Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft: Keine Ressourcen verschwenden

BMU: „Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt Grundlagen für weniger Abfall und mehr Recycling“ – NGO: „viele Fragen offen“ – „vertane Chance“

Das Bundeskabinett hat einer Medienmitteilung aus dem BMU folgend am 12.02.2020 auf Vorschlag von Umweltministerin Svenja Schulze als Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie den Gesetzesentwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beschlossen. Die Bundesregierung will damit die Abfallvermeidung verbessern und das Recycling verstärken. Neu ist die sogenannte „Obhutspflicht“ bei der Hersteller und Händler in die Verantwortung genommen werden.

Abfall? Schrottkühlschränke - Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Abfall? Schrottkühlschränke – Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Schulze: „Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legt die Grundlagen für wichtige Fortschritte auf dem Weg hin zu weniger Abfall und mehr Recycling. Mit drei zentralen Maßnahmen nehmen wir den Bund, aber auch Hersteller und Händler stärker als bisher in die Verantwortung: Recycelte Produkte bekommen Vorrang in der öffentlichen Beschaffung. Mit der neuen ‚Obhutspflicht‘ hat der Staat in Zukunft erstmals rechtliche Handhabe gegen die Vernichtung von Neuware oder Retouren. Wer Einwegprodukte, wie To-Go-Becher oder Zigarettenkippen in Verkehr bringt, muss sich an den Reinigungskosten von Parks und Straßen beteiligen.“

Die neuen Regeln zur öffentlichen Beschaffung zielen darauf, die Nachfrage nach recyceltem Material zu erhöhen. Denn für sogenannte Rezyklate gibt es häufig noch keinen ausreichend großen Markt. Darum nimmt sich die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf selbst in die Pflicht. Künftig sollen die 6.000 Beschaffungsstellen in Bundesbehörden sowie bundeseigenen und vom Bund beherrschten Unternehmen Produkte aus Recycling gegenüber Neuanfertigungen bevorzugen. Auf Grundlage des neuen Gesetzes müssen sie – sofern keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen – beim Einkauf Produkte bevorzugen, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind.

Ein neues Element in der Produktverantwortung ist die sogenannte „Obhutspflicht“. Mit ihr nimmt die Bundesregierung Hersteller und Händler stärker in die Verantwortung. „Mit der Obhutspflicht schafft der Bund erstmals eine gesetzliche Grundlage, um der Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen einen Riegel vorzuschieben. Damit sind wir in der Europäischen Union die ersten“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. In den Bereichen öffentliche Beschaffung und Obhutspflicht geht die Bundesregierung damit deutlich über das hinaus, was EU-weit vereinbart wurde.

Um das bisher sehr intransparente Vorgehen mancher Händler systematisch auszuleuchten, erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Transparenzverordnung. Die dafür nötige gesetzliche Grundlage enthält das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz. Hersteller und Händler müssen dann deutlich nachvollzierbar dokumentieren, wie sie mit nicht verkauften Waren umgehen. Eine Möglichkeit ist, diese Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden.

Für die Reinigung von Parks und Straßen kommen bislang allein die Bürgerinnen und Bürger über kommunale Gebühren auf. Das soll sich mit dem neuen Gesetz ändern. Hersteller und Vertreiber von Einweg-Produkten aus Kunststoff sollen sich künftig an den Kosten für die Säuberung des öffentlichen Raums beteiligen. „Das Ziel ist klar: Wir wollen eine saubere Umwelt, in der weder Müll und noch giftige Kippen rumliegen“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Neben diesen drei zentralen Maßnahmen enthält der Gesetzentwurf weitere Anforderungen der EU-Abfallrahmenrichtlinie und teilweise bereits der EU-Einwegkunststoff-Richtlinie. Nach der heutigen Kabinettentscheidung wird das parlamentarische Verfahren eingeleitet. Parallel erfolgt die sogenannte Notifizierung des Entwurfs bei der Europäischen Kommission.

Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött: „Gegen Verschwendung von Ressourcen angehen“

„Wir wollen die Kreislaufwirtschaft voranbringen. Das ist eines unserer zentralen umweltpolitischen Ziele. Denn die Vernichtung von funktionsfähigen Produkten bedeutet eine Verschwendung von Ressourcen. Dagegen wollen wir angehen. Die Produktverantwortung der Hersteller und des Handels soll eine Obhutspflicht hinsichtlich der vertriebenen Erzeugnisse umfassen. Das heißt für uns, es gilt auch eine Pflicht, bei der Rücknahme dafür zu sorgen, dass die Erzeugnisse gebrauchstauglich bleiben und nicht zu Abfall werden. Genau damit adressieren wir das Problem der sogenannten Retourenvernichtung. Vor allem im Versandhandel wird vom Kunden retournierte Ware aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet. Wir müssen aber auch sehen, dass Produktvernichtung nicht im Interesse des Handels ist. Im Gegenteil: Sein Ziel ist die Vermeidung von Retouren. Trotzdem wollen wir auf dieses Problem ein Auge haben und auch den Rechtsrahmen anpassen. Transport und Aufbewahrung neuer Waren soll so gestaltet werden, dass die Produkte länger nutzbar bleiben. Vernichtung muss das letzte Mittel werden. Dazu wollen wir auch mehr Transparenz beim Handel in dieser Frage. Das werden wir jetzt mit der Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes regeln.“

BUND-Kommentar zum Kreislaufwirtschaftsgesetz: Bei Abfallvermeidung viele Fragen offen

Rolf Buschmann, Experte für Kreislaufwirtschaft des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland des BUND: „In der Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wird die Verantwortung der Hersteller für ihre Produkte erweitert. Endlich finden sich darin auch Vorgaben für die öffentliche Beschaffung und eine Stärkung der Abfallberatung. Das alles ist begrüßenswert, nur fehlt es leider immer noch an konkreten Zielvorgaben und Maßnahmen für die Abfallvermeidung. Ohne solche Ziele und Maßnahmen für die notwendige absolute Reduktion des Abfallaufkommens geht es aber nicht. Das Recht auf Reparatur und Wiederverwendung von Produkten bleibt ebenso ausgeklammert wie Einführung von Mindestquoten von Rezyklatverwendung bei neuen Produkten. In der Novelle fehlen viele wichtige Maßnahmen, sie muss überarbeitet werden. Nur mit einer Strategie der Abfallvermeidung, einer besser getrennten und verbrauchergerechten Sammlung von Bioabfällen und anderen Wertstoffen wie Textilien oder Sperrmüll lassen sich die Müllberge sinnvoll nutzen. Langfristig müssen diese aber drastisch reduziert werden. Besonders Hersteller sind hier in der Pflicht, ihre Produkte recyclingfreundlich und reparierbar zu gestalten.“

DUH: „Neues Kreislaufwirtschaftsgesetz ist vertane Chance: Steigende Abfallmengen und Retourenvernichtung werden nicht gestoppt“

Die Bundesregierung vergibt mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Chance, Abfallvermeidung und ein ambitioniertes Recycling wirklich voranzubringen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert das fehlende, aber dringend benötigte Abfallvermeidungsziel gegen die immer größer werdenden Müllmengen. Anders als von Bundesumweltministerin Svenja Schulze im Juni 2019 angekündigt, stoppt das Gesetz die unnötige Vernichtung neuwertiger Waren nicht. Die Recyclingquote für Siedlungsabfälle von nur 65 Prozent bis 2035 ist viel zu niedrig angesetzt. Um den Einsatz von Recyclingmaterial voran zu bringen, wäre zudem die Festlegung von Mindesteinsatzquoten notwendig. Diese fehlen jedoch im neuen Gesetz. Die DUH ruft die Bundesländer auf, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen und Verbesserungen einzufordern.

„Die sinnlose Zerstörung funktionsfähiger Waren muss aus Gründen des Klima-, Ressourcen- und Umweltschutzes umgehend beendet werden. Genau dies hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze im letzten Jahr versprochen. Jetzt bricht sie ihr Wort, indem sie keine verbindliche Obhutspflicht festlegt, sondern lediglich die Möglichkeit festschreibt, zukünftig eine Verordnung zu erlassen. Das löst jedoch das eigentliche Problem nicht. Die Bundesländer müssen nun im Bundesrat auf die Einhaltung der bislang leeren Versprechungen von Ministerin Schulze drängen“, kritisiert die Stellvertretende DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Die DUH fordert die gesetzliche Festlegung Unternehmen unter Strafe die Vernichtung funktionsfähiger Waren zu verbieten. Können Produkte nicht aufbereitet oder repariert werden und müssen deshalb zerstört werden, fordert der Umwelt- und Verbraucherschutzverband, dies zu dokumentieren und behördlich zu erfassen. „Das heute beschlossene Kreislaufwirtschaftsgesetz ist nicht progressiv und findet keine klaren Antworten auf größer werdende Abfallmengen, schnelllebigeren Konsum und einen zu geringen Einsatz von Sekundärrohstoffen. Wirklich notwendig sind ein Abfallvermeidungsziel, ambitionierte Recyclingquoten und die Festlegung von Mindesteinsatzquoten für Recyclingmaterialien. Doch all dies findet sich im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht wieder“, sagt der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer.

Das Prinzip der Abfallvermeidung wird in Deutschland bislang kaum umgesetzt. Ein Grund dafür sind fehlende Ziele zur Vermeidung unnötiger Abfälle. Deshalb sollten Restabfall und Sperrmüll durch eine verbindliche Zielsetzung von aktuell 188 Kilogramm auf 140 Kilogramm pro Einwohner und Jahr bis 2025 und 90 Kilogramm bis 2030 reduziert werden. Lebensmittelabfälle sollten von aktuell 220 Kilogramm pro Einwohner und Jahr bis 2030 halbiert werden. Nach Einschätzung der DUH wird das stoffliche Potenzial von Siedlungsabfällen nicht ausreichend genutzt. Deshalb ist eine Erhöhung der Recyclingquote für Siedlungsabfälle auf 65 Prozent bis 2025 und 85 Prozent bis 2030 notwendig.

Ersetzen Recyclingmaterialien Primärrohstoffe, werden die negativen Umweltauswirkungen für deren Herstellung vermieden. Um den Einsatz von Rezyklaten zu fördern, ist die Vorgabe einer Quote notwendig. Hierzu wäre ein gestuftes Vorgehen geeignet: 20 Prozent bis 2020, 30 Prozent bis 2023, 40 Prozent bis 2025. Die Quote sollte sich dabei immer auf Post-Consumer-Rezyklate beziehen.

Bei der umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung wurde ein Schritt nach vorne gemacht. Statt „Prüfungspflicht“ wird im Kreislaufwirtschaftsgesetz nun eine „Pflicht zur Bevorzugung“ ökologisch vorteilhafter Produkte vorgegeben. Allerdings reicht dies nicht aus, da durch undefinierte Rechtsbegriffe wie der Vermeidung „unzumutbarer Mehrkosten“ Interpretationsspielräume geschaffen werden, die eine wirkliche Verpflichtung zum Einkauf ökologisch vorteilhafter Produkte in der Praxis verhindern. Damit die Pflicht zur Bevorzugung umweltfreundlicher Produkte von den Beschaffungsstellen einfach und rechtssicher umgesetzt werden kann, muss die Bundesregierung nun dringend beispielhafte Ausschreibungskriterien und eine Produktdatenbank mit ökologisch vorteilhaften Produkten aufbauen.

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