Noch einmal Reaktionen auf Klimaschutzprogramm 2030

„Mogelpackung“, „‚Pille-Palle‘ im Quadrat“

Während die beteiligten Politiker sich zuerst „ein bisschen schämten“ (AKK) und dann „ihre beschlossenen Maßnahmen feierten, kam von Erneuerbaren-, Umwelt- und Verbrauchervereinigungen viel Kritik – sie glauben nicht, dass damit wirklich entscheidend CO2-Emissionen eingespart werden können. Die vom Klimakabinett beschlossenen Maßnahmen halten viele Vereinigungen und Verbände für unzureichend“, so Sandra Enkhardt in einer verdienstvollen Sammlung von Reaktionen in pv magazine. „Sie teilten nicht unbedingt die Einschätzung von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die von einem ‚Neuanfang für deutsche Klimapolitik‘ sprach“. Franz Alt sieht im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung eine „Existenzbedrohung für unsere Kinder und Enkel“.

‚Die Zeit rennt – Ihr pennt‘ – Transparent bei Fridays4Future-Demo Berlin – Foto © Gerhard Hofmannfür Solarify

Alt auf seiner Sonnenseite: „…Heraus kam ein Päckchen und auch das zum Teil noch als Mogelpackung. Das nochmalige Erhöhen der Pendlerpauschale hilft nun wirklich nicht dem Klima. Nach Monate langem Streit um einen höheren CO2-Preis eine kaum spürbare Erhöhung – ab 2021. Wissenschaftler und Regierungsberater hatten mindestens das Dreifache vorgeschlagen. Immerhin soll die Mehrwertsteuer auf Fernfahrten mit der Bahn von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden. Dieser Bundesregierung geht es nicht um die Zukunft des Klimas und um das Überleben der Menschheit, sondern um ihr eigenes Überleben wenigstens bis zur nächsten Wahl. Noch vor kurzem wollte die Kanzlerin Schluss machen mit „Pille-Palle“ und der Vizekanzler mit „Klein-Klein“. Nun aber hat dieselbe Bundesregierung „Pille-Palle“ im Quadrat beschlossen. Die Pläne der Bundesregierung sind eine „Existenzbedrohung für unsere Kinder und Enkel“.

Erneuerbaren-, Umwelt- und Verbrauchervereinigungen: Große Enttäuschung und viel Kritik

So verwundert die Erleichterung des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar – „Förderdeckel für Solardächer fällt“) zwar nicht, dass der Deckel der Solarförderung bei 52 Gigawatt mit dem Beschluss fallen soll. Insgesamt sei das Paket aber eher ernüchternd. „Die Streichung des Förderdeckels für Solardächer wird in letzter Minute einen Markteinbruch abwenden, wenn sie jetzt umgehend gesetzlich fixiert wird. Insgesamt bleibt das Eckpunktepapier aber eher zaghaft und vage. Statt den Solarturbo zu starten, knüpft man einen fluglahmen Flickenteppich“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar). Unklar bleibe etwa der Umfang der dringend benötigten Beschleunigung des Photovoltaik-Ausbaus.

Bis 2030 soll in Deutschland der Ökostrom-Anteil etwa aus Wind massiv steigen. Das Klimapaket mache das aber eher schwerer als leichter, kritisiert der Windkraft-Verband. Nach den Klimaschutz-Beschlüssen der Koalition sieht der Bundesverband Windenergie die gesamte Branche in Gefahr. Demnach sollen bis zu einem Mindestabstand von 1.000 Metern von Wohnsiedlungen künftig keine neuen Anlagen errichtet oder ältere Windräder durch neue ersetzt werden dürfen. Diese „pauschale Regelung“ sei „unverständlich und grob fahrlässig“, kritisierte Verbandspräsident Hermann Albers. Damit werde „die Regional- und Landesplanung ins Chaos gestürzt, was die gesamte Branche gefährdet“.

Bei Agora Energiewende wird das Klimapaket als „erschreckend kraft- und mutlos“ eingestuft. „Insbesondere die vorgeschlagene CO2-Bepreisung ist ein schlechter Scherz: Die 10 Euro pro Tonne CO2 entfalten keinerlei Lenkungswirkung, und die jährliche Anhebung ist so homöopathisch, dass das kaum mehr als die Inflationsentwicklung ist“, erklärt Direktor Patrick Graichen. „Auch bei dem Ausbau der Erneuerbaren gibt es keinerlei Fortschritte – im Gegenteil werden die Bedingungen für Windkraftanlagen verschlechtert.“

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) spricht von einem „mutlosem Konglomerat ohne geringste Ambitionen“. „Es ist erschreckend: Deutschland führt den CO2-Preis ein und keiner wird es in den nächsten fünf Jahren merken. Das Klimakabinett schlägt einen Einstiegspreis vor, der so niedrig ist, dass von ihm keine Lenkungswirkung für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen ausgehen wird“, erklärt bne-Geschäftsführer Robert Busch. „Doch die Enttäuschung dominiert: Der Vorschlag wird keine signifikanten Treibhausgasminderungen erzielen. Stattdessen lässt er die Investitionsbereitschaft von Bürgern und Unternehmen in CO2-freie Technologien und Energieträger verpuffen“, so Busch weiter.

Auch Greenpeace Energy bewertet die Beschlüsse eher als „Windkraft-Verhinderungsprogramm und eine Breitseite gegen die Energiewende“. „Kanzlerin Merkel hat offenbar das Ziel komplett aufgegeben, den Klimaschutz mithilfe der Erneuerbaren voranzubringen“, kommentiert Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy. Dabei sei ein konsequenter Ausbau von Photovoltaik und Windkraft notwendig, um die eigenen Ziele zu erreichen, auch beim Klimaschutz.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zeigt sich enttäuscht vom Klimapaket. „Es muss deutlich mehr passieren, um Natur und Verbraucher vor immensen Schäden und Kosten, die der Klimawandel nach sich zieht, zu schützen. Der Weg vom Klimaschutzpaket bis zum Klimaschutzgesetz ist noch weit“, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Der groß angelegte Wurf sei nicht zu erkennen. Unternehmen müssten stärker zur Verantwortung gezogen werden und die Politik müsse Anreize für klimafreundliche Alternativen für Verbraucher schaffen.

BEE-Präsidentin Simone Peter kritisiert: „Von einem großen Wurf für mehr Klimaschutz, für den hunderttausende Menschen in Deutschland heute auf die Straße gegangen sind, ist das Paket der Bundesregierung meilenweit entfernt. Die vielen kleinteiligen Ansätze reichen bei weitem nicht aus, um die deutschen Klimaschutz- und Erneuerbaren-Ziele zu erreichen. Ein Einstiegspreis von lediglich 10 Euro für CO2 ist ein Offenbarungseid für die Mutlosigkeit der Bundesregierung. So kann die CO2-Bepreisung keine ökologische Lenkungswirkung entfalten, zementiert Subventionen für fossile Energieträger und wird den tatsächlichen Kosten, die CO2 verursacht, nicht im Ansatz gerecht. Damit bleiben saubere Technologien weit unter ihren Möglichkeiten.“

Deutsche Umwelthilfe (DUH): „Desaströses Klimaschutzprogramm“ – die verantwortlichen Minister scheitern damit an der Aufgabe, Klimaschutz ernsthaft und zukunftssichernd anzugehen, so das DUH-Fazit. „Beim Ausstieg aus Kohle und Gas sind gar keine Fortschritte zu verzeichnen. Dagegen wird der Ausbau der Windenergie an Land durch neue Abstandsregeln weiter erschwert. Dies ist dramatisch, da dadurch selbst das Repowering bestehender Standorte vor neue Hürden gestellt wird. Die Maßnahmen im Verkehr sind überwiegend Luftbuchungen.“ Die Einführung eines CO2-Preises über einen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude gleiche „einem klimapolitischen Totalausfall. Die Umsetzung wird Jahre in Anspruch nehmen, die Deckelung der Zertifikate-Preise verhindert jeden klimapolitischen Nutzen. Der Gipfel der Absurdität ist der Ausgleich der ohnehin geringen Kostensteigerungen durch die Anhebung der Pendlerpauschale“. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Das Klimakabinett muss nachsitzen. Nach dieser Arbeitsverweigerung der zuständigen Minister fordern wir das reguläre Kabinett auf, in seiner Sitzung am 25.09.2019 den heute vorgestellten Vorschlägen nicht zuzustimmen – alles andere gleicht einer Bankrotterklärung an den Klimaschutz. Was das Klimakabinett heute präsentiert hat, sind lediglich Luftbuchungen und leere Versprechungen. Vor wesentlichen Entscheidungen drücken sich Kanzlerin Merkel und die Minister des Klimakabinetts erneut herum. Ob beim Kurs für 100 Prozent Erneuerbare, konkrete Vereinbarungen zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas – ein Wille für ernsthaften Klimaschutz ist mit diesem Plan nicht erkennbar.“

NABU: Die Bundesregierung hat die Klimakrise nicht verstanden – Olaf Tschimpke: Die Bewältigung der Klima- und Artenkrise ist eine Menschheitsaufgabe – aber die Kanzlerin hat beim UN-Sonderklimagipfel in New York nicht viel im Gepäck.

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser kommentiert: „Die Große Koalition kann keinen Klimaschutz. Union und SPD fehlen die moralische Verantwortung und der politische Mut, unsere Zukunft zu sichern. Auch nach monatelangen Verhandlungen liefert Kanzlerin Merkel lediglich ein Bündel Eckpunkte und Maßnahmen, das meilenweit hinter den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zurück bleibt, die viel zu hohen Emissionen weiter stagnieren lässt und selbst das schwache 2030er-Klimaziel der Bundesregierung krachend verfehlt.“

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