In Sevilla entsteht neue europäische PV-Gigafabrik

Fraunhofer ISE begleitet 5-Gigawatt-Projekt in Andalusien

Photovoltaik ist – zusammen mit der Windenergie – die tragende Säule der Energiewende. Während Deutschland und Europa bei der Forschung und Entwicklung für Solarzellen und -module nach wie vor führend sind, hat sich die Produktion in den vergangenen zehn Jahren nach Asien verlagert. Die Technologiesouveränität und Unabhängigkeit drohte in Europa verloren zu gehen. Dies beginnt sich zu verändern, da Parameter wie zum Beispiel der Anteil der Transportkosten für importierte Module, aber auch nachhaltige Produktionskriterien, heute anders ins Gewicht fallen als noch vor wenigen Jahren. So will Sevilla in der Freinhandelszone seines Hafens mit Freiburger Hilfe eine PV-Gigfactory aufbauen – so eine Medienmitteilung aus dem Fraunhofer ISE.

Solardach auf Berliner Futurium – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

In der andalusischen Hauptstadt macht sich jetzt das neu gegründete Unternehmen Greenland auf den Weg, eine hochautomatisierte Photovoltaik-Produktion der Größenordnung 5 Gigawatt pro Jahr und vertikal integriert, also entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Material über Wafer und Solarzelle zum Solarmodul aufzubauen. Das ISE begleitet beratend, von der Planung über die technische Begleitung bis hin zur gemeinsamen Entwicklung von fortschrittlichen Zelltechnologien. Zur Sicherstellung der notwendigen internationalen Wettbewerbsfähigkeit in diesem hoch kompetitiven Marktumfeld wird modernste, voll vernetzte Produktionstechnik im Zeichen von Industrie 4.0 zum Einsatz kommen. Bei der entsprechenden Fabrikplanung und Auslegung unterstützt maßgeblich Bosch Rexroth.

Im Auftrag des VDMA hatte das Fraunhofer ISE 2019 eine Studie erstellt, die sich mit der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen PV-Industrie auseinandersetzt. Zu den wesentlichen Kriterien, die dabei herausgearbeitet wurden, zählt, dass niedrige Herstellungskosten bei einer lokalen/regionalen Produktion in Europa nur dann erreicht werden können, wenn eine Fabrik mit einer entsprechenden Mindestgröße an den Start geht. Ein weiteres, bedeutsames Ergebnis der Studie ist die Tatsache, dass angesichts der heutigen Fertigungskosten von weniger als 20 Eurocent pro Watt-Peak der Anteil der Transportkosten für Module, ebenso wie für Teilkomponenten, steigt und inzwischen nahezu 10% beträgt. Lokale Produktion nahe am Zielmarkt sowie der Aufbau einer lokalen Wertschöpfungskette sind also essenziell für die Rentabilität einer europäischen PV-Produktion und die Unabhängigkeit von Importen. Darüber hinaus kann Europa bei einer fairen Bepreisung von CO2-Emissionen seine Vorteile durch einen wesentlich niedrigeren CO2-Footprint der Module aufgrund des europäischen Strommixes gegenüber asiatischen Importen ausspielen.

Sven Ullrich kommentiert die Vorteile der europäischen Produktion auf Erneuerbare Energien: „Allerdings ist die reine Größe der Produktion nicht das allein entscheidende Kriterium, um sich gegen die Wettbewerber vor allem aus China im Segment der kristallinen Solarmodule durchzusetzen. Schließlich fragen immer mehr Kunden nach der CO2-Belastung bei der Herstellung der Module – vom Wafer bis hin zum fertigen Paneel. Sie wollen wissen, welche Umweltbelastungen die Modulherstellung verursacht. An dieser Stelle können europäische Hersteller punkten“. Dies sei das Ergebnis einer ISE-Umfrage zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen PV-Industrie. Die Studie ist laut Ullrich „zwar bereits 2019 erschienen. Doch sie dient als Grundlage für das Geschäftsmodell der neuen Modulfabrik in Sevilla. Die Freiburger Forscher haben nämlich herausgefunden, dass eine faire Bepreisung des CO2-Ausstoßes Vorteile hat, da dadurch der CO2-Fußabdruck der Modulproduktion sinkt. In Europa können die Kunden nachvollziehen, dass die Module mit einem Strommix hergestellt werden, der höhere Anteil an regenerativen Energien hat. Das können die europäischen Hersteller als Vorteil gegenüber den asiatischen Anbietern ausspielen.“

Andalusien setzt auf Vorteile regionaler PV-Produktion

Diese Argumente sowie die günstigen politischen Rahmenbedingungen durch den EU Green Deal haben die Provinz Andalusien und die Stadt Sevilla überzeugt, eine regionale PV-Produktion aufzubauen und die Ansiedlung einer vollständig integrierten PV-Fabrik innerhalb seiner Freihandelszone im Hafen von Sevilla (der größten Spaniens) zu unterstützen. „Wir freuen uns sehr, dass Greenland uns als Partner für die Auswahl der Starttechnologie gewählt hat“, so Jochen Rentsch, Abteilungsleiter im Bereich PV-Produktionstechnologien am Fraunhofer ISE und ergänzt: „Wir werden Greenland auch beim Ramp Up und der technologischen Weiterentwicklung der Firma begleiten.“

Bei der Technologie-Wahl für den Firmenstart setzt Greenland auf derzeitige State-of-the-Art Technologie, denn nur so kann ein schneller Aufbau der Produktion auf 5 GW Kapazität bewerkstelligt werden. Dabei stehen monokristalline Siliciumwafer im Format M10 für Passivated Emitter and Rear (PERC) Solarzellen im Fokus, die in multibusbar verschalteten Halb- bzw. Tripelzellmodulen von mindestens 540 W Leistung verbaut werden.

Nicht nur die gefertigten Solarmodule werden dem neuesten technologischen Stand entsprechen, auch ihre Produktion wird wegweisend sein. „Gemeinsam mit Greenland Gigafactory und Fraunhofer ISE realisieren wir in Sevilla eine hoch innovative, voll flexible und durchgängig vernetzte Fabrik der Zukunft für den erfolgversprechenden Markt der Solarzellen in Europa“, erläutert Thomas Fechner, Leiter Produktbereich New Business bei Bosch Rexroth.

Fraunhofer ISE-Institutsleiter Prof. Andreas Bett sieht in diesem Projekt ein weiteres Signal seitens europäischer Firmen und Investoren, die erkannt haben, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um neben der Technologie- auch die industrielle Souveränität auf dem Gebiet der Solarenergie nach Europa zurückzuholen. „In europäischen Forschungszentren werden derzeit einige der weltweit fortschrittlichsten Technologien entwickelt, zum Beispiel Tandem-Solarzellen, die höchste Wirkungsgrade erzielen und damit zu Flächenreduktion und Materialeinsparung führen, aber auch nachhaltige Produktionstechnologien unter Berücksichtigung von Kreislaufwirtschaft und Recycling. Die Förderung von Investitionen in diese Schlüsseltechnologien auf EU-Ebene wird die europäische Führungsrolle in strategischen Schlüsseltechnologien ausbauen.“