Luftverschmutzung unter den weltweit führenden Gesundheitsrisiken

Durchschnittlich drei Jahre verloren – „gefährlicher als Rauchen“

Mainzer Forscher haben berechnet und in Cardiovascular Research publiziert: Die Folgen der Luftverschmutzung verkürzen das Leben der Menschen weltweit statistisch um durchschnittlich fast drei Jahre. Wird der Mensch langfristig der Luftverschmutzung ausgesetzt, erhöht sich das Risiko von Herz- und Atemwegserkrankungen – so Medienmitteilungen aus Mainz. Aus vielen Kohortenstudien wurde ein neuartiges Global Exposure Mortality Model (GEMM) abgeleitet, das eine deutlich verbesserte Erfassung der Exposition gegenüber Feinstaub ermöglicht. Die Forscher haben das GEMM angewandt, um die auf die Luftverschmutzung zurückzuführende gestiegene Sterblichkeit im globalen Maßstab zu bewerten und mit anderen Risikofaktoren zu vergleichen.

Luftverschmutzung: Rauch- und Wasserdampf-Emissionen in Berlin - Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Luftverschmutzung: Rauch- und Wasserdampf-Emissionen in Berlin – Foto © Agentur Zukunft für Solarify

Verschmutzte Luft ist gesundheitsschädlich und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universitätsmedizin Mainz haben in einer neuen Studie berechnet, dass Luftverschmutzung die Lebenserwartung der Menschen im globalen Durchschnitt stärker verringert als Infektionskrankheiten oder andere Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen.

Danach verursachte Luftverschmutzung im Jahr 2015 weltweit 8,8 Millionen vorzeitige Todesfälle. Dies entspricht einer durchschnittlichen Verkürzung der Pro-Kopf-Lebenserwartung von 2,9 Jahren. Im Vergleich dazu reduziert Rauchen die Lebenserwartung um durchschnittlich 2,2 Jahre (7,2 Millionen Todesfälle), HIV / Aids um 0,7 Jahre (1 Million Todesfälle), parasitäre und durch Vektoren – also durch Lebewesen wie Stechmücken oder Läuse – verursachte Krankheiten wie Malaria um 0,6 Jahre (600.000 Todesfälle).

„Luftverschmutzung übersteigt Malaria als Ursache für vorzeitigen Tod um den Faktor 19 und HIV / Aids um den Faktor 9. Da die Auswirkungen auf die Gesundheit so enorm sind und die Bevölkerung weltweit betreffen, könnte man sagen, dass unsere Ergebnisse auf eine Luftverschmutzungspandemie hindeuten“, sagt Prof. Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Erstautor der Studie.

Diese Studie ist die erste, die globale Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Menschen im Vergleich zu anderen Risikofaktoren weltweit untersucht. „Unser Vergleich zeigt, dass Luftverschmutzung eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle und den Verlust an Lebensjahren ist. Die frühere Sterbewahrscheinlichkeit wird insbesondere durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht“, sagt Univ.-Prof. Thomas Münzel, Direktor am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz und Mitautor der Studie.

Die Wissenschaftler untersuchten den Zusammenhang zwischen einer Schadstoff-Exposition und dem Auftreten von Krankheiten. Um die weltweite Belastung mit Schadstoffen, wozu vor allem Feinstaub und Ozon zählen, zu berechnen, verwendeten die Forscher ein atmosphärenchemisches Modell: Dann kombinierten sie die daraus resultierenden Expositionsdaten mit dem Global-Exposure–Mortality-Model, das auf epidemiologischen Kohortenstudien basiert. Mithilfe dieser Daten wurden die Auswirkungen verschiedener Verschmutzungsquellen kalkuliert. Dabei differenzierten die Wissenschaftler zwischen Emissionen natürlichen Ursprungs, wie beispielsweise durch Waldbrände oder Wüstenstaub, und anthropogenen – das heißt, von Menschen verursachten – Quellen wie beispielsweise der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe. Basierend auf diesen Ergebnissen haben die Wissenschaftler dann eine krankheitsspezifische Sterberate und den Verlust der Lebensjahre in allen Ländern der Welt berechnet.

Die Studienergebnisse zeigen: Die durch die Luftverschmutzung verursachte vorzeitige Sterblichkeit ist in Ostasien und Südasien am höchsten (35 Prozent bzw. 32 Prozent), gefolgt von Afrika (11 Prozent), Europa (9 Prozent), Nord- und Südamerika (6 Prozent). Australien hat mit 1,5 Prozent die niedrigste Sterblichkeitsrate – und die strengsten Luftreinhaltungsstandards.

„Wir verstehen mehr und mehr, dass Feinstaub in erster Linie Gefäßschäden und damit Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche begünstigt. Daher erachten wir es als äußerst wichtig, dass Luftverschmutzung als kardiovaskulärer Risikofaktor sehr ernst genommen wird und in den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zu den Bereichen Prävention des akuten und chronischen koronaren Syndroms sowie Herzinsuffizienz ausreichend Niederschlag findet“, ergänzt Kardiologe Münzel.

Ohne fossile Brennstoffe ein Jahr mehr Lebenszeit

Fast zwei Drittel der durch Luftverschmutzung verursachten vorzeitigen Sterbefälle, nämlich rund 5,5 Millionen pro Jahr, sind den Erkenntnissen der Studie zufolge grundsätzlich vermeidbar, denn der Großteil verschmutzter Luft stammt aus dem Einsatz fossiler Brennstoffe. So schätzen die Forscher auch, dass die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit um etwas mehr als ein Jahr steigen würde, wenn die Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe wegfallen würden.

Die Forscher der Universitätsmedizin Mainz und des Max-Planck-Instituts für Chemie haben vor zwei Jahren Jahr eine ähnliche Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen der Luftverschmutzung in Europa befasste: Danach sterben jedes Jahr Hunderttausende vorzeitig an Krankheiten, die durch Luftverschmutzung mit verursacht werden. Motto: „Verschmutzte Außenluft fordert mehr Opfer als Rauchen“. Verschmutzte Luft verkürzt die Lebensdauer der Europäer im Schnitt um mehr als zwei Jahre.

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