Zu­cker bringt viel Koh­len­di­oxid ins tie­fe Meer

Dia­to­meen binden mehr CO2 in Bio­mas­se als tro­pi­sche Re­gen­wäl­der

Die Weltmeere sind zwar wichtige Kohlenstoffspeicher im Erdsystem, aber viele Prozesse in diesem Zusammenhang sind noch nicht geklärt. Forschende aus Bremen und Bremerhaven haben nun herausgefunden, dass Zucker dabei eine zentrale Rolle spielt. Gleichzeitig ist der süße Energieträger wichtig für das Ökosystem der Ozeane. Eine Medienmitteilung aus dem Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bremen vom 18.03.2020 klärt auf.

Coscinodiscus wailesii ist eine Mikroalge aus der Familie der Kieselalgen, die Algenblüten bilden und erhebliche Mengen an langkettigen Zuckern produzieren. Die Forschungsgruppe Marine Glycobiologie untersucht den Umsatz und die Rolle dieser Zucker im Kohlenstoff-Kreislauf – Bild © Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, C. Robb)

Im licht­durch­flu­te­ten Ober­flä­chen­was­ser der Ozea­ne wan­deln pho­to­syn­the­tisch ak­ti­ve, sehr klei­ne Pflan­zen, wie Kie­sel­al­gen (Dia­to­meen), mehr Koh­len­di­oxid in Bio­mas­se um als die tro­pi­schen Re­gen­wäl­der. Da­bei bin­den Kie­sel­al­gen eben­so wie Pflan­zen an Land Koh­len­di­oxid als po­ly­me­ri­sche Koh­len­hy­dra­te – also als lang­ket­ti­ge Zu­cker. Al­ler­dings war es bis­lang noch nicht ge­lun­gen zu klä­ren, wie viel Koh­len­di­oxid über die­sen Pro­zess im Meer ge­bun­den wer­den kann.

Die­se Wis­sens­lü­cke in­ter­es­sier­te die Mit­glie­der der For­schungs­grup­pe Ma­ri­ne Gly­ko­bio­lo­gie des Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und des MA­RUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tut, Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung. Dazu ver­wen­de­ten sie un­längst ent­wi­ckel­te En­zy­me, um aus den Be­stand­tei­len von Mi­kro­al­gen, wie eben Dia­to­meen, die Kon­zen­tra­ti­on des lang­ket­ti­gen Zu­ckers La­mi­na­rin zu mes­sen, ei­nem wich­ti­gen En­er­gie­trä­ger für die­se Pflan­zen.

La­mi­na­rin bin­det Koh­len­stoff

An­hand von Mi­kro­al­gen aus dem Ark­ti­schen, At­lan­ti­schen und Pa­zi­fi­schen Oze­an so­wie aus der Nord­see konn­ten die For­schen­den ab­schät­zen, dass im Durch­schnitt rund 26 Pro­zent die­ser Al­gen-Bio­mas­se aus dem Zu­cker La­mi­na­rin be­ste­hen. „Aus die­ser Men­ge lässt sich ab­lei­ten, dass durch Pho­to­syn­the­se in der Ozea­no­ber­flä­che jähr­lich rund zwölf Gi­ga­ton­nen Koh­len­stoff in Form von La­mi­na­rin in Al­gen pro­du­ziert wird“, sagt Ste­fan Be­cker, Er­st­au­tor der Stu­die, die im März 2020 in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) pu­bli­ziert wur­de. „Das ist eine sehr gro­ße Men­ge, wenn man be­denkt, dass die Mensch­heit dem Glo­bal Car­bon Bud­get 2019 zu­fol­ge im Jahr 2018 rund 11,5 Gi­ga­ton­nen Koh­len­stoff frei­ge­setzt hat.“ Al­ler­dings wer­de nur ein klei­ner Teil des Koh­len­stoffs, der durch La­mi­na­rin ge­bun­den wird, der At­mo­sphä­re dau­er­haft ent­zo­gen. Durch na­tür­li­che Pro­zes­se wird ein Groß­teil im Fol­gen­den wie­der frei­ge­setzt. Ins­ge­samt ha­ben die Ozea­ne im Jahr 2018 rund 2,6 Gi­ga­ton­nen Koh­len­stoff dau­er­haft auf­ge­nom­men. „Un­se­re Er­kennt­nis­se wei­sen aber dar­auf hin, dass Zu­cker, wie La­mi­na­rin, auch wich­tig für die dau­er­haf­te Fi­xie­rung von Koh­len­stoff im Meer sind“, sagt Be­cker.

Die For­schung ergaben weiter, dass die Zu­cker rund die Hälf­te des or­ga­ni­schen Koh­len­stoffs in sin­ken­den Dia­to­meen-Par­ti­keln aus­machen. „La­mi­na­rin spielt da­durch eine wich­ti­ge Rol­le beim Trans­port von Koh­len­stoff von der Ober­flä­che des Oze­ans in die Tie­fe“, sagt Jan-Hen­drik Hehe­mann, Lei­ter der For­schungs­grup­pe Ma­ri­ne Gly­ko­bio­lo­gie. „Ob La­mi­na­rin hier lang­fris­tig de­po­niert wird, ist nun eine wich­ti­ge wei­ter­ge­hen­de Fra­ge­stel­lung, die wir an­ge­hen wer­den.“

Wei­ter­hin zei­gen die For­schungs­er­geb­nis­se die hohe Be­deu­tung von La­mi­na­rin für die Öko­lo­gie der Ozea­ne. Mi­kro­al­gen bil­den die Ba­sis der ma­ri­nen Nah­rungs­ket­te; die Kon­zen­tra­ti­on des Zu­ckers ist in den klei­nen Pflan­zen aber nicht im­mer gleich. So stell­ten die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler aus Bre­men Schwan­kun­gen im Ta­ges­ver­lauf fest. „Die Zu­cker-Kon­zen­tra­ti­on in den Zel­len der Al­gen steigt wäh­rend des Ta­ges stark an und sinkt über den Ver­lauf der Nacht, ähn­lich wie die Jah­res­zei­ten-ab­hän­gi­ge En­er­gie-Spei­che­rung in stär­ke­hal­ti­gen Früch­ten oder Pflan­zen­wur­zeln an Land“, sagt Hehe­mann. „Dies hat mög­li­cher­wei­se ei­nen gro­ßen Ein­fluss auf das Fress­ver­hal­ten von Tie­ren im Meer. Denn die Ta­ges­zeit be­stimmt, wie viel Zu­cker – und da­mit En­er­gie – die Tie­re beim Fres­sen auf­neh­men.“

So er­füllt La­mi­na­rin wich­ti­ge öko­lo­gi­sche Funk­tio­nen im Oze­an und die gro­ßen Men­gen des Zu­ckers, die im Oze­an ge­fun­den wur­den, un­ter­strei­chen die hohe Be­deu­tung des Stof­fes im glo­ba­len Koh­len­stoff­kreis­lauf.

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