B90/Grüne: Politik setzt Qualitätssicherung in Wissenschaft unzureichend durch

Im Wortlaut: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Anna Christmann, Margit Stumpp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

– Drucksache 19/8777 –

Qualitätssicherung in der Wissenschaft

V o r b e m e r k u n g   d e r   F r a g e s t e l l e r

Vertrauen ist die zentrale Ressource, auf der Wissenschaft beruht. Umso schwerer wiegen Skandale wie in der niederländischen Soziologie, der südkoreanischen Klonforschung oder bei Plagiatsfällen. Auf nationaler Ebene gibt es zahlreiche Empfehlungen und Handreichungen für gute wissenschaftliche Praxis.

Auf Aufforderung der Bundesregierung (siehe Antwort auf die Schriftliche Frage 84 der Abgeordneten Krista Sager auf Bundestagsdrucksache 17/12582: „Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Forderung von Michael Kretschmer, dem Stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, nach „einheitliche(n) Standards, mit denen nicht nur Doktorarbeiten, sondern auch die Prüfungen von Dissertationen bewertet werden“ (ZDF-Morgenmagazin, zitiert nach dpa vom 6. Februar 2013), und wenn ja, welche Schritte plant sie diesbezüglich zu unternehmen?“) hat der Wissenschaftsrat (WR) 2015 ein Positionspapier mit „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ verfasst. In den WR-Empfehlungen werden einige Maßnahmen zur Sicherstellung von Qualität in der Wissenschaft genannt, die auch die Politik in die Verantwortung ziehen, die nach Auffassung der Fragesteller jedoch noch nicht zureichend umgesetzt sind.

V o r b e m e r k u n g   d e r   B u n d e s r e g i e r u n g :

Der Qualitätssicherung in der Wissenschaft kommt aus Sicht der Bundesregierung ein hoher Stellenwert zu. Die Etablierung von Standards und Verfahren zur Sicherung einer hohen wissenschaftlichen Qualität sowie zur Einhaltung der wissenschaftlichen Redlichkeit tragen maßgeblich zur Legitimation wissenschaftlicher Erkenntnisse bei. Gleichzeitig manifestiert die durch Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes garantierte Wissenschaftsfreiheit die Prämisse der eigenverantwortlich handelnden, sich selbstverwaltenden Wissenschaft. Dementsprechend ist auch die Sicherstellung der Einhaltung wissenschaftlicher Qualitätsstandards eine Kernaufgabe der Wissenschaftseinrichtungen. Maßnahmen und Verfahren zur Vorbeugung von Verstößen ebenso wie zu deren Ahndung sind daher primär auf der Ebene der Einrichtungen konzentriert.

Darüber hinaus leisten externe Anlaufstellen wie der Ombudsmann für die Wissenschaft bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der seit 1999 allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unmittelbar und unabhängig von einem Bezug zur DFG in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und ihrer Verletzung durch wissenschaftliche Unredlichkeit zur Verfügung steht, einen wichtigen Beitrag zur Integrität in der Wissenschaft.

  1. Welche Verantwortung trägt die Bundesregierung für die Qualitätssicherung im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem?

Die Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem hat viele Facetten, von der Sicherung der Prozessqualität bzw. der guten wissenschaftlichen Praxis über die Sicherung der Ergebnisqualität durch Begutachtungen bzw. Evaluationen und die Sicherung der Nachhaltigkeit der Ergebnisse durch experimentelle Überprüfung der Reproduzierbarkeit bis hin zur entsprechenden Ausbildung und Sensibilisierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus Sicht der Bundesregierung ist dies primäre Aufgabe der Wissenschaft selbst, und diese Aufgabe nimmt sie auch wahr. Zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis hat die Wissenschaft Empfehlungen formuliert. Aufgrund dieser Empfehlungen wurde ein flächendeckendes System der Selbstkontrolle in allen verfassten Institutionen der Wissenschaft eingerichtet. Aktuell werden die Leitlinien überarbeitet. Gefordert sind jede Forscherin und jeder Forscher ebenso wie die Organisationen in der Wissenschaft. Die Verantwortung aller Förderer von Wissenschaft ist es, Rahmenbedingungen zu gewährleisten, in denen hohe Standards wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten werden können.

