Steinmeier bei der DBU: Andere große Menschheitsaufgaben nicht aus den Augen verlieren

CO2-Preis-Vordenker preisgekrönt

Klima-Ökonom Prof. Ottmar Edenhofer und die Geschwister Annika und Hugo Sebastian Trappmann, Geschäftsführer der Blechwarenfabrik Limburg, erhielten am 25.10.2020 in Hannover den Deutschen Umweltpreis 2020 der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). „Damit wird herausragendes Engagement für den Klimaschutz doppelt ausgezeichnet“, so DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Zudem gibt es einen Ehrenpreis für Martin Sorg, leitender Wissenschaftler beim Entomologischen Verein Krefeld, für seine wissenschaftlichen Untersuchungen über den Insektenrückgang.

Der Festakt der Verleihung des Deutschen Umweltpreises in Hannover wurde von Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers moderiert. Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier hielt seine Preisrede im Digitalformat. Mit 500.000 Euro zählt der Deutsche Umweltpreis zu den höchstdotierten Umweltpreisen Europas.

Als „besonders wichtige Botschaft“, mitten in der Corona-Pandemie „andere große Menschheitsaufgaben“ nicht aus den Augen zu verlieren, würdigte Steinmeier den Umweltpreis. Zum Festakt sagte Steinmeier, der wegen seiner Quarantäne sein Grußwort online hielt, die Corona-Pandemie habe gelehrt, dass Veränderung „nicht allein mit Verboten und Sanktionen“ gelinge. Vielmehr sei die Bereitschaft notwendig, Verantwortung nicht vollständig an Staat und Gesellschaft zu delegieren. „Es kommt auch auf den Einzelnen an“, so Steinmeier. Er erinnerte an „die großen Zukunftsaufgaben, die vor uns liegen“. Seine Forderung: „Wir müssen nachdenken, wir müssen umdenken, manchmal sogar radikal umdenken: wie wir arbeiten, was wir produzieren, wie wir wirtschaften, wie wir uns fortbewegen und was wir essen.“ Das werde allen zwar „einiges abverlangen“, so Steinmeier. „Aber Sorge sollten wir nicht haben, wenn sich manches ändert. Sorge müssen wir haben, wenn sich nichts ändert!“

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde sagte, das „bemerkenswerte Grußwort des Bundespräsidenten“ sei für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt Ansporn und Leitgedanke zugleich. Bonde: „Der Hinweis des Bundespräsidenten, trotz der widrigen Umstände im Moment die großen Zukunftsaufgaben nicht aus den Augen zu verlieren, ist nur allzu berechtigt. Er beflügelt die DBU in ihrem Bemühen, Lösungen für eine grüne Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern.“ Das sei auch ein Ziel des Deutschen Umweltpreises. „Die Stiftung wird nicht nachlassen, den notwendigen Wandel finanziell und fachlich zu begleiten – und dabei im Blick zu behalten, dass die Veränderungen verantwortlich und zugleich gerecht vonstatten gehen, wie es auch Prof. Edenhofer immer wieder formuliert hat“, sagte der DBU-Generalsekretär.

Ein „mitunter auch gefürchteter“ Verhandler

Die Wege Edenhofers und Steinmeiers kreuzen sich nach dessen Worten „seit vielen Jahren“ und „nicht zum ersten Mal in Krisensituationen“. So habe Edenhofer nach der Krise auf den globalen Finanzmärkten „Orientierung gegeben, wie beim notwendigen wirtschaftlichen Wiederaufbau der Klimaschutz nicht unter die Räder kommt“. Der Klimawandel mit seinen ökonomischen und sozialen Folgen seien Edenhofers „Lebensthema“. Er berate den Papst ebenso wie Weltbank und Bundesregierung und sei ein international geschätzter, „mitunter auch gefürchteter“ Verhandler.

International renommierter Pionier der Ökonomie des Klimawandels

Mit 500.000 Euro ist der Deutsche Umweltpreis der DBU der höchstdotierte Umweltpreis in Europa. Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, habe mit seinem wissenschaftlichen Lösungsansatz, einen Preis für den Ausstoß von CO2 zu verlangen, die deutsche Klimapolitik belebt und entscheidende Impulse im Diskurs über finanzielle Anreize als Instrument für mehr Klima- und Naturschutz geliefert, so Bonde. „Die Geschwister Trappmann zeigen, wie sich ein mittelständisches Unternehmen per Hightech-Digitalisierung im klimafreundlichen Sinne umkrempeln lässt und zudem noch davon profitiert.“

Edenhofer erhält den Preis unter anderem, weil er in beratender Funktion mit seinem Vorschlag einer CO2-Bepreisung erheblich zur Einigung der Bundesregierung auf das Klimapaket beigetragen hat. Bonde: „Er ist einer der weltweit einflussreichsten Vorreiter der Ökonomie des Klimawandels.“

Durch seine „exzellenten Forschungen, wissenschaftsbasierten Politikbe­ratungen sowie sein hohes Engagement“ biete er über den wirtschaftlichen Denkansatz Lösungen gegen den Klimawandel, die auch Fragen der Gerechtigkeit behandeln. „Seine wissenschaftlich fundierten Empfehlungen ermöglichen Regierungsvertretern, den politischen Handlungsrahmen so zu setzen, dass sich zukunftsfähige Innovationen für Klimaschutz am Markt durchsetzen“, so Bonde. Das Preisgeld für Edenhofer beträgt 250.000 Euro.

Mit eigenen Ideen und Engagement auf Unternehmensseite viel erreichen

Eine „echte deutsche Industriegeschichte“ nannte Steinmeier die seit 150 Jahren bestehende Blechwarenfabrik Limburg, als deren Geschäftsführende Annika und deren Bruder Hugo Sebastian Trappmann mit dem Deutschen Umweltpreis der DBU gewürdigt wurden. Mit dem Neubau des Betriebs sei ein unternehmerisches Wagnis verbunden gewesen. „Aber Sie waren überzeugt, dass das Unternehmen nur dann zukunftsfähig ist, wenn es sich modernisiert und möglichst sparsam und intelligent mit Ressourcen und Energie umgeht“, so der Bundespräsident. Das Ergebnis sei beeindruckend: „Die jetzt größere Blechwarenfabrik verbraucht weniger Rohstoffe und stößt im Jahr 2.600 Tonnen Kohlendioxid weniger aus als vor dem Umzug.“

Wie es sich auf Unternehmensseite lohnen kann, eine ganze Firma im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes neu zu konzipieren, zeigen die Geschwister Annika und Hugo Sebastian Trappmann. Bereits seit mehr als zehn Jahren zählt die Blechwarenfabrik Limburg mit ihren 320 Beschäftigten bundesweit zu den führenden nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen. Bonde: „Bei der Energie- und Ressourceneffizienz setzt das Unternehmen Maßstäbe.“ Durch konsequente Maßnahmen stoße der Betrieb jährlich etwa 2.600 Tonnen CO2 weniger aus und spare rund 100 Tonnen Weißblech ein. „Das ist eine Riesenleistung für Klima- und Ressourcenschutz“, so Bonde. Etwa ein Drittel des in der Fertigung genutzten Stroms komme direkt vom eigenen Dach. Der von Solarmodulen der Firma erzeugte Strom entspricht dem Jahresverbrauch von 450 Familienhaushalten. Digitalisierung unterstütze den Umwandlungsprozess: Der Betrieb habe ein Business Intelligence System aufgebaut. Bonde: „Das Unternehmen zeigt, dass man nicht auf Standardlösungen angewiesen ist, sondern mit eigenen Ideen und Engagement viel erreichen kann.“ Das Preisgeld für die Geschwister Trappmann umfasst ebenfalls 250.000 Euro.

Nationales und internationales Medienecho

Den mit 10.000 Euro dotierten Ehrenpreis erhält Entomologe Martin Sorg. Er koordiniert die Forschungen des Entomologischen Vereins, die ein großes Echo in Medien und Wissenschaft auslösten und Anlass für die Gründung von Bürgerbewegungen waren. Bonde: „Die Erkenntnisse haben Gesellschaft, Politik und Wissenschaft wachgerüttelt, ja sogar erschüttert.“ Denn die wissenschaftlich fundierten Forschungen hätten gezeigt, „dass die Gesamtmenge der Fluginsekten in den untersuchten Gebieten in den vergangenen 30 Jahren um dramatische 76 Prozent zurückgegangen ist. Das muss mehr denn je für uns alle ein Weckruf sein“, so Bonde. Die Sorge der Wissenschaft: Nahrungsketten und Ökosysteme könnten in Gefahr sein. „Der Einsatz von Dr. Sorg trug dazu bei, die Warnungen der Wissenschaft vor einem massiven Insekten- und Artenverlust ernst zu nehmen“, so Bonde. Mit dem Verein zeige Sorg, „dass jede und jeder Einzelne durch beharrliches und fundiertes Engagement einen Beitrag zu dieser wichtigen Zukunftsdebatte leisten kann“.

Bundespräsident warnt vor „einem Rückfall in nationale Nabelschau“

„Herzblut“ und „Leidenschaft“ zeichnen laut Steinmeier den Insektenforscher Sorg aus. Ihm und dem Entomologischen Verein Krefeld sei zu verdanken, dass „wir heute viel genauer wissen, welch dramatische Folgen der Artenschwund im Reich der Insekten für unser Ökosystem hat, dass wir darüber als Gesellschaft diskutieren“. Steinmeier warnte schließlich vor „einem Rückfall in nationale Nabelschau“. Damit sei weder gegen die Pandemie noch gegen den Klimawandel der Kampf zu gewinnen. Beide Krisen könnten „alle treffen, aber sie treffen nicht alle gleich“. Die Menschen in ärmeren Ländern des Südens seien „ungleich härter“ betroffen. Der Bundespräsident: „Das bedeutet Verantwortung für die reicheren Länder des Nordens und ist Verpflichtung zu handeln.“

->Quellen und Filmporträts der Umweltpreisträger 2020: