Scheuer: „Fahrverbote überflüssig“

Programm für saubere Luft in Städten erfolgreich – Luftqualität deutlich verbessert – BUND und DUH klagen dennoch, erfolgreich

In einer Medienmitteilung verkündet Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer stolz den Erfolg der 374 Maßnahmen seines Hauses für Tausende neue Elektrofahrzeuge, Ladesäulen, saubere Busse und zur Digitalisierung der Verkehrssysteme, die hätten dazu beigetragen, dass immer weniger Städte den Grenzwert für Stickoxide reißen. Von den mehr als 90 Städten 2016 überschritten jetzt nur noch sechs die zulässigen Grenzwerte von 40 ?g NO2/m3, „die meisten davon nur leicht“. Ungeachtet dessen gewinnen Umwelt-NGO Prozesse um bessere Luft: Die Stadt Hamburg muss ihren Luftreinhalteplan ebenso unverzüglich überarbeiten wie Kiel und Ludwigsburg – so eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2021 (bverwg.de/34-36).

Autoverkehr in Berlin bei Regen – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Scheuer: „Die neuen Zahlen bestätigen, was wir immer gesagt haben: Fahrverbote sind überflüssig. In ganz Deutschland hat sich die Luftqualität deutlich verbessert. Das zeigt: Unser Programm für saubere Luft in Städten ist erfolgreich. Mit unserem Programm haben wir Hunderte Projekte für klimafreundlichere Mobilität umgesetzt: Elektrofahrzeuge, Ladesäulen, saubere Busse sowie innovative digitale Verkehrssysteme. Diesen erfolgreichen Weg werden wir konsequent weitergehen. Ich hoffe, dass die Diskussion über Fahrverbote, die viele Menschen verunsichert hat, damit endgültig beendet ist.“

Mit dem Programm macht das BMVI laut Medienmitteilung den Verkehr in den Städten sauberer und klimafreundlicher. Das Interesse der Kommunen sei enorm gewesen. Bis Ende 2020 habe das BMVI 1024 Förderanträge bewilligt und damit die Förderung von konkreten Projekten in Höhe von rund 904 Millionen Euro fest zugesagt. Damit setze das BMVI den Großteil des Programms um, an dem auch das BMWi und das BMU beteiligt seien. Die Durchführung der Projekte liege in der Zuständigkeit der Kommunen. Bislang hätten im Rahmen des Programms diese 374 Projekte abgeschlossen werden können:

  • 164 Projekte für mehr Elektromobilität in 68 Städten. Mehr als 4.530 Elektrofahrzeuge wurden angeschafft und mehr als 3.000 Ladepunkte in Betrieb genommen
  • 133 Projekte für mehr Digitalisierung im Verkehr in 43 Städten, zum Beispiel Parkleitsysteme, Mobilitätsplattformen, On-Demand-Systeme, Ticketing- und Routingsysteme
  • 77 Projekte zur Nachrüstung von Dieselbussen. 2019 Busse wurden nachgerüstet. Die Schadstoffreduktion beträgt 85 bis zu 99 Prozent.

Bundesverwaltungsgericht bestätigt: Hamburg, Kiel und Ludwigsburg müssen für bessere Luft sorgen

Gleich drei Städten auferlegte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil BVerwG 7 C 8.20 am 28.05.2021, sie müssten mehr für die  Luftreinhaltung tun. Der BUND Hamburg begrüßte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, nach der die Stadt Hamburg ihren Luftreinhalteplan unverzüglich fortschreiben muss. Dies sei ein wichtiges Signal für die zukünftige Luftreinhaltepolitik in der Stadt. Ludwigsburg muss auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin ebenfalls seinen Luftreinhalteplan wegen einer fehlerhaften Prognose überarbeiten, weil die dort vorgesehenen Maßnahmen ebenfalls nicht ausreichten, um den vorgeschriebenen NO2-Grenzwert einzuhalten. Der VGH hatte daraufhin die Stadt aufgefordert, Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in Betracht zu ziehen. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt legten gegen das Urteil Revisionen ein – und hatten sich damit in Leipzig teilweise durchgesetzt.

Beanstandet wurde dabei vom BVerwG, dass die Stadt aufgrund der Erneuerung der städtischen Fahrzeugflotte auf einen Rückgang der NO2-Werte gehofft hatte. Die Anordnung eines Dieselfahrverbots sei jedoch unverhältnismäßig, weil die Einhaltung des Grenzwertes von 40 ?g NO2/m3 Luft im Jahresmittel in Kürze zu erwarten sei, urteilten die Leipziger Richter nun abschließend. Ludwigsburg kommt damit um ein Dieselfahrverbot herum, Hamburg vielleicht nicht.

Der BUND hatte Ende 2019 Hamburg zum zweiten Mal erfolgreich vor dem OVG Hamburg (1 E 23/18) verklagt. Das Urteil besagte, dass die Stadt den Luftreinhalteplan aus 2017 „unverzüglich fortschreiben“ und mit Maßnahmen versehen müsse, damit die Grenzwerte für Stickoxide möglichst schnell eingehalten werden. Dagegen hatte die Stadt Hamburg Revision eingelegt und gleichzeitig eine Überarbeitung des Luftreinhalteplans angekündigt.

Christiane Blömeke, Landesvorsitzende des BUND, zur „richtungsweisenden Entscheidung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichtes„: „Das Urteil ist eine sehr gute Entscheidung für die Gesundheit der Menschen und ihre Lebensqualität in unserer Stadt. Die Belastung mit Luftschadstoffen ist in Hamburg immer noch zu hoch, auch wenn die Messwerte vor allem coronabedingt zurück gegangen sind. Wir brauchen eine ambitionierte Luftreinhaltepolitik, die in die Zukunft denkt, denn die Straßen werden leider wieder voller und die Belastung mit ungesunden Abgasen wird wieder steigen. Genau das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht einmal mehr dem Hamburger Senat ins Stammbuch geschrieben.“

Von bundesweiter Bedeutung ist auch, dass das Bundesverwaltungsgericht – wie vom BUND gefordert – festgelegt hat, dass in 1,5 m Höhe gemessen werden muss und nicht wie von der Stadt gefordert, in 4 m Höhe. Damit ist ein vorsorglicher Gesundheitsschutz gewährleistet. Der BUND fordert die zuständige Umweltbehörde auf, den neuen Luftreinhalteplan einschließlich der erforderlichen Neumodellierung der Belastungssituation bis spätestens im September 2021 vorzulegen. Dies müsse möglich sein, da die BUKEA bereits mit der Überarbeitung parallel zum Revisionsverfahren begonnen hatte.

Oberverwaltungsgericht Schleswig muss erneut über den Luftreinhalteplan für Kiel entscheiden

Es bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen um zu klären, ob der Luftreinhalteplan für Kiel zur Einhaltung des NO2-Grenzwerts erneut fortgeschrieben werden muss. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ebenfalls am 28.05.2021 entschieden und die Sache deshalb an das Oberverwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen. Die DUH forderte „die weitere Fortschreibung des zuletzt 2020 überarbeiteten Luftreinhalteplans des beklagten Landes Schleswig-Holstein für die beigeladene Stadt Kiel. Zur schnellstmöglichen Senkung der NO2-Belastung sieht der Luftreinhalteplan auf einer ersten Maßnahmenstufe auch die Errichtung und den Betrieb von Luftfilteranlagen vor. Der Kläger macht geltend, die bislang geplanten Maßnahmen seien für eine möglichst schnelle Einhaltung des NO2-Grenzwerts nicht ausreichend.“ Daher hatte bereits das Oberverwaltungsgericht das Land Schleswig-Holstein verurteilt, den Luftreinhalteplan unter Beachtung seiner Rechtsauffassung zu ändern. Der Plan leide vor allem „im Hinblick auf die Wirksamkeit von Luftfilteranlagen an einem Prognosemangel“.

Im Klageverfahren der DUH gegen das Land Schleswig-Holstein für die Saubere Luft in Kiel hat das BVerwG die Sache an das Oberverwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen, um eine Beweisaufnahme nachzuholen. Das BVerwG entscheidet ausschließlich über juristische Fragen und kann die offenen, tatsächlichen Fragen in diesem Verfahren nicht eigenständig aufklären. Insbesondere konnte das BVerwG nicht selbst klären, ob die Aufstellung der Filteranlagen auf dem Radweg rechtswidrig ist. Die DUH begrüßt die Zurückverweisung, „damit die Rechtswidrigkeit der während des Revisionsverfahrens errichteten Luftfilteranlagen am Theodor-Heuss-Ring geklärt werden kann. Vor allem die Positionierung auf dem Fahrradweg sowie zahlreiche irrsinnige Schilder, die den Radverkehr im Slalom um die Staubsaugeranlagen herumführen, sind nach Auffassung der DUH erkennbar rechtswidrig“.

->Quellen: