BMWi kürzt Energieforschungsmittel empfindlich

„Wichtige Forschung droht auszutrocknen“

„In der vom Bund geförderten Energieforschung regiert der eiserne Besen“, schreibt Manfred Ronzheimer am 11.01.2020 in der taz. Das BMWi habe seine Programmplanung für die kommenden Jahre deutlich reduziert – das gehe aus dem bereits am 29.11.2019 beschlossenen Haushalt 2020 hervor, ohne dass es zunächst jemandem aufgefallen ist, so der Solarserver („Kahlschlag bei Energieforschung“) schon am 23.12.2019: „Der Bundestag hat die Mittel für die Bewilligung neuer Energieforschungsprojekte im Jahr 2020 radikal zusammengestrichen. Im kommenden Jahr wird die Bundesregierung kaum neue Forschungsprojekte in diesem Bereich bewilligen können.“ Ronzheimer: „Die Wissenschaftler fühlen sich überrumpelt“.

Plakat am BMWi – ‚Hier wird an der Energiewende gearbeitet‘ – Experten fragen sich inzwischen, ob das immer noch so ist – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Susanne Ehlerding im Tagesspiegel: „Die Begründung halten Vertreter der Wissenschaft für absurd.“ Die Folge: Neue Energieforschungsprojekte würden ab 2021 um viel weniger Geld konkurrieren müssen. Zwar hat der Haushaltsausschuss des Bundestags entsprechende Änderungen im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums bereits am 25.11.2019 beschlossen. Die Konsequenzen werden den Betroffenen aber erst jetzt bewusst.

Eine (nicht sonderlich aufschlussreiche) Medienmitteilung aus dem BMWi – Unterpunkt Energieforschung: „Für die Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz stehen in 2020 Mittel von rund 538 Mio. € zur Verfügung. Neben Themen mit systemischer und systemübergreifender Bedeutung (insbesondere Netze, Energiespeicher, Systemintegration, Sektorkopplung, Digitalisierung), die im Fokus der Projektförderung stehen, werden neue Formate für Reallabore und Start-ups gefördert. Aus der Energieforschung werden die Reallabore der Energiewende mit einem Mittelansatz in Höhe von 115 Mio. € in den Energie- und Klimafonds verlagert.“ In den Medienmitteilung des Bundestags findet sich kein Sterbenswörtchen über die Kürzungen.

Die Kürzungen der sogenannten Verpflichtungsermächtigungen für die Energieforschung ab 2021 (der eingeplanten Haushaltsmittel) erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU) gegenüber dem Tagesspiegel so: „Eine Absenkung der Verpflichtungsermächtigungen wurde hausintern im Bundeswirtschaftsministerium entschieden und zu Gunsten anderer Haushaltstitel umgeschichtet. Die Höhe der in der Energieforschung verbleibenden Verpflichtungsermächtigungen wurde seitens des Haushaltsreferates des BMWi als ausreichend betrachtet. Dieser Einschätzung schließen wir Haushälter uns an“. Vertreter der Wissenschaft halten diese Begründung für „absurd“. Wie auch die Folgende. Im Übrigen sei seit Jahren alles andere als wenig Geld für Forschung ausgegeben worden. Es gebe über 4.000 laufende Energieforschungsprojekte. „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ergebnisse davon nur leider viel zu häufig in der Schublade verschwinden“, begründete Rehberg die Kürzungen.  Es sei deshalb erklärtes Ziel, nicht nur „um des Forschens willen zu forschen“, sondern künftig in noch stärkerem Maße durch real umgesetzte Projekte wie etwa die aktuell laufenden Reallabore nachweislich nennenswerte Mengen an CO2 einzusparen.

Kürzungen im Bundeshaushalt – Titel Energieforschung – Tabelle © BT-Drucksache 19_13924-DIP21

Werden die Kürzungen wie beschlossen umgesetzt, wird es – so Ehlerding – „mit der Energieforschung in Deutschland steil bergab gehen“. Laut Bundestagsdrucksache 19/13924 (Etattitel 0903-68301) soll es schon im nächsten Jahr die stärksten Einschnitte mit einer Senkung der Verpflichtungsermächtigungen von fast 105 auf gut zehn Millionen Euro geben. 2022 sollen sie von 127 auf 45 Millionen Euro fallen. Für 2023 stehen statt 149 knapp 106 Millionen Euro im Plan. Nominell wurde dieser Betrag zur Unterstützung von „Real­laboren“ zur experimentellen Erprobung von Energieinnovationen zwar in den Sondertitel des Energie- und Klimafonds außerhalb des Etats des BMWi verschoben – „aber mit erheblichen Folgen für die Projekte, wie die Forscher voraussehen,“ so Ronzheimer.

Das Bundeswirtschaftsministerium behauptet demgegenüber, dass die Mittel für die Energieforschung „in Summe ansteigen“, weil es die Fördermittel für die Reallabore mitrechnet. Insgesamt würden die Aktivitäten im Bereich des Energieforschungsprogramms in den kommenden Jahren deshalb auf konstant hohem Niveau fortgeführt.

Aus der Opposition kommt Kritik. Kai Gehring, forschungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagte: „Wir brauchen eine starke Energieforschung, die auf die Energiewende hin ausgerichtet ist.“ Wissenschaft, Forschung und forschende Wirtschaft bräuchten verlässliche Rahmenbedingungen, um erneuerbare Energieerzeugung, Energieeffizienz, Speichertechnologien und Netzinfrastruktur weiterzuentwickeln. „Das CDU-Ministerduo Karliczek und Altmaier muss energiepolitisch liefern, anstatt technische und ökologische Innovationen abzuwürgen“, forderte Gehring.

FVEE: „Abreißen der Technologieentwicklungsketten“ befürchtet

Niklas Martin vom Forschungsverbund Erneuerbare Energie (FVEE) kritisierte gegenüber dem Tagesspiegel das Kalkül der Regierungskoalition, die angewandte Energieforschung zu beschneiden und stattdessen fast nur noch Reallabore zu fördern.Erneuerbare Energien wies die Unterstellung, erst die Reallabore würden wirklich CO2 einsparen, zurück: „Die Forschung für erneuerbare Energien und Energieeffizienz arbeitet grundsätzlich in Technologiefeldern, die CO2-Einsparung erst möglich machen. Ganz konkret hat die deutsche Energieforschung entscheidend dazu beigetragen, dass wir heute Strom aus Wind und Sonne für vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde erzeugen können und die Erneuerbaren Energien weltweit zur dominierenden Energiequelle werden.“  Reallabore dagegen könnten nur ausgewählte Herausforderungen der Energiewende adressieren. „Die Vorstellung, dass Reallabore die bisherige angewandte Energieforschung kurzfristig ersetzen können, ist absurd“, sagte Martin. Erst die jahrelange Vorarbeit der Energieforschung habe den Schritt zu den Reallaboren ermöglicht. Der FVEE-Geschäftsführer fragt sich, ob den politischen Entscheidungsträgern klar sei, dass sich Deutschland aus der Technologieentwicklung für die globalen, riesigen Märkte der Energiewende verabschiede. „Mittelfristig wird die Schwächung der Energieforschung für mittlere Technologiereifegrade zu einem

Starke Kritik auch vom VCI

sagte: „Damit setzt die Politik die Axt an wichtige laufende Forschungsprogramme, die dadurch auszutrocknen drohen. So gerät auch das Projekt Energiewende in Gefahr, für das wir Innovationen benötigen, die ohne solche Forschung nicht zu haben sind.“ Schon die bisherigen Ausgaben für die Energieforschung, so Große Entrup, genügen nicht dem Anspruch, den Deutschland bei der Energiewende hat. Er verwies auch auf die jüngste VCI-Studie, nach der eine Treibhausgasneutralität der deutschen Chemie bis 2050 nur mit einem immensen Forschungs- und Entwicklungsaufwand möglich sei. Große Entrup: „Industrie und der Staat sollten hier an einem Strang ziehen. Wir müssen die Technologien, die wir 2050 brauchen, heute schon entwickeln. Die Strategie der Politik, Mittel zu streichen, ist daher der falsche Weg.“ Das Argument der Politik, die erhebliche Mittelkürzung bei der Energieforschung werde an anderer Stelle ausgeglichen, lässt der VCI-Hauptgeschäftsführer nicht gelten: „Klimaschutz und eine saubere Energieversorgung brauchen mehr Forschung, nicht weniger.“

->Quellen: