VW-Winterkorn angeklagt – 10 Jahre und Boni-Entzug drohen

„Nichts gelernt“

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und vier Manager Anklage u.a. wegen Betrugs erhoben: „Vorgeworfen wird den jeweils als Führungskräften eingestuften Personen eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen“. Winterkorn habe entgegen seiner stetigen Beteuerungen über die „rechtswidrigen Manipulationen“ Bescheid gewusst, es aber unterlassen, den Einbau der „Abschalteinrichtungen“ zu verhindern und die Behörden zu informieren. Winterkorn muss mit bis zu zehn Jahren Haft und hohen Schadenersatzforderungen von Volkswagen rechnen.

„VW hat nichts gelernt“ betitelt einen Kommentar in der Zeit, die Anklage gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn sei „keine Personalie aus einer vergangenen Zeit“. Denn der Abgasskandal sei nicht abgeschlossen – weil VW bis heute seine Aufarbeitung blockiere.  erklärt im SPIEGEL das „Ende der Einzeläter-Legende“. Und Klaus Ott glaubt in der Süddeutschen Zeitung, die Anklageerhebung gegen Winterkorn könne für den Ex-VW-Boss „doppelt gefährlich werden“.

Im Wortlaut: Aus der Medienmitteilung der Braunschweiger Staatsanwaltschaft

„Vorgeworfen wird den jeweils als Führungskräften eingestuften Personen eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen, insbesondere ein besonders schwerer Fall des Betruges und ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Darüber hinaus ist für einige der Angeschuldigten der für eine Anklage erforderliche hinreichende Tatverdacht bejaht worden, sich als Täter oder Teilnehmer wegen Untreue, Steuerhinterziehung und mittelbarer Falschbeurkundung strafbar gemacht zu haben. Der Tatzeitraum erstreckt sich auf die Zeit zwischen dem 15.11.2006 und dem 22.9.2015, die individuellen Tatzeiten der Angeschuldigten sind unterschiedlich lang.

Dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Winterkorn wird tateinheitlich ein besonders schwerer Fall des Betruges, ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie eine Untreue vorgeworfen, weil er es seit dem 25.5.2014 als ‚Garant‘ unterlassen habe, nach Kenntnis der rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-Motoren diese gegenüber den zuständigen Behörden in Europa und den USA sowie gegenüber den Kunden offen zu legen und den weiteren Einbau der sogenannten ‚Abschalteinrichtungen‘ als auch den Vertrieb der Fahrzeuge mit diesem ‚defeat device‘ zu untersagen. Hierdurch sei es am Ende sowohl in Deutschland als auch den USA zu der Verhängung deutlich höherer Geldbußen gegen die Volkswagen AG gekommen. Zudem, so der Vorwurf der Anklage, habe der Konzern mit Wissen und Billigung auch des Angeschuldigten Dr. Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate mit Kosten von 23 Millionen Euro durchgeführt, das nutzlos war und dazu dienen sollte, den wahren Grund für die erhöhten Schadstoffwerte im Normalbetrieb der Fahrzeuge weiterhin zu verschleiern.“

VW-Niederlassung Kassel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Dieselbetrug ist also nach wie vor keineswegs überstanden – weder für Winterkorn, noch für Audi oder Volkswagen. Der mit zwölf Marken größte Autohersteller der Welt muss weitere Milliarden zurücklegen für mögliche Strafen und Schadenersatzzahlungen. Die wird er teils von seinem früheren Chef zurück verlangen. Der Untreuevorwurf beruht darauf, dass Winterkorn die Diesel-Manipulationen nicht umgehend gegenüber Behörden und Kundschaft offengelegt und abgestellt habe – dass er vielmehr dafür unrechtmäßig Millionensummen als Boni kassiert habe. Nach Informationen der Staatsanwälte war Winterkorn nämlich seit Ende Mai 2014 davon unterrichtet. Damals habe Winterkorn Unterlagen mit nach Hause genommen, in denen der Abgasbetrug offenbar detailliert geschildert worden war. Dass er nichts dagegen unternommen habe, habe VW großen Schaden zugefügt. Schlimmer noch: Winterkorn soll sogar versucht haben, den Betrug durch ein nutzloses Softwareupdate zu verschleiern.

Neues von Ex-Audi-Chef Stadler

Unterdessen sorgt auch der entlassene Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wieder für Schlagzeilen. Der 56-Jährige soll auf Hauptversammlung von Volkswagen am 14. Mai im Unterschied zu den anderen Mitgliedern des Konzernvorstandes für 2018 nicht entlastet werden. Das geht aus der Einladung zum nächsten VW-Aktionärstreffen in Berlin hervor. „Aufsichtsrat und Vorstand schlagen vor, die Entlastung des im Geschäftsjahr 2018 amtierenden Mitglieds des Vorstands Herrn Rupert Stadler wegen der noch andauernden Untersuchungen zur Dieselthematik für das Geschäftsjahr 2018 zu vertagen und allen übrigen im Geschäftsjahr 2018 amtierenden Mitgliedern des Vorstands für das Geschäftsjahr 2018 die Entlastung zu erteilen“, heißt es dazu wörtlich.

300 Aktenbände mit rund 75 000 Seiten

Laut der 692 Seiten starken Anklageschrift und den in 300 Aktenbänden mit rund 75 000 Seiten sollen die durch die Tat von den Angeschuldigten jeweils unrechtmäßig erlangten Bonuszahlungen diesen im Strafverfahren wieder entzogen werden. Es handle  „sich dabei um Beträge zwischen knapp 300 000 und knapp elf Millionen Euro“.

Das zuständige Landgericht Braunschweig wird die Anklageschrift „nunmehr prüfen, schließlich über die Zulassung der erhobenen Anklage entscheiden und im Falle der Zulassung Termine zur Hauptverhandlung bestimmen. Der Volkswagen-Konzern selbst ist von der Anklage nur mittelbar betroffen, schreibt die Welt. „Die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegenüber Herrn Winterkorn und weiteren Beschuldigten stehen im Zusammenhang mit individuellen Ermittlungen gegen Einzelpersonen, zu denen sich die Volkswagen AG nicht äußert“, erklärte der Konzern. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Volkswagen und die Tochter Audi seien seit der Zahlung von Bußgeldern in Höhe von einer Milliarde beziehungsweise 800 Millionen Euro eingestellt.

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