  1. Wie viele Prüfungsordnungen für Abschlussarbeiten (ohne Promotion) und wie viele Promotionsordnungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, und in wie vielen dieser Ordnungen wird eine eidesstattliche, eine ehrenwörtliche bzw. keine Erklärung darüber verlangt, dass die Prüfung bzw. Dissertation selbständig und lediglich unter Benutzung der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt wurde?
  2. Welche Regelungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Landeshochschulgesetzen, um wissenschaftlichem Fehlverhalten insbesondere bei Prüfungen vorzubeugen?
  3. In welchen Landeshochschulgesetzen wird nach Kenntnis der Bundesregierung die vorsätzliche Täuschung bei Prüfungen als Ordnungswidrigkeit bezeichnet, die mit Geldbußen geahndet werden kann, und wie hoch sind die maximalen Geldbußen?

Die Fragen 2 bis 4 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Regelungen zur Durchführung von Prüfungen sowie die Ahndung wissenschaftlichen Fehlverhaltens fallen in die Zuständigkeit der Länder sowie ihrer Hochschulen. Die Landeshochschulgesetze enthalten allgemeine Vorgaben zum Studium und zur Promotion, verleihen aber den Hochschulen als Selbstverwaltungseinrichtungen die Möglichkeit, detaillierte Prüfungs- und Promotionsordnungen zu erlassen. Die Ahndung eines bestimmten Verhaltens als Ordnungswidrigkeit erfordert eine gesetzliche Grundlage, die in den Landeshochschulgesetzen zu legen wäre und sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren muss.

  1. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung an deutschen Universitäten in den vergangenen fünf Jahren zu wissenschaftlichem Fehlverhalten bei Abschlussprüfungen, die dazu führten, dass die Prüfungsleistung als nicht bestanden bewertet wurde?
  2. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung an deutschen Universitäten in den vergangenen fünf Jahren zur Zurückweisung einer Promotion nach der Abgabe der Dissertationsschrift wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens?
  3. Wie viele an deutschen Hochschulen erworbene Doktorgrade wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen Jahren bundesweit aberkannt (bitte nach Aberkennung nach Fächergruppen und einzelnen Universitäten aufschlüsseln)?
  4. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit unrechtmäßig erworbenen Abschlüssen sowie Doktorgraden in den vergangenen fünf Jahren zu strafrechtlichen Verfahren gegen Doktoranden, und aus welchen Gründen?

Die Fragen 5 bis 8 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor.

  1. Wie bewertet die Bundesregierung das Ansinnen, Betreuer bzw. Betreuerinnen von Promotionen, bei denen später Verstöße gegen die Regeln redlichen wissenschaftlichen Arbeitens festgestellt werden, ebenfalls mit Konsequenzen zu belegen?

Der Einhaltung wissenschaftlicher Qualitätsstandards bei der Betreuung von Promotionen misst die Bundesregierung große Bedeutung zu. Für die Betreuerinnen und Betreuer geht damit ein hohes Maß an Verantwortung einher. Die Entscheidung, ob Verstöße gegen die Regeln redlichen wissenschaftlichen Arbeitens von Promovierenden auch Konsequenzen für die jeweilige Betreuerin bzw. den jeweiligen Betreuer haben sollte, erfordert eine Bewertung, ob das Verhalten des Betreuers selbst einen Verstoß gegen die Qualitätsstandards darstellt. Neben dem Vorbehalt des Gesetzes ist bei der Abwägung auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen.

  1. In wie vielen Fällen ergaben sich nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit unrechtmäßig erworbenen Doktortiteln in den vergangenen fünf Jahren Konsequenzen für den Betreuer bzw. die Betreuerin der Promotion?
  2. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren im Zusammenhang mit Promotionsverfahren strafrechtliche Verfahren gegen Professorinnen und Professoren, und wenn ja, aus welchen Gründen, und wie viele?

Die Fragen 10 und 11 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor.

  1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Umsetzungsstand von folgenden Empfehlungen zur Qualitätssicherung in der Wissenschaft:
    a) Positionspapier des Wissenschaftsrats „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ (2015),
    b) DFG-Denkschrift Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (1998, ergänzt 2013) und
    c) HRK-Empfehlung „Gute wissenschaftliche Praxis an Hochschulen“ (2013)?
  2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem geringen Bekanntheitsgrad und der noch geringeren Anwendung ausgewählter Leitlinien und Musterordnungen zu wissenschaftlicher Integrität an den Hochschulen (siehe WR-Empfehlungen zur wissenschaftlichen Integrität, S. 17), und welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung sowohl bei sich als auch bei Ländern, Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen, um Bekanntheitsgrad und Anwendung von Leitlinien und Musterordnungen wissenschaftlicher Integrität zu steigern?

Die Fragen 12 bis 13 werden im Zusammenhang beantwortet. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Wissenschaftliche Integrität“ innerhalb der Selbstverwaltungsorgane der Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen, aber auch über Institutionsgrenzen hinaus ist von großer Bedeutung. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats richten sich regelmäßig an verschiedene Akteure des Wissenschaftssystems. Die „Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität“ betonen insbesondere die Eigenverantwortung der Wissenschaftseinrichtungen. Auf der Grundlage der Denkschrift „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ (1998, ergänzt 2013) der DFG können nur an solche Einrichtungen Fördermittel vergeben werden, die sich an die Empfehlungen 1 bis 8 halten. Die Einrichtungen weisen die Umsetzung der Empfehlungen in ihr Binnenrecht (in der Regel Satzungen) gegenüber der DFG nach. Bei der Antragstellung verpflichten sich die Antragstellerinnen und Antragsteller gegenüber der DFG zur Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis. Die DFG-Denkschrift wird derzeit überarbeitet. Daneben bietet die Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) „Gute wissenschaftliche Praxis an Hochschulen“ einen Handlungsleitfaden, den die Hochschulen eigenverantwortlich umsetzen. Die Empfehlung wurde durch Beschluss der Mitgliederversammlung der HRK verabschiedet und hat den Charakter einer Selbstverpflichtung. Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Gute wissenschaftliche Praxis“ ist mit der Empfehlung jedoch nicht abgeschlossen, sondern wird innerhalb der HRK sowie in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen kontinuierlich fortgeführt.

  1. Inwiefern sollte nach Auffassung der Bundesregierung die Vermittlung wissenschaftlicher Integrität bzw. guter wissenschaftlicher Praxis einen höheren Stellenwert in Studium und Promotion einnehmen, und wie will die Bundesregierung dies im Rahmen ihrer Förderpolitik (Projektförderung, Wissenschaftspakte etc.) unterstützen?

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Vermittlung wissenschaftlicher Integrität bzw. guter wissenschaftlicher Praxis integraler Bestandteil akademischer Bildung ist. Zu den im Rahmen der Akkreditierung an Hochschulen nachzuweisenden fachlich-wissenschaftlichen Anforderungen zählt auch die Vermittlung der allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis (vgl. Begründung zu § 11 Absatz 2 der Musterrechtsverordnung gemäß Artikel 4 Absätze 1 bis 4 des Studienakkreditierungsstaatsvertrags der Länder). Daher erübrigt sich eine gesonderte Adressierung in Maßnahmen des Bundes, die die Hochschulen bzw. Studium und Lehre betreffen. Die inhaltliche Ausgestaltung von Studium und Lehre und damit die Art und Weise der Vermittlung wissenschaftlicher Integrität und guter wissenschaftlicher Praxis obliegt den Hochschulen bzw. den für die Hochschulen verfassungsgemäß zuständigen Ländern. Für die Projektförderung enthalten die derzeit gültigen Nebenbestimmungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine Vorgabe, nach der die Zuwendungsempfänger verpflichtet sind, eine gute wissenschaftliche Praxis gemäß den Empfehlungen der DFG sicherzustellen.

  1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit den WR-Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität ergriffen, um bei der Vergabe von Drittmitteln weniger auf quantitätsbezogene Kriterien, sondern stärker auf qualitätsbezogene Kriterien zu achten?

Die Vergabe von Zuwendungen durch das BMBF erfolgt anhand von Qualitätskriterien im wettbewerblichen Verfahren.

  1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung aus den WR-Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität, wonach Arbeitsverträge mit kurzen Laufzeiten die Qualität und wissenschaftliche Integrität der eigenen Arbeit gefährden und Erfolgsdruck und existentielle Abhängigkeit von Drittmittelanträgen insbesondere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler motivieren, unredlich zu handeln, z. B. ungewollte Ergebnisse nicht zu dokumentieren oder zu beschönigen, und auf welcher empirischen Grundlagen fußt die Annahme?

Wissenschaftliche Qualität und Integrität werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Gute Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Qualifizierungen bilden hierfür eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus bedarf es eines institutionell verankerten Systems der Selbstkontrolle und der Selbstverpflichtung. Im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen hat die Bundesregierung mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Maßnahmen zur Absicherung angemessener Vertragslaufzeiten ergriffen. Mit dem Tenure-Track-Programm von Bund und Ländern wird zudem die Schaffung transparenter Karrierewege für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachhaltig gefördert.

  1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es an empirischer Forschung über gute wissenschaftliche Praxis mangelt (siehe Rene Krempkow „Wissenschaftliche Integrität, Drittmittel und Qualität in der Wissenschaft empirische Befunde“, Juni 2016), und setzt sich die Bundesregierung für ein bundesweites Monitoring zu guter wissenschaftlicher Praxis ein?

Im Forschungsfeld der „Wissenschafts- und Hochschulforschung“ stand das Thema gute wissenschaftliche Praxis bzw. wissenschaftliche Integrität bislang nicht im Fokus. Allerdings ist die kritische Reflexion der Qualitätsentwicklung in der Wissenschaft sowie die Generierung von empirisch gesichertem Wissen und Impulsen zur Ausgestaltung von qualitätssichernden Rahmenbedingungen Gegenstand des Förderschwerpunkts „Wissenschafts- und Hochschulforschung“ des BMBF. Angesichts der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung müsste die etwaige Einführung eines entsprechenden Monitorings von den Ländern initiiert werden.

  1. Befürwortet und plant die Bundesregierung die Einsetzung einer Institution für die Standardbildung und Vereinheitlichung von Verfahren bei wissenschaftlichem Fehlverhalten (Beispiel Dänemark), wie es der WR in seinen Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität vorschlägt? Wenn ja, wie ist der Zeitplan? Wenn nein, warum nicht?

Der Wissenschaftsrat empfiehlt in seinem Positionspapier die Einrichtung einer institutionenübergreifenden Plattform auf nationaler Ebene, die der Informationszusammenführung und der Vernetzung von Ombudsleuten und Beteiligten aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen dient. Den Empfehlungen zufolge sollte eine solche Einrichtung allerdings, anders als das Danish Committee on Research Misconduct, keine Sanktionsmacht besitzen, sondern der akteursübergreifenden Vernetzung und Standardbildung gewidmet sein. Der Wissenschaftsrat hält es für die Aufgabe der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, die weiteren Schritte zur konkreten Ausgestaltung zu vereinbaren.

  1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Arbeit der Ombudsstellen und Kommissionen an Universitäten zur Prävention und Aufklärung von wissenschaftlichem Fehlverhalten?

Eine Liste der Ombudsstellen der Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen steht unter dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/gwp/ombudsman/index.html zur Verfügung. Über den konkreten Inhalt der Tätigkeit der Stellen liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.

  1. Wie ist der Umsetzungsstand des in den WR-Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität geforderten Ausbaus und der geforderten Professionalisierung des Ombudswesens an den Hochschulen durch administrative Unterstützung sowie klarer Aufgabenzuordnung, ausreichender Ressourcen zur Erfüllung der Aufgaben und Transparenz der Prozesse?

Entsprechend der landesrechtlich garantierten Autonomie der Hochschulen tragen die Leitungen der Hochschulen die Verantwortung für den Ausbau und die Professionalisierung des Ombudswesens. Es obliegt ihnen, im Sinne einer kontinuierlichen Selbstvergewisserung, die notwendigen organisations- und verfahrensrechtlichen Maßnahmen für die Weiterentwicklung bestehender Strukturen und Prozesse zu ergreifen. Die finanzielle Grundausstattung der Hochschulen ist dabei Aufgabe der Länder. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 12 und 13 verwiesen.

  1. Inwiefern wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die WR-Empfehlung umgesetzt, das Vorhandensein funktionsfähiger Strukturen und Prozesse zum Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (Ombudsstellen, Verfahrensordnungen, Leitlinien) in die Systemakkreditierung von Hochschulen sowie die Evaluation von wissenschaftlichen Einrichtungen aufzunehmen?

Rechtsgrundlage für die Systemakkreditierung bildet der Staatsvertrag der Länder über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Inwieweit dort die Funktionsfähigkeit von Strukturen und Prozessen zum Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Rahmen der Systemakkreditierung als Prüfkriterium herangezogen wird, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung. Bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden grundsätzlich Strukturen und Prozesse, die für das Funktionieren der Einrichtungen wichtig sind, sowohl bei Evaluationen als auch im Rahmen der kontinuierlichen Begleitung und Governance thematisiert.

