Benzol: 126 Dimensionen entschlüsselt

Weitreichende Auswirkungen denkbar

Wissenschaftler der australischen University of New South Wales haben gemeinsam mit Kollegen vom eines der „grundlegenden Rätsel der Chemie“ (so CSIRO – Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) gelöst – das Ergebnis könnte Auswirkungen auf Designs künftiger Solarzellen, organischen Leuchtdioden und anderen Technologien der nächsten Generation haben.

Seit den 1930er Jahren „tobt in Chemiekreisen eine Debatte über die grundlegende Struktur von Benzol“. Diese Debatte hat in den letzten Jahren an Relevanz zugenommen, da Benzol – aus sechs Kohlenstoffatomen und sechs Wasserstoffatomen bestehend – das kleinste Molekül ist, das für die Herstellung optoelektronischer Materialien verwendet werden kann, welche ihrerseits die Erneuerbaren Energien und die Telekommunikationstechnologie revolutionieren. Es ist auch ein Bestandteil von DNA, Proteinen, Holz und Erdöl.

Die Kontroverse um die Struktur des Moleküls entstand, weil es trotz seiner wenigen atomaren Bestandteile in einem Zustand existiert, der nicht nur vier Dimensionen umfasst – wie unsere alltägliche „große“ Welt – sondern 126. Die Messung eines so komplexen – und winzigen – Systems hat sich bisher als unmöglich erwiesen, so dass das genaue Verhalten der Benzol-Elektronen nicht entdeckt werden konnte. Das stellte ein Problem dar, denn ohne diese Informationen hätte die Stabilität des Moleküls in technischen Anwendungen nie ganz entschlüsselt werden können.

Nun ist es Timothy Schmidt vom ARC Centre of Excellence in Exciton Science, Melbourne, gemeinsam mit Kollegen der University of New South Wales in Sydney und von Data61des CSIRO gelungen, das Rätsel zu lösen – und die Ergebnisse waren überraschend. Sie wurden am 05.03.2020 in Nature Communications veröffentlicht.

Schmidt wandte eine komplexe, auf Algorithmen basierende Methode namens Dynamic Voronoi Metropolis Sampling (DVMS) auf Benzolmoleküle an, um ihre Wellenfunktionen über alle 126 Dimensionen abzubilden. Der Schlüssel zur Lösung des komplexen Problems war ein neuer mathematischer Algorithmus, der von Co-Autor Phil Kilby von Data61 entwickelt wurde. Der Algorithmus ermöglichte es, den Dimensionsraum in äquivalente „Kacheln“ zu unterteilen, die jeweils einer Permutation von Elektronenpositionen entsprechen.

Von besonderem Interesse für die Wissenschaftler war das Verständnis des „Spins“ der Elektronen, der Eigenschaft, die neben anderen fundamentalen Kräften den Magnetismus erzeugt – wie sie miteinander wechselwirken, ist Grundlage einer breiten Palette von Technologien, von Leuchtdioden bis hin zur Quanteninformatik. „Was wir gefunden haben, war sehr überraschend“, sagte Schmidt. „Die Elektronen mit dem so genannten Up-Spin sind doppelt gebunden, während die mit dem Down-Spin einfach bleiben. Das war nicht das, was wir erwartet hatten, aber es könnte eine gute Nachricht für zukünftige technologische Anwendungen sein. Im Wesentlichen reduziert es die Energie des Moleküls und macht es stabiler, indem es Elektronen, die einander abstoßen, aus dem Weg räumt.“

Kilby fügte hinzu: „Obwohl er für diesen chemischen Kontext entwickelt wurde, kann der von uns entwickelte Algorithmus für das ‚Matching with Constraints‘ auch auf eine Vielzahl von Bereichen angewendet werden, von der Personalbesetzung bis hin zu Nierenaustauschprogrammen.“

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