Aktiendepots von Bund und Ländern treiben Klimakrise voran

Klima-Finanz-Ranking von Fossil Free Berlin

Rund 13,2 Milliarden Euro lassen der Bund und sieben Bundesländer aus Beamtenpensionskassen in Börsengeschäfte fließen. Eine Studie der Initiative Fossil Free Berlin zeigt nun, dass diese Investments den Klimawandel befeuern. Die rund 1.700 Unternehmen in den staatlichen Aktiendepots sind von der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens mit Temperaturobergrenzen von 1,5 bis 2,0°C weit entfernt. Das Forschungsprojekt „Fiebrige Finanzen“ mit Unterstützung durch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) untersuchte die Klimawirkungen aller Unternehmen, in die Bund und Länder zum 31.12.2018 an der Börse investierten.

Aktiendepots nicht „Paris-kompatibel“

Bundesadler im Deutschen Bundestag – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Fokusfrage lautete: Wenn die Unternehmen in staatlichen Aktiendepots ihren bisherigen Kurs von Wirtschaftswachstum und Treibhausgas-Ausstoß weiter halten, und alle anderen Unternehmen weltweit ebenso wirtschaften würden, wie sehr würde sich die Erde bis zum Jahr 2050 aufheizen? Die Berechnungen zeigen: Ausnahmslos alle Aktiendepots der untersuchten Finanzministerien waren „zu heiß“. Sie überschritten mit zehn Prozent bis 35 Prozent die Grenzen für ein 1,75-Grad-Szenario und werden deshalb als „nicht Paris-kompatibel“ bewertet. Schlechteste Ergebnisse im Klima-Finanz-Ranking 2020 erzielten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Schlusslicht ist Bayern.

Allein der Bund investierte über 800 Millionen Euro in Aktien des Fossil-Sektors. Dazu zählen Fracking- und Erdöl-Riesen wie Total und ENI, obwohl diese über die Temperaturgrenzen ihres Wirtschaftssektors hinausschossen und 16 Prozent beziehungsweise 30 Prozent zu heiß waren. Noch schlimmere Ergebnisse produziert RWE. Zu deren Aktionären gehörten Ende 2018 die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen. Der Kohlekonzern verfehlte seine Sektor-Temperaturgrenze um mehr als 165 Prozent und lag auf einem Erderhitzungskurs von über 13°C.

Depots von Berlin und Schleswig-Holstein seit 2017 fossilfrei

Untersucht wurde auch die Wertentwicklung einzelner Aktiendepots – mit einem interessanten Ergebnis: Der Ausschluss besonders klimaschädlicher Fossil-Konzerne hielt die Gesamtrendite stabil oder sorgte für leichte Steigerung. So halten Finanzministerien in Berlin und Schleswig-Holstein ihre Aktiendepots seit 2017 fossilfrei und profitieren davon. Etwas mehr verdient hätte auch der Bund, wenn er seine Fossil-Aktien vor fünf oder drei Jahren verkauft und auf den kühleren Teil seines Aktiendepots umgeschichtet hätte, ergab die Analyse. „Selbst aus finanzieller Sicht sind klimablinde Investitionen also sinnlos“, kommentierte Valerie Giesen von Fossil Free Berlin.

Thomas Korbun, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IÖW: „Viele Menschen weltweit, auch Politiker/innen und Unternehmer/innen, haben erkannt: Nur der grundlegende Wandel unserer Lebensweise und unserer Wirtschaft wird den dramatischen Verlust der natürlichen Lebensgrundlagen stoppen und die Klimakrise begrenzen können. Die Studie von Fossil Free Berlin zeigt: Bund und Länder können helfen, diesen Wandel einzuleiten – mit ersten, einfachen Schritten, die für den Umbau der Wirtschaft viel bewirken können und ein Signal wären, dass die Politik es mit den Pariser Klimazielen ernst meint. Die Länder Berlin und Schleswig-Holstein zeigen, dass ein solches ‚Divestment‘ gelingen kann. Jetzt müssen der Bund und die anderen Länder schnell nachziehen und in eine zukunftsfähige Wirtschaft investieren.“

Über Fossil Free Berlin:
KlimaschützerInnen gründeten 2014 Fossil Free Berlin als überparteiliche, nicht-kommerzielle und 100% ehrenamtliche Initiative und erzielten 2016 einen ersten großen Erfolg: Als Reaktion auf öffentlichkeitswirksamen Druck und eine dauerhafte Divestment-Debatte beschloss das Parlament des Landes Berlin, 823 Mio. Euro Versorgungsrücklagen aus Unternehmen abzuziehen, die mit fossilen Brennstoffen, Atomkraft und Kriegswaffen Geschäfte machen. Das Berliner Team ist als Initiative im Lab des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung aktiv. Es ist Teil der internationalen Klimabewegung ‚Fossil Free‘, die von der Klimaschutz-Organisation ‚350.org‘ und Bill McKibben (Träger des Alternativen Nobelpreises 2014) initiiert wurde. Weltweit sind über 1.000 Fossil-Free-Gruppen aktiv und konnten bis heute über 1.200 Großanleger von Divestment überzeugen. Sie setzen sich für eine Abkehr von der fossilen Brennstoff-Industrie und für 100% erneuerbare Energien ein.

->Quellen: