Chemisches Recycling ein Fake?

NABU und DUH entlarven falsche Umweltversprechen

„Die als besonders innovativ und umweltfreundlich beworbene Technologie des chemischen Recyclings hält nicht, was sie verspricht“, sagen Deutsche Umwelthilfe (DUH), Naturschutzbund Deutschland (NABU) und weitere europäische Umweltverbände in einer am 18.12.2020 veröffentlichten gemeinsamen Medienmitteilung. Gemeinsam haben die Verbände Studien zu den Umweltauswirkungen des chemischen Recyclings analysiert („Die Umweltauswirkungen des chemischen Recyclings von Kunststoffen – Zehn offene Fragen zu vorliegenden Ökobilanzen“). Das Ergebnis: „bisher fehlt es an unabhängigen Untersuchungen zu diesem Thema. In den untersuchten Publikationen werden Ergebnisse verzerrt dargestellt, ungerechtfertigte CO2-Gutschriften erteilt und wichtige Umweltaspekte außer Acht gelassen. Zusätzlich verhindert die Geheimhaltung zugrundeliegender Daten eine Reproduzierbarkeit der Studienergebnisse. Die vermeintlichen Umweltvorteile des chemischen Recyclings können damit nicht belegt werden.“

UBA-Hintergrund ‚Chemisches Rcycling‘ © Umweltbundesamt

Das chemische Recycling wird zunehmend als Alternative zu nachweislich umweltfreundlicheren werkstofflichen Recyclingverfahren ins Spiel gebracht. Unternehmen wie BASF, Südpack und Borealis haben sich im Projekt „Chemcycling“ zusammengeschlossen, um das chemische Recycling in Deutschland voranzubringen. Dabei wird mit der Umweltfreundlichkeit der Verfahren geworben, obwohl diese bisher nicht nachgewiesen sind.

Barbara Metz, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH, dazu: „Die Versprechen der Industrie der Umweltfreundlichkeit des chemischen Recyclings entbehren jeder Grundlage. Diese unausgereifte Technologie ist hochriskant und hat massive Umweltauswirkungen. Um die Probleme durch Kunststoffabfälle in den Griff zu bekommen, sind viele Lösungsansätze bereits vorhanden – sie müssen nur umgesetzt werden. So gibt es ein großes Potential, mehr Verpackungen als bisher zu recyceln, indem diese recyclingfähig gestaltet werden. Auch sollten durch die Förderung von Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Öko-Design Abfallmengen insgesamt reduziert werden. Das chemische Recycling darf wichtige Investitionen und Entwicklungen in diese Richtung keinesfalls behindern.“

Chemische Recyclingtechniken sind mit einem enormen Energiebedarf verbunden, da Kunststoffe unter hohen Temperaturen in ihre Bausteine zerlegt und dann unter erneutem Energieaufwand wieder zusammengesetzt werden müssen. Zudem entstehen beim Recyclingprozess giftige Chemikalien, die in aufwändigen Aufbereitungsprozessen wieder entfernt werden müssen und als gefährliche Abfälle zurückbleiben. Diese wichtigen Umweltaspekte wurden in bisherigen Ökobilanzen nur ungenügend berücksichtigt.

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Das mechanische Recycling ist nachweislich umweltfreundlicher als das chemische Recycling. Die Politik darf sich von intransparenten und tendenziösen Ökobilanzen nicht täuschen lassen. Initiativen sollten sich auf Recyclingfähigkeit, Sortier- und werkstoffliche Recyclingtechnologien konzentrieren. In diesen Bereichen gibt es einen enormen Handlungsbedarf. Das chemische Recycling wäre eine Sackgasse, die wichtige Mittel für andere umweltfreundlichere Technologien vergeuden würde.“

Nach Angaben der Chemieindustrie geht bei den bislang angewendeten chemischen Recyclingprozessen die Hälfte des eingesetzten Materials verloren. Zudem ist unklar, ob Kunststoffhersteller mit hohen Anteilen an chemisch recyceltem Material überhaupt umgehen können und ob sich dies nicht sogar negativ auf die Materialqualität auswirkt.

Hintergrund

Als chemisches Recycling werden Verfahren zusammengefasst, bei denen Altkunststoffe in ihre Grundbausteine zerlegt werden, die dann als Rohstoffe zur Herstellung von neuen Kunststoffen oder anderen Materialien dienen. Im Gegensatz zum sogenannten mechanischen Recycling findet dabei eine chemische Veränderung des Materials statt. Das chemische Recycling verspricht, aus bisher nicht recycelbaren Kunststoffabfällen neuwertige Kunststoffe herzustellen, die sogar im Lebensmittelbereich eingesetzt werden können. Zur technischen Umsetzbarkeit und zu Umweltrisiken dieser Technologie liegen bisher aber noch keine ausreichenden Informationen vor. Das chemische Recycling wird bisher in Deutschland noch nicht in großindustriellem Maßstab angewendet.

UBA: Forschungsaufwand notwendig – aber werkstoffliche Verwertung derzeit vorteilhafter

Das Umweltbundesamt kam im Juli 2020 zu einem zurückhaltenden Fazit: „Aufgrund der derzeitigen Datenlage muss davon ausgegangen werden, dass die werkstoffliche Verwertung grundsätzlich ökologisch und ökonomisch vorteilhafter als ein chemisches Recycling ist, da weniger aufwändige Verwertungsverfahren zur Anwendung kommen (z.B. weniger Einsatz von Zusatzstoffen und Energie). Dies spiegelt sich im Verpackungsgesetz in der Ausgestaltung der Verwertungsquoten wider. Um die ökologische Bewertung des chemischen Recyclings endgültig vornehmen zu können, braucht es noch einige Zeit und Forschungsaufwand, um sowohl die Eignung der Techniken sowie den Nachweis der ökologischen Vorteilhaftigkeit der Verfahren im Vergleich zur energetischen und werkstofflichen Verwertung zu erbringen.“

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