EFI denkt laut über Digitalisierungs-Ministerium nach

Deutschland fördert einseitig E-Mobilität und hinkt bei Digitalisierung hinterher – „neue Ideen oft nicht genutzt“

Am 24.02.2021 hat die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) ihr Gutachten 2021 zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. „Eine schöne Fundgrube für uns und unsere weitere Arbeit“ – so bezeichnete die Kanzlerin das Jahresgutachten. Die Expertinnen und Experten lobten zwar den hohen Standard Deutschlands in Forschung und Entwicklung, betonten aber auch: Es ist noch viel zu tun.

EFI-Gutachten 2021 – Titel © e-fi.de, bmbf.de

Deutschland hinke etwa bei der Entwicklung von Technologien für mehr Nachhaltigkeit und einen besseren Standard in der Digitalisierung zurück. Oftmals liege das Wissen auf dem Tisch: „Jedoch werden neue Ideen und Erkenntnisse aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen oft nicht genutzt“, schreibt die Kommission in ihrem Gutachten. Forschenden fehlten ausreichend Anreize und die notwendigen Kompetenzen, um ihre Erkenntnisse „über den akademischen Kontext hinaus zu vermitteln“, so die Meinung der EFI.

Auch bei den Rahmenbedingungen, um Forschungserkenntnisse in die Anwendung zu bringen, sei Spielraum nach oben: Finanzierungs-, Beteiligungs- oder Lizenzierungskonditionen seien oft „eher hemmend und international nicht wettbewerbsfähig“, heißt es in dem Gutachten. Die Expertenkommission „regt nachdrücklich an, geeignete Förderformate auszubauen und weiterzuentwickeln sowie entsprechende Rahmenbedingungen für Transferaktivitäten aus dem Wissenschaftssektor hinaus voranzutreiben“.

Die EFI spricht sich zudem gegen den deutschen Weg bei der Mobilitätswende aus – allerdings nicht im Gutachten: „Wir wundern uns sehr, dass die Bundesregierung die Elektromobilität so sehr priorisiert hat“, sagte ihr Vorsitzender Uwe Cantner dem Handelsblatt am Tag der Übergabe, und er nannte als Grund ökologischen Fußabdruck, der schon durch die Gewinnung der Rohstoffe für die Batterie deutlich erhöht werde „Dass E-Autos hier bei uns in Deutschland keine Abgase in die Luft blasen, reicht nicht“, sagte Cantner. Daher will Cantner „einerseits die Umweltschädlichkeit der E-Mobilität weiter reduzieren und andererseits Wasserstoff auch für den Verkehr voranzutreiben“. Zudem brauche Deutschland für jede Alternative eine saubere Analyse der Umweltschäden für Produktion und Betrieb. „Diese liegen bisher nicht in ausreichendem Maße vor“, so der Efi-Vorsitzende.

Dringend aufholen muss Deutschland laut EFI-Gutachten in der Digitalisierung, etwa bei Servicerobotik, KI und E-Governance. Die von der Bundesregierung gestartete „Agentur für Sprunginnovationen“ sei ein Anfang, um Forschungsergebnisse an den Start zu bringen, aber nicht genug. Um schneller voranzukommen, mahnt die Expertenkommission erneut zu mehr digitaler Kompetenz in Deutschland. Das gelte für Auszubildende wie Lehrkräfte. Das Geld aus dem „Digitalpakt Schule“ zur Weiterbildung von Lehrkräften sei bei weitem nicht genug.

Experten empfehlen fünf Prioritäten

Die Expertenkommission empfiehlt der Bundesregierung, die künftige F&I-Politik an fünf wesentlichen Prioritäten auszurichten.

  1. Demnach müssen großen gesellschaftlichen Herausforderungen und dabei insbesondere die Nachhaltigkeitsziele eine hohe Priorität haben.
  2. Auch wichtig für die Wohlstandsentwicklung ist es, dass Deutschland bestehende technologische Rückstände aufholt und sie bei potenziellen Schlüsseltechnologien von Beginn an vermeidet.
  3. Damit diese Ziele erreicht werden können, müsse ein rohstoffarmes Land wie Deutschland über eine starke Fachkräftebasis verfügen, so die Kommission.
  4. Im Hinblick auf Investitionen bei privaten Unternehmen ist es darüber hinaus notwendig, die Innovationsbeteiligung zu erhöhen.
  5. Und schließlich ist die Agilität der Politik im Bereich Forschung und Entwicklung eine wichtige Voraussetzung, um den gesellschaftlich erwünschten  transformativen Wandel erfolgreich umzusetzen.

Deutschland nähert sich 3,5-Prozent-Ziel

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 109,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag damit bei 3,17 Prozent.

Damit hat Deutschland erneut das in der Wachstumsstrategie für die Europäische Union „Europa 2020“ festgelegte Ziel eines Anteils von mindestens drei Prozent am BIP für Forschung und Entwicklung übertroffen. Dies sei „ein gemeinsamer Erfolg von privatwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten und einer breiten staatlichen Förderpolitik“, betont der EFI-Vorsitzende Cantner.

Ausgaben für Forschung und Entwicklung um 72 Prozent gestiegen

Die Ausgaben für Forschung und Innovation hat die Bundesregierung von 2009 bis 2019 im insgesamt 72 Prozent gesteigert, betont die Bundeskanzlerin. Dem Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden, hat sich Deutschland in den vergangenen Jahren mit einer Steigerung von 2,9 Prozent im Jahr 2014 auf 3,2 Prozent im Jahr 2019 beständig angenähert.

„Wir wissen, dass wir einiges ganz gut gemacht haben“ erklärte Merkel. Doch mit Blick auf die Dynamik in manch anderen Ländern komme man mit „ganz gut“ nicht weit. Dann „versteht man, dass man gar nicht genug tun kann, im Zweifelsfalle noch entschlossener und noch schneller“.

Kluge Politik hat Handlungsspielräume eröffnet

Der Vorsitzende der EFI, Professor Uwe Cantner von der Universität Jena, betonte, dass die Herausforderungen an die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik groß sind – „auch unabhängig von der Corona-Krise“. Gleichzeitig sei Deutschland hierfür gut gewappnet: „Die kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik der beiden letzten Dekaden hat uns Handlungsspielräume zur Bewältigung großer ökonomischer Schieflagen, für eine schnelle Schuldenaufnahme während der Corona-Krise und eben auch für große Zukunftsinvestitionen eröffnet“, so Cantner.

Deutschland als Innovationsstandort stärken

Cantner betonte, dass mit Blick auf wichtige Zukunftstechnologien in jüngerer Zeit einiges auf den Weg gebracht worden sei – es gelte, dies „mit großem Nachdruck voranzutreiben“. Die Kommission begrüße es, dass die Bundesregierung Bereiche wie die Künstliche Intelligenz und die Wasserstoff- oder Quantentechnologie substantiell fördert. Dies sei entscheidend, „um Deutschland im Konzert der weltweit bedeutendsten Innovationsstandorte weiter zu stärken“, so Cantner.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „Das EFI-Gutachten 2021 fällt in eine Zeit, die uns die Bedeutung von Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit eindrücklich vor Augen führt. Deutschland ist Innovationsland. Unsere Innovationskraft ist die wesentliche Grundlage dafür, dass wir die Pandemie und ihre wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Folgen gut bewältigen können.

Die EFI-Kommission hebt in ihrem aktuellen Gutachten hervor, dass Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. Ich bin froh, dass die Wirtschaft trotz der Corona-Krise gemäß der Innovationserhebung des ZEW für das Jahr 2020 nur von einem moderaten Rückgang der Innovationsausgaben gegenüber dem Vorjahr ausgeht – mit 2,2 Prozent Minus deutlich weniger als die Wirtschaftsleistung selbst mit fünf Prozent Minus. In Anbetracht der angespannten Situation der Wirtschaft in der Pandemie sind dies zunächst einmal vergleichsweise gute Nachrichten für den Bereich Forschung und Innovation.

Mit dem Konjunktur-und Zukunftspaket hat die Bundesregierung zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen im Juni 2020 einen klaren Fokus auf Bildung und Forschung gelegt. 60 Milliarden Euro werden gezielt innovationsorientiert eingesetzt.

Die EFI führt uns in ihrem aktuellen Bericht aber auch vor Augen, dass wir uns bei der Stärkung der Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen, die ein ganz wichtiger Teil der deutschen Innovationslandschaft sind, verstärkt anstrengen müssen. Denn sie leiden besonders unter der Krise.

Zudem nimmt die EFI in ihrem Gutachten drei Schwerpunktthemen in den Fokus:

  1. Zum einen betont sie die Wichtigkeit der Anpassung von beruflicher Aus- und Weiterbildung an die digitale Transformation. Hier arbeitet der Bund bereits eng mit den Ländern und Sozialpartnern zusammen, um den daraus resultierenden Anforderungen an digitale und nichtdigitale Kompetenzen zu begegnen. Dabei sehen wir die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung mit Blick auf die Digitalisierung als eine der wichtigsten Aufgaben in der Berufsbildung.
  2. Zum anderen empfiehlt sie eine Fokussierung auf zentrale Missionen. Die Missionen der Hightech-Strategie 2025 werden wir daher weiter vorantreiben.
  3. Die EFI weist zudem auf das große Potenzial der Genom-Editierung und insbesondere der somatischen Gentherapie hin. Durch die somatische Gentherapie –werden Möglichkeiten eröffnet, zahlreiche auf genetischen Ursachen basierende Erkrankungen einzelner Patienten besser behandeln oder sogar heilen zu können.

Damit Deutschland auch in Zukunft Innovationsland bleibt, gilt es, unsere Forschungsstärke zu bewahren und konsequent auszubauen. Das braucht weitere finanzielle Anstrengungen. Um weiterhin zur Weltspitze in Forschung und Innovation zu zählen, zielen wir darauf, spätestens in 2025 staatlich und privat insgesamt 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Wir sind dabei auf dem richtigen Weg: Nach den aktuellsten Zahlen haben Wirtschaft, Staat und Hochschulen im Jahr 2019 gemeinsam 3,17 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung ausgegeben – damit haben wir zum dritten Mal in Folge die 3-Prozent-Quote übertroffen. Für die weitere Entwicklung im Innovationsland Deutschland hat die EFI mit ihrem Gutachten wichtige Impulse gesetzt.“

Hintergrund:

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) leistet wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt seit 2008 einmal im Jahr Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Ein zentraler Bestandteil der Gutachten sind Handlungsempfehlungen für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

->Quellen: