Experten-Kritik an CO2-Preis für Brenn- und Kraftstoffe

Klimaschutz-Vorhaben im Ausschuss umstritten

Von prinzipieller Zustimmung bei teils deutlicher Kritik im Detail über erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bis hin zur völligen Ablehnung reichte – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag – die Bandbreite der Experten-Befunde zur von der Bundesregierung beabsichtigten Ausweitung des Treibhausgas-Emissionshandels auf nationaler Ebene für die Sektoren Wärme und Verkehr ab 2021. Die Sachverständigen äußerten sich bei einer Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unter der Leitung von Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen). Ebenso zum Klimaschutzgesetz.

Am CO2-Preis scheiden sich die Geister – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Der Entwurf (19/14746) eines Gesetzes zum nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wird jetzt erstmals im Bundestag beraten. Begründung der Regierungsparteien: „Ein Emissionshandel führt zu einer absoluten Mengenbegrenzung der Emissionen und zu einem Preis auf CO2. Dies führt zu Preisen bei Brenn- und Kraftstoffen, die sich stärker am CO2-Gehalt ausrichten. Neben dem EU-Emissionshandelssystem, das für weite Teile der Energiewirtschaft und Industrie gilt, fehlt in den Sektoren Wärme und Verkehr bislang ein wirksames, auf der CO2-Intensität der Heiz- und Kraftstoffe basierendes Preissignal, das einen Anreiz für die Senkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe und für den Umstieg von emissionsintensiven auf klimaschonendere Technologien und die Nutzung erneuerbarer Energieträger setzt. Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) erfasst die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe. Dabei umfasst das System im Sektor Wärme die Emissionen der Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie- und Industrieanlagen außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS). Im Verkehrsbereich umfasst das System ebenfalls Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe, jedoch nicht den Luftverkehr, der dem EU-ETS unterliegt.“

Holger Lösch (Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI) wünschte sich für das hochkomplexe Verfahren wesentlich mehr Akribie. Dem werde der Zeitdruck, unter dem die Gesetzesberatungen stünden, nicht gerecht. Er mahnte eine saubere Abgrenzung zwischen dem bestehenden EU-Emissionshandel und dem deutschen Projekt an, damit Unternehmen nicht doppelt belastet würden.

Peter Reitz (European Energy Exchange) sprach von einer grundsätzlich richtigen Entscheidung. Die Implementierung mit einer fünfjährigen Einführungsphase dauere aber zu lange. Unter den Erwartungen des Handlungsdrucks, ein wirksames und effizientes Instrument zur Emissionsreduktion einzuführen, seien zwei Jahre ausreichend. Ein nationales Emissionshandelssystem in den Sektoren Wärme und Verkehr könne nur eine Übergangslösung sein. Die vorgesehene Strompreisentlastung über die EEG-Umlage sei nicht ausreichend.

Christian Küchen (Mineralölwirtschaftsverband) kritisierte, dass der vorgesehene Aufschlag oder Zuschlag zur heutigen mengenorientierten Energiesteuer nicht ausreiche, um wachsende Anteile erneuerbarer Kraftstoffe, die zur Erreichung der klimapolitischen Ziele notwendig wären, in den Markt zu bringen. Er werbe deshalb für eine flankierende Umstellung der bestehenden Energiesteuern auf Kraftstoffe hin zu einem CO2-Bepreisungssystem. Dies würde nach seiner Ansicht kurzfristig ein kräftiges, aber sozial verträgliches Preissignal schaffen.

Michael Wübbels (Verband kommunaler Unternehmen) machte klar, je niedriger das CO2-Preissignal zu Beginn gesetzt werde, desto steiler werde der Preispfad bis 2030 ansteigen. Daher rege er eine Anhebung der Festpreise in der Einführungsphase an. Er wandte sich dagegen, dass für die Erzeugung und Nutzung von Klär-, Faul- und Deponiegas sowie brennwerthaltigen Abfällen Zertifikate erworben werden müssen. Diese Energieerzeugnisse entstünden bei der Abfall- und Abwasserentsorgung und trügen damit zum Umweltschutz bei.

Für Ralf Bartels (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) geht es nach eigenem Bekunden nicht um das Ob, sondern um eine Optimierung des Wie. Mit der CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr gehe eine konkrete Belastung aller Haushalte und Unternehmen einher. Doch denen stünden oft keine klimafreundlichen Verhaltensweisen zur Verfügung, um diese Belastungen zu vermeiden. So fehle im ländlichen Raum ein gut ausgebauter Nah- und Fernverkehr. Heizen und Mobilität dürften nicht einfach nur teurer werden – und damit vor allem Gering- und Normalverdiener treffen. Die Rückverteilung über Strompreis und Pendlerlpauschale sei im Klimaschutzprogramm 2030 sozial unausgewogen.

Hans-Günter Appel (NAEB Stromverbraucherschutz) zweifelte am menschengemachten Klimawandel; er sah keine plausiblen Grundlagen für das geplante Gesetz. Denn nach der Bewertung auf physikalischer und chemischer Grundlage könne festgestellt werden, dass der menschliche Einfluss auf das Wetter und damit auch auf das Klima vernachlässigbar gering sei. Der Gesetzentwurf entpuppe sich als eine Steuererhöhung und Ausweitung der staatlichen Verwaltung, ohne eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen.

Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht äußerte tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Sie resultierten daraus, dass sich der für die Jahre 2021 bis 2025 geplante Fixpreis nicht an die Anforderungen halte, die das Bundesverfassungsgericht anhand des bestehenden europäischen Emissionshandels aufgestellt hat. Die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit müsste über eine andere Begründung sichergestellt werden. Dies erscheine aber nicht möglich. Es handle sich weder um eine schlichte Verwaltungsgebühr, noch um eine zulässige Steuer oder eine zulässige Sonderabgabe.

Stefan Klinski (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin) befand, das Konzept des Gesetzentwurfs lasse sich finanzverfassungsrechtlich für die Festpreisphase nur halten, wenn das Bundesverfassungsgericht seine bisherige Rechtsprechung lockern oder entsprechend erweitern sollte. Eine praktisch wirkungsgleiche Alternative bis 2025/26 sei es, einen CO2-Zuschlag zur Energiesteuer vorzusehen. Diese Alternative unterliege verfassungsrechtlich keinen ernsthaften Bedenken, sei aber wegen des Begriffs Steuer politisch wohl nicht gewollt.

Brigitte Knopf (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) gab zu bedenken, dass der CO2-Preis aufgrund seiner geringen Höhe von anfänglich zehn Euro und später 35 Euro bis zum Jahre 2025 zunächst kaum eine Lenkungswirkung entfalten werde. Zur Erreichung der Klimaschutzziele sei stattdessen ein Preispfad notwendig, der 2021 bei etwa 50 Euro pro Tonne liegen müsse und bis 2030 auf 120 Euro anwachse. Der niedrige Einstiegs-Preispfad mache das Erreichen der 2030er-Ziele unnötig teuer. (hib/FLA)

Folgt: Experten kritisieren Bundes-Klimaschutzgesetz