemrelevant für die Versorgungssicherheit eingestuft werden (ca. 6.900 MW). Das konkrete Potenzial technologischer Entwicklungen wie neuen Speichertechnologien Demand Side Management oder Power-to-X-Technologien ist zudem nicht sicher vorhersehbar.

„Bisher setzt der Markt nicht die erforderlichen Bedingungen für den notwendigen Zubau an Kraftwerken. Stattdessen sind wir schon heute auf eine Reihe an Reparaturmaßnahmen angewiesen: Netzreserve, Kapazitätsreserve oder netztechnische Betriebsmittel kaschieren mehr schlecht als recht die Defizite der deutschen Energiepolitik und Marktkonditionen. Auf Dauer wird das nicht funktionieren“, so Kapferer.

„Die Bundesregierung ist am Zug: Um das gigantische Umbauprojekt unserer Energieversorgung auf den Weg zu bringen, muss sie zügig das notwendige Umfeld schaffen. Das bedeutet zuallererst die Stärkung von Investitionsanreizen durch einen klugen ordnungspolitischen Rahmen, statt den Versuch der Detailsteuerung am ministerialen Reißbrett zu unternehmen. Uns mangelt es nicht an neuen Zielen, sondern an der verlässlichen und volkswirtschaftlich effizienten Umsetzung. Gerade bei der Realisierung der europäisch verbindlichen Klimaziele für 2030 ist die Energiewirtschaft Treiber der Politik – und nicht umgekehrt.

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