  1. Welchen Beitrag können Open-Access-Strategien für die wissenschaftliche Integrität leisten, da sie die Replizierbarkeit von wissenschaftlichen Ergebnissen erleichtern, und welchen Beitrag plant die Bundesregierung dazu – zusätzlich zu Open-Access-Strategien mancher Bundesländer wie Baden- Württemberg?

Open Access eröffnet durch die freie Verfügbarkeit der Publikationen weitere Wege für die Qualitätssicherung. Eine freie Verfügbarkeit erleichtert auch den Einsatz neuer und innovativer Modelle der Qualitätssicherung (z. B. Open Peer- Review Verfahren) ohne Einschränkungen durch restriktive Lizenzierungen. Die Bundesregierung erarbeitet entsprechend dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode eine nationale Open Access Strategie, die sich auch mit Fragen der Qualitätssicherung beschäftigen wird.

  1. Inwieweit dürfen bzw. müssen Universitätsbibliotheken die Öffentlichkeit in Bibliothekskatalogen darüber informieren, dass z. B. ein Doktorgrad wegen eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens (etwa wegen eines Plagiats) rechtskräftig entzogen wurde, und welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung für eine bundeseinheitliche Handhabung?

Hier sollte zwischen dem Doktorgrad selbst und der Arbeit zu seiner Erlangung unterschieden werden. Universitätsbibliotheken (und deren Kataloge) sind kein Ort der Registrierung von verliehenen oder aberkannten Doktorgraden, sie stellen allenfalls der Öffentlichkeit die Promotionsarbeiten zur Verfügung. Universitätsbibliotheken unterfallen als Organisationseinheiten der Hochschulen der Zuständigkeit der Länder. Die Entscheidung, inwieweit rechtskräftig bemängelte Promotionsarbeiten gekennzeichnet werden sollen, muss daher auf der Ebene der Hochschulen in Übereinstimmung mit landesrechtlichen Vorgaben erfolgen.

  1. Welche gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zum Entzug von Promotionen aufgrund wissenschaftlicher Unredlichkeit gibt es, und was spricht aus Sicht der Bundesregierung für bzw. gegen eine Plagiatsverjährung (siehe z. B. Volker Rieble, „Plagiatverjährung. Zur Ersitzung des Doktorgrades“ www.ordnungderwissenschaft.de/pdf/2014-1/01_03_rieble_plagiatver jaehrung.pdf)?

Über den konkreten Regelungsgehalt der Vorschriften zum Entzug von Promotionen muss durch den zuständigen Normgeber unter Berücksichtigung des Gesamtgefüges im thematischen Regelungskomplex entschieden werden. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen.

  1. Ist die Bundesregierung weiterhin grundsätzlich der Auffassung, die Bestimmungen des Pass-, Personalausweis- und Melderechts aufzuheben, die sich auf die Eintragung, Erhebung und Speicherung des Doktorgrades oder des Ordens- und Künstlernamens beziehen (siehe den Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften, Bundestagsdrucksache 16/4138)?
    a) Wenn ja, inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, dazu in der laufenden Wahlperiode erneut einen Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag vorzulegen?
    b) Wenn nein, haben sich die im Gesetzentwurf genannten Gründe erledigt, die seinerzeit für die Streichung der Eintragung des Doktorgrads in den Pass und den Personalausweis gesprochen haben (Bürokratieabbau; Schwierigkeit, die Gleichwertigkeit ausländischer akademischer Grade mit dem deutschen Doktorgrad festzustellen; Doktorgrad ist für die Identifizierung einer Person anhand eines Ausweisdokumentes nicht mehr notwendig; Eintragung des Doktorgrades in den Pass widerspricht internationalen Gepflogenheiten; Irritationen durch das vorangestellte „Dr.“ bei Grenzkontrolle im Ausland)?

Der gesetzgebende Deutsche Bundestag hat sich den von der Bundesregierung vorgetragenen Sachgründen, die für einen Wegfall des Doktorgrades im Pass- und Ausweisrecht sprechen, im Jahr 2007 nicht angeschlossen. Die im Gesetzentwurf vorgetragenen Sachgründe haben sich nicht erledigt, sondern die Problematik hat sich insbesondere im internationalen Reiseverkehr verschärft. Eine etwaige erneute Initiierung eines diesbezüglichen Gesetzentwurfs ist Gegenstand regelmäßiger Prüfung. Die Bundesregierung behält sich grundsätzlich alle Handlungsoptionen auch in der 19. Wahlperiode vor.

->Quellen: