EU verschwendet Hunderte Millionen Steuergelder für gescheiterte Gasprojekte

NGO: Einfluss der Unternehmen für fossile Brennstoffe im Fokus

In weniger als einem Jahrzehnt hat die Europäische Union 440 Millionen Euro für Gaspipelines ausgegeben, die entweder nie fertiggestellt wurden oder wahrscheinlich scheitern werden, so eine neue Analyse der Nichtregierungsorganisation Global Wittness. Jeder einzelne Cent dieses Geldes sei in Projekte geflossen, die von mächtigen Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft unterstützt würden, die Einfluss darauf hätten, wie dieses Geld ausgegeben werde.

Gaslager Berlin Spandau – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Global Witness wurde 1993 in London gegründet und prangert die Verbindung zwischen Rohstoff-Ausbeutung, Konflikten, Armut, Korruption und Missachtung von Menschenrechten an. Seit 2013 hat die Europäische Union fast 5 Milliarden Euro an vom Steuerzahler finanzierten Zuschüssen und subventionierten Krediten für 41 Gasprojekte wie Pipelines oder Importterminals ausgegeben, die als „Projekte von gemeinsamem Interesse“ (PCIs) bekannt sind. Dieser Prozess wird durch die TEN-E-Verordnung geregelt, die einer Forschungsgruppe von Gasunternehmen – ENTSOG – enormen Einfluss darauf gibt, welche Gasinfrastrukturen in die engere Wahl kommen, um öffentliche Mittel zu erhalten.

Von den sieben Projekten, die gescheitert sind oder wahrscheinlich scheitern werden, ist jedes mit Mitgliedern von ENTSOG verbunden. Der Bericht „Pipe Down“ von Global Witness vom Juni letzten Jahres deckte diesen bemerkenswerten Interessenkonflikt im Herzen der EU-Gasfinanzierung auf und stellte fest, dass die überwiegende Mehrheit aller EU-Gelder für fossile Gasprojekte an ENTSOG-Unternehmen ging.

In einer am 19.11.2020 von Food&Water Action Europe in Brüssel veröffentlichten “endgültigen Entscheidung” bestätigte Emily O’Reilly, Bürgerbeauftragte der EU, dass die EU-Kommission seit 2013 keine angemessenen Klima- und Nachhaltigkeitsbewertungen für die fossilen Gasvorhaben auf der Liste der Projekte von gemeinsamem Interesse (PCI) durchgeführt hat. Die EU-Ombudsfrau hatte nach einer Beschwerde von Andy Gheorghiu, Politikberater von Food & Water Europe, einer Umwelt-NGO mit Sitz in Brüssel, ein Verfahren eingeleitet (solarify.eu/bewertung-von-gasprojekten-durch-die-eu-kommission-ombudsfrau-kritisiert-fehlende-pruefung-auf-klimawirkung).

Die Europäische Kommission hat kürzlich eine Überarbeitung der TEN-E-Verordnung vorgeschlagen – aber den Einfluss von ENTSOG weitgehend unangetastet gelassen. Mit einer Reihe von neuen PCI-Projekten, die derzeit geprüft werden, sieht es so aus, als würde die Kommission die gleichen Fehler noch einmal wiederholen.

Jonathan Gant, Senior Gas Campaigner bei Global Witness, sagte: „Es ist unglaublich, dass die Kommission denkt, dies sei ein fairer Prozess, um zu entscheiden, wie man öffentliche Gelder ausgibt. Wenn Unternehmen, die direkt davon profitieren, in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, kann es nicht überraschen, dass so viel von diesem lebenswichtigen Geld verschwendet wird. Die Klimakrise ist, wie die EU selbst anerkennt, sowohl unmittelbar als auch katastrophal. Es kann daher nicht sein, dass auch nur ein einziger Cent der ohnehin schon strapazierten öffentlichen Gelder verschwendet wird, wenn dieses Geld in lebensfähige Projekte für erneuerbare Energien fließen sollte. Noch schockierender ist, dass die EU-Kommission kürzlich die Chance verpasst hat, das Ungleichgewicht des Einflusses von Konzernen auszugleichen. Das unterstreicht nur, wie mächtig diese Konzerne sind und wie sehr sich die EU von der fossilen Energiewirtschaft abkoppeln muss.“

BRUA-Pipeline: 479 Millionen Euro in den Sand gesetzt

Einige dieser gescheiterten Projekte wurden nie begonnen. So wurde etwa der Großteil des verschwendeten Geldes für die umstrittene BRUA-Pipeline ausgegeben, die Gas von den Gasfeldern am Schwarzen Meer nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich transportieren sollte. Entwickelt, um Europas Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, soll die BRUA in der ersten Phase 1,75 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren, geschätzte Kosten: 479 Millionen Euro. Ein Abschnitt der Pipeline wurde im November 2020 fertiggestellt, liegt aber komplett in Rumänien und erreicht weder das Schwarze Meer noch die Nachbarländer. Investoren fürchten nun, dass die BRUA kein Gas aus dem Schwarzen Meer transportieren wird, nachdem Exxon – das den größten Teil des Projekts leitete – den Verkauf seiner Lizenz angekündigt hat. Nachdem auch die Pläne, BRUA nach Ungarn zu erweitern,  im April vergangenen Jahres verworfen. TRANSGAZ, das ENTSOG-Mitglied, das hinter der Leitung steht, erklärte sie nach der Fertigstellung eines rumänischen Abschnitts im letzten Jahr zu einem Erfolg. Dennoch bleibt die BRUA weit hinter den Ambitionen des Projekts zurück, als es den PCI-Status erhielt.

Laut der Analyse von Global Witness würden die 440 Millionen Euro verschwendeter Gelder ausreichen, um den Bau von Spaniens riesigem Solarpark Nuñez de Balboa – dem größten in Europa – oder Dänemarks Offshore-Windpark Rodsand zu finanzieren, der 200.000 Haushalte versorgt.

Die Konsultation der Europäischen Kommission über die nächste Liste von „PCI“-Energieprojekten, die von der EU gefördert werden sollen, läuft bis Anfang April 2021. Global Witness fordert, dass alle fossilen Gasprojekte gestrichen und von weiteren Subventionen ausgeschlossen werden, um die Gelder in erneuerbare Energieprojekte umzuleiten. Global Witness fordert außerdem, dass der Europäische Rat und das Parlament die TEN-E-Revision der Kommission überarbeiten, um die enorme Macht, die sie den ENTSOG-Mitgliedern schenkt, abzuschwächen.

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