Oxidationsprozesse in Verbrennungsmotoren und Atmosphäre gehen gleiche Wege

Effiziente Autoxidation-Kettenreaktionen bei gesättigten Kohlenwasserstoffen nachgewiesen

Alkane, wichtige Bestandteile der Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren und eine wichtige Klasse von städtischen Spurengasen, gehen andere Reaktionswege ein als bisher angenommen. Diese Kohlenwasserstoffe, früher Paraffine genannt, produzieren dadurch große Mengen an hoch sauerstoffhaltigen Verbindungen, die zum organischen Aerosol und damit zur Luftverschmutzung in Städten beitragen können. Das wies jetzt einer Medienmitteilung folgend ein internationales Forschungsteam mit modernster Messtechnik an der Universität Helsinki und am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig nach.

Historischer VW-Käfer-Motor – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Arbeit liefern entscheidende Informationen über Oxidationsprozesse sowohl in Verbrennungsmotoren als auch in der Atmosphäre – mit direkten Auswirkungen für die Motoreneffizienz und die Bildung von Aerosolen besonders in Städten, schreibt das Forscherteam in Communications Chemistry, einem Open-Access-Journal der Springer-Nature-Verlagsgruppe.

Oxidationsprozesse spielen eine große Rolle sowohl in der Atmosphäre als auch bei Verbrennungen. Eine Kettenreaktion, die als Autoxidation bezeichnet wird, wird durch hohe Motortemperaturen ermöglicht. Sie ist aber auch als eine wichtige Quelle für stark sauerstoffhaltige Verbindungen in der Atmosphäre, die organisches Aerosol bilden, wie Forschende aus Finnland, Deutschland und den USA schon 2014 nachweisen konnten. Die Autoxidation ist ein Grund für Alterungsprozesse organischer Verbindungen durch Sauerstoff aus der Luft. Sie trägt zum Verderben von Lebensmitteln und Wein bei.

Diese Kettenreaktion wird durch die Bildung von Peroxy-Radikalen (RO2) eingeleitet. Die Neigung von organischen Verbindungen, eine solche mehrstufige Autoxidation zu durchlaufen, bestimmt den Zündzeitpunkt des Kraftstoffs in Motoren und andererseits das Potential zur Bildung schwerflüchtiger kondensierbarer Dämpfe und folglich von organischem Aerosol in der Atmosphäre. Das Ausmaß, in dem die mehrstufige Autoxidation stattfindet, wird durch die molekulare Struktur der organischen Verbindungen und den Reaktionsbedingungen festgelegt. Die Bestimmung der verschiedenen Reaktionspfade der Peroxy-Radikale, die wichtige Intermediate (Zwischenprodukte) bei allen Oxidationsreaktionen darstellen, ist entscheidend für die Bildung der verschieden Reaktionsprodukte und deren Schlüsseleigenschaften, die letztlich sowohl die menschliche Gesundheit als auch das Klima beeinflussen können.

Da Peroxy-Radikale sehr reaktionsfreudig sind, laufen die chemischen Reaktionen sehr schnell ab, und einzelne Reaktionsschritte wurden dadurch lange übersehen. So wurde erst vor sieben Jahren durch Fortschritte in der Messtechnik die Entdeckung hoch sauerstoffhaltiger organischer Moleküle (HOMs) möglich. Zum Einsatz kam jetzt bei der Messung der Radikale und Oxidationsprodukte von Alkanen ein spezielles Massenspektrometer, das diese sehr kurzlebigen Verbindungen registrieren kann (Chemical Ionization – Atmospheric Pressure Interface – Time of Flight (CI-APi-TOF) Massenspektrometer). „Bisher gab es keine Studien zur HOM-Bildung aus Alkanen, weil man annehmen musste, dass ihre Struktur ungünstig für die Autooxidation sei“, berichtet Torsten Berndt vom TROPOS. Zur Stoffgruppe der Alkane gehört mit Methan beispielsweise ein wichtiges Treibhausgas. Aber auch die wichtigsten fossilen Brennstoffe der Weltwirtschaft aus Erdöl und Erdgas bestehen aus Alkanen: Dazu gehören unter anderem Propan, Butan, Pentan, Hexan, Heptan und Oktan. Neue Erkenntnisse über das Oxidationsverhalten dieser Stoffgruppe haben daher eine große Relevanz in vielen Bereichen.

Um einen tieferen Einblick in die Alkan-Autoxidation zu erhalten, wurden neben Versuchen in Helsinki auch Experimente im Leipziger Freistrahl-Strömungsreaktor am TROPOS durchgeführt. Die Versuchsanordnung ist so optimiert, dass die Gase während der Reaktion nicht mit den Wänden in Berührung kommen, um Ergebnisverfälschungen durch Wandprozesse auszuschließen. Bei den Versuchen konnten nahezu alle reaktiven Intermediate, RO2-Radikale, sowie deren Reaktionsprodukte direkt verfolgt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forschenden aus der Verbrennungschemie und der Atmosphärenchemie erwies sich dabei als sehr nützlich, weil bei den Verbrennungsprozessen analoge Prozesse ablaufen wie in der Atmosphäre, nur bei erhöhter Temperatur. „Als Ergebnis kam heraus, dass nicht nur Isomerisierungsreaktionen von RO2-Radikalen sondern auch von RO-Radikalen für den Aufbau höherer oxidierter Produkte zuständig sind. Durch die Studie wurde es möglich, mit Alkanen die letzte und vielleicht überraschendste Gruppe an organischen Verbindungen zu identifizieren, für die die Autooxidation von Bedeutung ist“, so das Fazit von Torsten Berndt.

Selbst bei hohen Konzentrationen von Stickoxiden, die sonst Autoxidationsreaktionen schnell beenden, produzieren die Alkane offenbar beträchtliche Mengen an hoch oxidierten Verbindungen in der Luft. Die neuen Erkenntnisse erlauben ein tieferes Verständnis der Autoxidationsprozesse und geben Anlass zu weiteren Untersuchungen zu Isomerisierungsreaktionen von RO-Radikalen. (Tilo Arnhold)

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