1,5-Grad-Grenze wird noch früher überschritten als befürchtet

Neue Berechnungen der Weltwetterorganisation (WMO)

Dem Copernicus Climate Change Service zufolge lag die Temperatur im vergangenen Jahr fast 0,7 Grad über dem Durchschnitt. Als sei der bei der COP21 in Paris beschlossene Temperaturwert von 1,5 Grad selbst das Ziel und nicht die Vermeidung, ihn zu erreichen, „bewegt sich die Erde schneller als gedacht auf die Marke von 1,5 Grad plus zu,“ schreibt der Wiener Standard am 10.07.2020. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent würden die globalen Durchschnittstemperaturen diesen Wert schon zwischen 2020 und 2024 erreichen. Dass sie während dieser Zeit in mindestens einem Monat auf mehr als 1,5 Grad über vorindustrielles Niveau (1850-1900) klettern, soll sogar eine 90-prozentige Chance haben – so die Weltwetterorganisation (WMO) am 09.07.2020.

Neue Klimaprognose der WMO bewertet globale Temperaturen

Die globale Jahresmitteltemperatur wird voraussichtlich in jedem der kommenden fünf Jahre (2020-2024) um mindestens 1° Celsius über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) liegen, und es besteht eine 20prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie in mindestens einem Jahr 1,5° C überschreiten wird, so die neue Klimavorhersage der Weltorganisation für Meteorologie (WMO).

Das Global Annual to Decadal Climate Update unter Leitung des United Kingdom’s Met Office (britischer Wetterdienst) bietet einen jährlich aktualisierten Klimaausblick für die nächsten fünf Jahre. Es nutzt das Fachwissen international anerkannter Klimawissenschaftler und die besten Computermodelle führender Klimazentren der ganzen Welt, um verwertbare Informationen für Entscheidungsträger zu erstellen.

Die Durchschnittstemperatur der Erde liegt bereits mehr als 1,0° C über der vorindustriellen Zeit. Die letzten fünf Jahre waren die wärmsten fünf Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. „Diese Studie zeigt – mit einem hohen Maß an wissenschaftlicher Kompetenz – die enorme Herausforderung, die vor uns liegt, um das Ziel des Pariser Abkommens über den Klimawandel zu erreichen, den globalen Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten und die Bemühungen fortzusetzen, den Temperaturanstieg noch weiter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.

Die Vorhersagen berücksichtigen sowohl natürliche Schwankungen als auch menschliche Einflüsse auf das Klima, um die bestmöglichen Vorhersagen von Temperatur, Niederschlag, Windmuster und anderen Variablen für die kommenden fünf Jahre zu liefern. Die Prognosemodelle berücksichtigen nicht die Veränderungen bei den Emissionen von Treibhausgasen und Aerosolen als Folge des Lockdowns infolge des Coronavirus.

„Die WMO hat wiederholt betont, dass die industrielle und wirtschaftliche Verlangsamung von COVID-19 kein Ersatz für nachhaltige und koordinierte Klimaschutzmaßnahmen ist. Aufgrund der sehr langen Lebensdauer von CO2 in der Atmosphäre ist nicht zu erwarten, dass die Auswirkungen des Emissionsrückgangs in diesem Jahr zu einer Verringerung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen führen werden, die den globalen Temperaturanstieg vorantreiben“, so Taalas. „Während COVID-19 eine schwere internationale Gesundheits- und Wirtschaftskrise verursacht hat, kann ein Versagen bei der Bekämpfung des Klimawandels das menschliche Wohlergehen, die Ökosysteme und die Wirtschaft für Jahrhunderte bedrohen. Regierungen sollten die Gelegenheit nutzen, Klimaschutzmaßnahmen als Teil von Wiederaufbauprogrammen zu ergreifen“.

Professor Adam Scaife, Leiter der Langfristvorhersage am Hadley Centre des Met Office, sagte: „Das ist eine aufregende neue wissenschaftliche Fähigkeit. Da der vom Menschen verursachte Klimawandel zunimmt, wird es für Regierungen und Entscheidungsträger immer wichtiger, die aktuellen Klimarisiken auf einer jährlich aktualisierten Basis zu verstehen“.

Highlights

  • Die globale Jahrestemperatur wird wahrscheinlich in jedem der kommenden 5 Jahre um mindestens 1° C wärmer sein als das vorindustrielle Niveau (definiert als der Durchschnitt von 1850-1900) und wird sehr wahrscheinlich im Bereich von 0,91 – 1,59° C liegen.
  • Es besteht eine ~70%ige Wahrscheinlichkeit, dass ein oder mehrere Monate in den nächsten 5 Jahren mindestens 1,5° C wärmer sein werden als das vorindustrielle Niveau.
  • Es besteht eine ~20%ige Chance, dass es in einem der nächsten 5 Jahre mindestens 1,5° C wärmer sein wird als in der Zeit vor der Industrialisierung, aber die Wahrscheinlichkeit steigt mit der Zeit.
  • Es ist äußerst unwahrscheinlich (~3%), dass die 5-Jahres-Mitteltemperatur für 2020-2024 um 1,5° C wärmer sein wird als vorindustriell.
  • Im Zeitraum 2020-2024 werden fast alle Regionen, mit Ausnahme von Teilen der südlichen Ozeane, wahrscheinlich wärmer sein als in der jüngsten Vergangenheit.
  • In den Jahren 2020-2024 werden die Regionen in hohen Breitengraden und die Sahelzone wahrscheinlich feuchter sein als in der jüngsten Vergangenheit, während die nördlichen und östlichen Teile Südamerikas wahrscheinlich trockener sein werden.
  • Im Zeitraum 2020-2024 deuten die Anomalien des Meeresspiegeldrucks darauf hin, dass die nördliche Nordatlantikregion stärkere Westwinde haben könnte, die zu mehr Stürmen in Westeuropa führen.
  • 2020 werden große Landgebiete in der nördlichen Hemisphäre wahrscheinlich über 0,8° C wärmer sein als in der jüngsten Vergangenheit (definiert als der Durchschnitt der Jahre 1981-2010).
  • 2020 wird sich die Arktis wahrscheinlich mehr als doppelt so stark erwärmt haben wie der globale Mittelwert.
  • Die geringste Temperaturänderung wird in den Tropen und in den mittleren Breiten der südlichen Hemisphäre erwartet.
  • 2020 werden viele Teile Südamerikas, des südlichen Afrikas und Australiens wahrscheinlich trockener sein als in der jüngsten Vergangenheit.

Klimaforscher befürchten, dass jenseits der 1,5 Grad irreversible Kippelemente umschlagen mit die globale Erderwärmung unkontrollierbar verstärkenden Kettenreaktionen – Beispiele sind das Abschmelzen der Arktis und das Verschwinden der nordischen (borealen) Nadelwälder.

Unter Federführung des britischen Met Office trugen in diesem Jahr Klimavorhersagegruppen aus Spanien, Deutschland, Kanada, China, den USA, Japan, Australien, Schweden, Norwegen und Dänemark neue Vorhersagen bei. Die Kombination der Vorhersagen von Klimavorhersagezentren aus aller Welt ermöglicht ein qualitativ höherwertiges Produkt als das, was aus einer einzigen Quelle bezogen werden kann.

->Quellen: