Kipp-Elemente: Zu riskant, um gegen sie zu wetten

PIK-Forscher in Nature: „Die Stabilität des Erdsystems ist in Gefahr“

Von den Eismassen Grönlands und der West-Antarktis über die Korallenriffe bis hin zum Amazonas-Regenwald – zahlreiche Kipp-Elemente des Erdsystems könnten schneller ausgelöst werden als gedacht, warnt eine Gruppe führender Wissenschaftler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einem Kommentar im Fachjournal Nature. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass diese Ereignisse nicht nur wahrscheinlicher werden, sondern auch stärker miteinander verbunden seien als bisher angenommen; das könne zu Dominoeffekten führen. Diese möglichen Kaskaden von Veränderungen seien ein zu großes Risiko für die Lebensgrundlagen vieler Menschen auf der ganzen Welt, argumentieren die Autoren – und rufen zu entschlossenem Handeln auf. Die Stabilität des Erdsystems sei in Gefahr.

„Der Einfluss des Menschen übt nicht nur mehr und mehr Druck auf den Planeten aus. Mit dem Fortschritt der Wissenschaft müssen wir auch feststellen, dass wir die Risiken unumkehrbarer Veränderungen bislang womöglich unterschätzt haben, die zu einer sich selbst verstärkenden globalen Erwärmung führen können“, sagt Ko-Autor Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Das ist es, was wir jetzt zu sehen beginnen, und zwar bereits bei einer globalen Erwärmung von nur einem Grad Celsius. Wissenschaftlich gesehen ist dies ein starker Beleg für einen planetaren Notfall. Und damit ein Belegt für die Dringlichkeit, weltweite Maßnahmen zu beschleunigen, die sicherstellen, dass sich die Menschheit weiter in einem stabilen Erdsystem entwickeln kann.“

Die Autoren fassen in ihrem Kommentar den aktuellen Stand der Wissenschaft zu den Kipp-Elementen zusammen und schlagen eine Formel vor, mit der sich ein Zustand des planetaren Notfalls als Produkt von Risiko und Dringlichkeit untersuchen lässt. Neun Kipp-Elemente heben Sie dabei als besonders kritisch hervor: Das arktische Meereis, das Grönländische Eisschild, die nordischen Nadelwälder, den Permafrost, die Atlantischen Thermohalinen Zirkulation, den Amazonas-Regenwald, die tropischen Korallenriffe, das Westantarktische Eisschild sowie Teile der Ost-Antarktis. Sowohl Risko als auch Dringlichkeit der Situation sei mit Blick auf diese Kipp-Elemente akut.

Abbildung: Geografische Einordnung der wichtigsten Kippelemente im Erdsystem mit Angabe der Klimazonen nach Köppen. Die Kippelemente lassen sich in drei Klassen einteilen: Eiskörper, sich verändernde Strömungs- bzw. Zirkulationssysteme der Ozeane und der Atmosphäre, und bedrohte Ökosysteme von überregionaler Bedeutung. Fragezeichen kennzeichnen Systeme, deren Status als Kippelement wissenschaftlich noch nicht gesichert ist. Quelle: PIK, 2017. CC-BY-ND_88x31.png Die Karte der Kippelemente ist lizenziert unter einer Creative Commons BY-ND 3.0 DE Lizenz.

„Über den ‚Klima-Notstand‘ wird derzeit viel gesprochen, aber wir stellen hier eine prägnante Formel vor, mit der sich ausrechnen lässt, wie weit wir schon vorangeschritten sind auf einem unheilvollen Weg in die Erwärmung“, erklärt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Emeritus des PIK und Ko-Autor der Veröffentlichung. „Dieser Weg ist mit Kipp-Punkten gepflastert, von denen einige vielleicht schon überschritten wurden“.

->Quellen und weitere Informationen: