Was Erdgas wirklich kostet

Roadmap für den fossilen Gasausstieg im Wärmesektor

Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) zeigt: Die Verbrennung von Erdgas zur Wärmeerzeugung ist weit klimaschädlicher als vielfach angenommen. Die regenerative Wärmewende ist möglich, braucht aber unterschiedliche Wege und Technologien. Das FÖS hat die Klimakosten des im Gebäudesektor verbrauchten Erdgases quantifizieren lassen – inklusive der Methanleckagen in den Lieferketten. Wie der fossile Gasausstieg im Gebäudesektor konkret gelingen kann, wird anhand einer Roadmap dargestellt. Diese sieht einen Mix aus Preisinstrumenten, Ordnungs- und Planungsrecht vor und kann bis spätestens 2026 umgesetzt werden.

Was Erdgas wirklich kostet – Titel © EWS_FOES

In dieser Studie wird dargestellt, dass die Klimakosten von Erdgas bisher nur unzureichend eingepreist sind. Im zweiten Teil der Studie wird auf das technische Potenzial erneuerbarer Wärme im Gebäudesektor eingegangen. Dabei werden die Vor-und Nachteile der Nutzung von Solarthermie, Biomasse, Geothermie und Umweltwärme und der Abwärme der Industrie diskutiert. Es soll aufgezeigt werden, dass in Deutschland bereits im Jahr2030 genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden kann, um kurzfristig den Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas einzuleiten. Die Roadmap sieht einen Mix aus Preisinstrumenten und Ordnungs- und Planungsrecht vor und kann bis spätestens 2026 umgesetzt werden.

Durch die Verwendung von Erdgas im Wärmesektor fallen in Deutschland jährliche Treibhausgas (THG)-Emissionen in Höhe von 91,5 bis 107,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten an – wovon 87,1 Tonnen verbrennungsbedingt aus CO2-Emissionen stammen und rund 4,4 bis 20 Millionen Tonnen aus Methanleckagen entweichen. Zum Vergleich: die gesamten CO2-Emissionen des Landes Berlin betrugen im Jahr 2019 etwa 17 Millionen Tonnen CO2. Nach dem Schadenskostenansatz für 2021 bedeutet das: Durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor entstehen Klimakosten von rund 18 bis 21 Milliarden Euro, wobei auf die besonders klimawirksamen Methanleckagen rund 0,9 bis vier Milliarden Euro entfallen.

„Die Studie macht mehr als deutlich, dass wir einen baldigen Ausstieg aus dem Erdgas in der Wärmeerzeugung brauchen“, sagte EWS-Vorstand Sebastian Sladek. Vor dem Hintergrund, dass die Treibhausgas-Emissionen im Gebäudesektor ­- mit 16 Prozent für die Emissionen insgesamt in Deutschland verantwortlich – zu mehr als 60 Prozent auf die Erzeugung von Wärme auf Basis von Erdgas zurückgehen, betonte Sladek: „Wir können und müssen in Deutschland schnellstmöglich klimaneutral werden und daher auch im Wärmesektor auf regenerative Lösungen setzen. Dass dies möglich ist, zeigt die Studie sehr eindrucksvoll.“

Isabel Schrems, Autorin der Studie und Wissenschaftliche Referentin beim FÖS, hob hervor, dass das Potenzial aus Solarthermie, Biomasse, Geothermie, Umweltwärme und Abwärme aus der Industrie im Jahr 2030 bei 1.403 bis 2.183 Terrawattstunden liege. Damit sei es fast doppelt so hoch wie der heutige Endenergieverbrauch im Gebäudewärmesektor. Zusammen mit der erwarteten weiteren Zunahme der Energieeffizienz sei sehr wahrscheinlich, dass in Deutschland bis Ende des Jahrzehnts genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden kann. Ein Ausstieg aus der Nutzung aller fossilen Energieträger im Gebäudebereich, inklusive Erdgas, sei machbar.

„Die Studie zeigt, dass die wahren Klimakosten durch Erdgas weit höher sind als der aktuelle Preis“, betonte Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, „denn drei Viertel dieser Kosten sind bisher nicht im Preis berücksichtigt. Diese Kosten über den Brennstoffemissionshandel schnellstmöglich einzupreisen, ist klimapolitisch dringend angezeigt und logische Konsequenz aus dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Wir brauchen auf dem Weg zum Erdgas-Ausstieg aber auch ordnungspolitische und planungsrechtliche Maßnahmen, um schnell voranzukommen. Mit kommunalen Wärmeplänen und einem Neubauverbot für Gasheizungen können dezentrale, nachhaltige Wärmenetze gefördert werden. Das wird zum Beispiel in Dänemark bereits praktiziert.“.

Verena Graichen, Stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, drängte bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an die Studienvorstellung auf mehr Energieeffizienz bei der Umsetzung der Wärmewende. Ein großes und schnell ausbaubares Potenzial liege in der energetischen Gebäudesanierung. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer betonte, dass Erdgas allenfalls noch für eine kurze Übergangszeit als Brücke zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien dienen dürfe. Vor allem müsse der Ausbau der Erneuerbaren Energien – auch im Wärmesektor – deutlich beschleunigt werden. Dies müsse, so waren sich die Podiumsteilnehmer:innen weitestgehend einig, vor allem auch über eine grundsätzliche Reform des Systems der Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen auf Energie geschehen.

->Quellen: