Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2019

Zusammenfassung der Ergebnisse: Allgemeine Zustimmung zur Energiewende und Kohleausstieg weiterhin sehr hoch

„Die Unterstützung der Energiewende ist in der deutschen Bevölkerung weiterhin sehr hoch. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (82 %) versteht die Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe, zu der jeder in der Gesellschaft einen Beitrag leisten sollte – ein Anstieg um zwei Prozentpunkte (PP) gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Skeptiker auf einem sehr niedrigen Niveau leicht erhöht (+2 PP).

Etwa die Hälfte (45 %) der deutschen Haushalte hat eine positive Haltung zu den Protesten der Jugendlichen im Rahmen der „Fridays for Future“-Bewegung. Jede(r) Dritte (32 %) sieht das Vorgehen aber (eher) kritisch.

Die Unterstützung der Energiewende und Bereitschaft zum eigenen Handeln hängen auch von der wahrgenommenen Veränderung des Weltklimas ab. Allgemein glauben 77 % (-3 PP gegenüber 2017) der Befragten an den globalen Klimawandel, jede(r) Fünfte (21 %, +3 PP) nicht. Unter den Klimawandelskeptikern ist der Anteil derer, die eine positive Haltung gegenüber der Energiewende haben, mit 81 Prozent niedriger als unter denen, die den Klimawandel anerkennen (93 %). Dennoch ist bemerkenswert, dass vier von fünf Skeptikern des Klimawandels die Energiewende befürworten.

Annähernd zwei Drittel der Haushalte (64 %, unverändert zu 2018) äußern sich positiv zum Kohleausstieg. Rund jede(r) Sechste (14 %) lehnt den Kohleausstieg ab – eine leichte Zunahme um einen Prozentpunkt im Vergleich zu 2018. Zwischen den Ost- und Westbundesländern werden deutliche Meinungsunterschiede sichtbar: Die Hälfte der Ostdeutschen (51 %, -2 PP) befürwortet den Kohleausstieg, unter Westdeutschen liegt der Anteil bei zwei Drittel (68 %, +1 PP).

Kritik an der Umsetzung der Energiewende

Der Trend einer zunehmend kritischen Haltung der Bevölkerung zur Umsetzung der Energiewende hat sich auch im Jahr 2019 weiter verstärkt. Mit Ausnahme der allgemeinen Einstellung gegenüber der Energiewende haben sich die Einschätzungen bei den übrigen Bewertungskriterien, Kosten, politische Planung, Gerechtigkeit und Bürgernähe, teilweise deutlich verschlechtert.

Zwei Drittel (66 %) der Deutschen sind der Ansicht, die Energiewende verlaufe chaotisch, während nicht einmal jede(r) Sechste (15 %) diese als geplant wahrnimmt. Der Anteil der Skeptiker liegt damit im Vergleich zu 2018 um sechs Prozentpunkte höher.

Ebenfalls zwei Drittel der deutschen Haushalte (68 %) sind mittlerweile mit der Energiewendepolitik der Bundesregierung unzufrieden – ein deutlicher Zuwachs gegenüber 2017 um neunzehn Prozentpunkte und im Vergleich zu 2018 um sieben Prozentpunkte.

Kritikpunkt Kosten und fehlende Gerechtigkeit

Am negativsten wird der Kostenaspekt bewertet. Die überwiegende Mehrheit der Haushalte (78 %) erachtet die Energiewende als teuer, hingegen nur 7 % als kostengünstig – drei Prozentpunkte (PP) mehr bzw. weniger als 2018. Besonders kritisch äußerten sich AfD- (92 %, +4 PP), FDP- (84 %, -4 PP) und Anhänger anderer Parteien (83 %, +12 PP). Zudem ist die Wahrnehmung von Personen in ländlichen Regionen negativer als die in größeren Städten.

Mehr als die Hälfte der Haushalte (56 %) empfindet die Energiewende als ungerecht, nur 18 % als gerecht. Die Bewertungen liegen damit um fünf bzw. drei Prozentpunkte über bzw. unter dem Vorjahr.

Kritikpunkt fehlende Bürgernähe

Auch beim Thema Bürgernähe bestätigt sich die kritische Haltung der Bürgerinnen und Bürger. Mehrheitlich (51 %, +4 PP) wird die Energiewende als elitär eingestuft, nur von einer Minderheit (14 %, -5 PP) als bürgernah. Beinahe ein Drittel der Haushalte ist in dieser Frage unentschlossen, mehr als bei allen anderen Kriterien. Drei Viertel (75 %) haben den Eindruck, dass ihnen bei dem, was die Regierung im Bereich Energiewende entscheidet, in nur ungenügendem Maße ein Mitsprachemöglichkeit geboten wird. 21 Prozent bewerten die Möglichkeiten der eigenen Mitsprache positiv.

Höherer Zuspruch zu erneuerbaren Energien

Den Ausbau von Windenergieanlagen auf See (69 %, +5 PP), die erweiterte Nutzung von Erdwärme (78 %, +4 PP) sowie den Ausbau von Solaranlagen auf Hausdächern (85 %, +4 PP) befürwortet der weit überwiegende Teil der Bevölkerung. Die Anteile der Skeptiker*innen liegen bei allen drei Technologien mit 11 % (-2 PP, Wind), 4 % (-3 PP, Erdwärme) und 3 % (-2 PP, Solar) auf einem sehr niedrigen Niveau.

Auch der Zuspruch für den Ausbau der Stromgewinnung durch Biomasseanlagen (54 %) ist im Einjahresvergleich um acht Prozentpunkte gestiegen. Im Vergleich der Technologien verzeichnet der Ausbau von Solaranlagen auf Freiflächen, mit einer Zunahme von 2017 bis 2019 um neunzehn Prozentpunkte, den stärksten Zuwachs an Befürworter*innen (63 %).

Gestiegene Zustimmung zur Windenergie

Die Hälfte der Haushalte (51 %) befürwortet den Ausbau von Windenergieanlagen an Land – ein Anstieg um fünf Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Von jeder/jedem Fünften (20 %, -2 PP gegenüber 2018) wird dieses Ziel abgelehnt. In den Äußerungen lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Haushalten in städtischen und ländlichen Regionen sowie zwischen Ost- und Westdeutschen feststellen. In Großstädten ist der Anteil der Befürworter*innen (58 %, +9 PP) beinahe um ein Drittel höher als in dünn besiedelten ländlichen Gegenden Deutschlands (45 %, +4 PP). Die Zustimmungsraten in Ostdeutschland (39 %, +1 PP) liegen unter dem Niveau in Westdeutschland (55 %, +6 PP). Der Anteil der ablehnenden Haushalte, die bereits Windkraftanlagen in ihrem Wohnumfeld haben, liegt interessanterweise mit 22 Prozent (unverändert zu 2018) nur etwas höher als bei denen, in deren Wohnumfeld keine Windkraftanlage steht (19 %, -3 PP).

Mehr als die Hälfte der Haushalte kann sich eigene Protestaktionen gegen geplante Windenergieanlagen (eher) nicht vorstellen (55 %) – eine Zunahme von acht Prozentpunkten gegenüber 2018. Der Anteil liegt jedoch noch fünf PP unter dem Niveau von 2017. Interessanterweise ist der Widerstand bei Haushalten mit und ohne Windkraftanlagen in der eigenen Wohnumgebung (43 % vs. 41 %) auf beinahe gleichem Niveau. Annähernd zwei von drei der Befragten (62 %) sprechen sich gegen pauschale Mindestabstände von Windenergieanlagen aus und fordern die Berücksichtigung standortspezifischer Gegebenheiten.

