Einheitlicher CO2-Preis als Schlüssel für effizientes Marktdesign

ESYS-Impuls: Energiesteuern reformieren, Verzerrungen abbauen, Sektorenkopplung fördern

ESYS-PK ‚CO2-Bepreisung zur Sektorenkopplung, neues Marktdesign für die Energiewende‘ – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Kurz vor seiner entscheidenden Sitzung am 20.09.2019 steht das Klimakabinett vor großen Herausforderungen: Uneinheitliche Preise für Energieträger, zu hohe Treibhausgasemissionen und Deutschland verfehlt seine Klimaziele. Was muss passieren, damit sich klimaschonende Technologien etablieren können? Fachleute des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS)haben in einem Impuls unter dem Titel „Über eine CO2-Bepreisung zur Sektorenkopplung: Ein neues Marktdesign für die Energiewende“ Leitlinien für ein effizientes und effektives Marktdesign veröffentlicht und am 03.09.2019 im Rahmen eines Pressegesprächs und einer Diskussionsveranstaltung in Berlin vorgestellt. Fazit: Eine umfassende CO2-Bepreisung ist dafür ein erster notwendiger Schritt. Gleichzeitig gilt es, Verzerrungen abzubauen, die heute einen effizienten Klimaschutz verhindern. Die gute Nachricht: beides lässt sich verbinden.

CO2-Bepreisung zur Sektorenkopplung, neues Marktdesign für die Energiewende – Titel ESYS-Impuls

Kurzfassung: Das Papier zeigt Optionen zur Änderung des Marktdesigns und diskutiert deren Wirksamkeit, Effizienz und Verteilungswirkungen. Folgende Punkte sind entscheidend:

    1. Ein einheitlicher und umfassender CO2-Preis in Europa ist zentraler Bestandteil eines effizienten und effektiven Marktdesigns. Naheliegend ist, dafür das Europäische Emissionshandeissystem (EU-ETS) bis 2030 möglichst auf alle Sektoren auszuweiten.
    2. Für die Übergangszeit ist eine CO2-Bepreisung in Deutschland sinnvoll, wenn nationale KIimaschutzziele kosteneffizientverfolgt werden sollen. Dabei sollte Deutschland mit Partnerländern eine strategische CO2-Preis-Allianz bilden. Bei der Umsetzung gilt es zu entschieden, ob der Preis nur den Nicht-ETS-Bereich oder alle Emissionen in Deutschland umfassen sollte.
    3. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können genutzt werden, um das System an Steuern, Abgaben und Umlagen zu reformieren – mit dem Ziel, unverhältnismäßig stark belastete Energieträger zu entlasten. So kann eine doppelte Dividende erzielt und die Sektorenkopplung vorangebracht werden. Besonders zielführend ist, die EEG-Umlage zu ersetzen und auch die Stromsteuer zu reduzieren.
    4. Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen und Haushalten sollten von Anfang an mitgedacht werden. Doch auch der Abbau von Steuern, Abgaben und Umlagen führt zu Entlastungen der Haushalte. Aufgabe der Politik ist, eine ausgewogene Lösung zwischen Kompensationsmaßnahmen und dem Abbau von Verzerrungen finden.

Felix Müsgens, Karen Pittel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Professoren Karen Pittel (ifo-Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen und Mitglied des ESYS-Ditektoriums) und Felix Müsgens (TU Cottbu und Co-Leiter der ESYS.Arbeitsgruppe) empfehlen im ESYS-Impuls der Bundesregierung, eine umfassende und wirksame CO2-Bepreisung als zentrales klimapolitisches Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen einzuführen – verbunden mit einer Reform des Systems an Steuern, Abgaben und Umlagen. Zu diesem Schluss kam eine Arbeitsgruppe des von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften initiierten Projekts.

Die Fachleute nennen zwei Kriterien für ein geeignetes Marktdesign der Energiewende:

  1. Erstens sollten Marktakteure alle Kosten tragen, die sie verursachen – dazu gehören insbesondere externe Effekte wie Umweltschäden, die Klima und Gesellschaft belasten.
  2. Zweitens sollte das Marktdesign einen unverfälschten Wettbewerb aller Energieträger ermöglichen. Dafür müssten Wettbewerbsverzerrungen, die momentan zu Wohlfahrtsverlusten führen, abgebaut werden. Denn heute seien die Energieträger sehr unterschiedlich mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet.

CO2-Preis schafft doppelte Dividende

Müsgens, Professor für Energiewirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe: „Wir haben ein unglaubliches Window of Opportunity – so viel Druck ist im Kessel“. Und er erklärt die Vorteile einer umfassenden CO2-Bepreisung: „Ein CO2-Preis belastet Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin nach ihrem CO2-Gehalt. Dadurch verbessert sich die Wettbewerbsposition klimaschonender Technologien, und die Klimaschutzziele werden effizient erreicht. Gleichzeitig können die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung genutzt werden, um das System an Steuern, Abgaben und Umlagen so zu reformieren, dass Verzerrungen abgebaut werden. Wir können also durch gutes Marktdesign im Klimaschutz eine doppelte Dividende für die Gesellschaft erzielen.“

Je mehr Emissionen mit demselben Preis belegt würden, desto effizienter könnten sie vermieden werden. Daher sollte der CO2-Preis nicht nur alle Sektoren umfassen, sondern idealerweise auch möglichst viele Länder. Ein weiterer Vorteil einer globalen Bepreisung sei, dass die Kosten für CO2-Emissionen weltweit in Produktionskosten einfließen würden, sodass Unternehmen aus Deutschland und Europa keine Wettbewerbsnachteile fürchten müssten – die Gefahr des Carbon Leakage wäre gebannt.

Ob die Sorge vor Carbon Leakage größer sei als die wirkliche Gefahr sei „momentan schwer einzuschätzen“, so Pittel, „denn wir haben ja noch ziemlich niedrige Preise. Allerdings haben wir bei dem Versuch zu überprüfen, wie stark denn die Drohung durchschlage, nicht allzu viel gefunden – insofern gibt es noch keine empirische Bestätigungen.“ Müsgens wies darauf hin, dass die Ausnahmeregelungen („aber Straßenbahnen gehören da sicher nicht rein“) zur zur Akzeptanzsicherung notwendig seien. Dazu gehörten auch die überlegten Rückzahlungen, möglicherweise über Wohngeldregelungen.

Da eine globale Lösung Zeit brauche, sollte sich die Bundesregierung zunächst für eine europaweite CO2-Bepreisung einsetzen. Die ESYS-Fachleute schlagen vor, das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) bis 2030 auf die Sektoren Wärme und Verkehr auszuweiten. Um die Nachteile dieses Systems wie Preisschwankungen auszugleichen und Investoren Sicherheit zu bieten, könnte die EU einen Mindestpreis im EU-ETS einführen.

Als Zwischenlösung bis 2030 rät die ESYS-Arbeitsgruppe der Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode mit Partnerländern eine strategische Klimaschutz-Allianz zu bilden. Möchte Deutschland schon im Vorfeld einen nationalen CO2-Preis einführen, skizzieren die Fachleute drei Optionen: Die Regierung kann das EU-ETS national auf die Sektoren Wärme und Verkehr ausweiten, einen zusätzlichen Emissionshandel in Deutschland oder eine CO2-Steuer einführen.

Energiesteuerreform: EEG-Umlage senken, Stromsteuer kürzen

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung erhöhen die Effizienz, indem mit ihnen Steuern, Abgaben und Umlagen ersetzt werden können, die heute einzelne Energieträger zu stark belasten. Davon profitiert auch die Sektorenkopplung, und Haushalte werden entlastet. Um grünen Strom zum Heizen und im Verkehr nutzen zu können, muss der Strompreis sinken. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen vor, die EEG-Umlage deutlich zu reduzieren und die Stromsteuer auf das europäisch festgelegte Mindestmaß zu kürzen.

Einnahmen einer sektorenübergreifenden CO2-Bepreisung in Deutschland in Höhe von 30 Euro pro Tonne CO2 (exemplarisch) und der möglichen Verwendung als illustratives Beispiel. Darin enthalten sind auch die Einnahmen aus der Versteigerung der EU-ETS-Zertifikate (Stand 2018), die in den Energie- und Klimafonds (EKF) einfließen und einer Zweckbindung unterliegen. Aufgrund der gestiegenen EU-ETS-Zertifikatspreise ist davon auszugehen, dass die Mittel im EKF im Jahr 2019 deutlich steigen werden – Grafik © ESYS

Der Impuls stellt Zwischenergebnisse der ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“ vor. Ein Schwerpunkt der Arbeitsgruppe ist ein verbessertes Marktdesign für die Sektorenkopplung, dessen wesentlicher Bestandteil eine wirksame CO2– Bepreisung ist. Aufgrund der aktuellen klimapolitischen Debatten und der damit verbundenen großen Dynamik hat die Arbeitsgruppe diesen Impuls mit besonderem Fokus auf dem CO2-Preis verfasst. Die Gesamtergebnisse werden 2020 in einer ausführlichen Studie veröffentlicht, die auch weitere Aspekte des Strommarktdesigns umfasst.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften unterstützen Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftsbasiert bei der Beantwortung von Zukunftsfragen zu aktuellen Themen. Die Akademiemitglieder und weitere Experten sind namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. In interdisziplinären Arbeitsgruppen erarbeiten sie Stellungnahmen, die nach externer Begutachtung vom Ständigen Ausschuss der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina verabschiedet und anschließend in der Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung veröffentlicht werden.

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