Einen deutlichen Zuspruch erfahren (65 %) umsatzabhängige Abgaben der Betreiber an betroffene Gemeinden und Bürgerinnen, Bürger sowie die Möglichkeit für die ortsansässige Bevölkerung sich über eigene Investitionen an den Gewinnen der Windenergieanlagen zu beteiligen (66 %).

CO2-Bepreisung

Die Hälfte der Befragten (54 %) äußert die prinzipielle Bereitschaft, für den Klimaschutz höhere Energiekosten auf sich zu nehmen, 40 % zeigen diese Bereitschaft nicht. Dabei bestehen jedoch bei den Einkommensgruppen wesentliche Unterschiede. Mit zunehmendem Haushaltseinkommen nimmt auch die Bereitschaft zur Übernahme klimaschutzbedingter Mehrkosten zu. Unter den einkommensreichen ist die Zustimmungsrate annähernd doppelt so hoch wie unter den einkommensarmen Haushalten.

Die Mehreinnahmen der CO2-Steuer in den Bundeshaushalt fließen zu lassen, lehnen zwei Drittel (69 %) der Bevölkerung ab. Ebenso stößt der Vorschlag, die Gelder für die Senkung anderer Steuern zu verwenden, mehrheitlich auf Ablehnung (52 %).

Unter den untersuchten Rückverteilungsmöglichkeiten der Einnahmen findet der pauschale Pro-Kopf-Transfer (43 %) die meiste Zustimmung, gefolgt von der Rückzahlung an besonders belastete Haushalte (37 %) und der gezielten Unterstützung von Haushalten mit niedrigen Einkommen (34 %). Im Gegensatz zu der pauschalen Rückzahlung der Gelder an die Bürger*innen lassen sich bei den beiden letzteren Maßnahmen interessante Unterschiede in der Bevölkerung feststellen. Die Unterstützerinnen, Unterstützer dieser Maßnahmen sind tendenziell älter und verfügen über niedrige bis mittlere Einkommen. Es handelt sich um Personen mit niedrigem und mittlerem Bildungsniveau, die tendenziell häufiger in Großstädten leben.

Mit 73 bzw. siebzig Prozent befürwortet eine deutliche Mehrheit die Optionen, die zusätzlichen Einnahmen für den Ausbau eines klimafreundlichen Verkehrssystems und für den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen zu verwenden. Der Anteil der Gegner*innen dieser Maßnahmen liegt mit acht und neun Prozent auf sehr niedrigem Niveau.

Mobilität

Bei den Pkw-bezogenen Maßnahmen zeigt sich ein zweitgeteiltes Bild: Die Mehrheit der Befragten steht dem Verbot von Neuzulassungen mit Autos mit Verbrennungsmotor ab 2030 (64 %, + 10 Prozentpunkte gegenüber 2018), Zufahrtsbeschränkungen für Autos mit Diesel- und Benzinmotoren (52 %) und Subventionen beim Kauf von E-Autos (37 %) skeptisch gegenüber. Den generellen Ausbau von E-Mobilität bewertet eine knappe Mehrheit positiv (34 % vs. 31 % Anteil Ablehnung). Im Gegensatz dazu werden von den meisten Haushalten ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen (52 %) und die Abschaffung der steuerlichen Bevorteilung von Dieselkraftstoff (48 %) befürwortet.

Die Unterstützung der Förderung von Nah- und Fernverkehr der Bahn könnte nicht eindeutiger ausfallen. Mit Zustimmungsraten von 92 Prozent für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, mit einem Anteil von 87 Prozent für den Ausbau des Fernverkehrs und mit einem 82-Prozent-Zuspruch für die bereits umgesetzte Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets lassen sich die zentralen Prioritäten der Bevölkerung eindeutig belegen.

Drei von vier Haushalten (73 %) unterstützten den Ausbau des Radverkehrs. Bemerkenswerterweise ist im Vergleich der Bundesländer die Zustimmung im Saarland (54 %) sowie in den Stadtstaaten Berlin (66 %) und Hamburg (66 %) am niedrigsten.“

->Quellen: