2021 Kohlendioxid-Ausstoß nicht gesunken

CO2-Emissionen 2021 erreichen annähernd wieder Niveau von 2019

Nachdem 2020 die fossilen Kohlendioxid-Emissionen im globalen Schnitt deutlich gesunken waren, nähern sie sich in diesem Jahr wieder dem Niveau von vor der Corona-Pandemie an. Wie Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) mitteilte, zeigte dies das Global Carbon Project am 04.11.2021, am gleichen Tag, als die COP26 sich mit dem weltweiten Kohleausstieg beschäftigte. Die LMU koordiniert ein bundesweites Forschungsprogramm zur Kohlendioxid-Entnahme aus der Atmosphäre: Im Rahmen der Förderlinie „Carbon Dioxide Removal“ des BMBF starten zehn Verbundprojekte zur Entnahme von Kohlendioxid.

Rauch, CO2 und mehr – Emissionen im Nordwesten Berlins – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Corona-Pandemie hatte im vergangenen Jahr auch Auswirkungen auf die CO2-Emissionen. Maßnahmen zur Eindämmung des Virus betrafen viele relevante Sektoren wie Transport, Industrie oder Energie. Das führte dazu, dass sich der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß 2020 um durchschnittlich 5,4 Prozent verringert hat.

Dass dies allerdings kein dauerhafter Effekt ist, zeigen die vorläufigen Zahlen des Global Carbon Projects, an dem die Geographin Julia Pongratz, Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU, maßgeblich beteiligt ist: 2021 näherten sich die Emissionen mit 36,4 Milliarden Tonnen wieder dem Niveau von 2019, also von vor der Pandemie. Das sind rund 4,9 Prozent (4,1 Prozent bis 5,7 Prozent) mehr als 2020. Die Emissionen aus Kohle- und Gasverbrauch nehmen 2021 stärker zu, als sie 2020 gesunken sind, die Emissionen aus der Verbrennung von Öl bleiben jedoch unter dem Niveau von 2019.

Global Carbon Budget – © Friedlingstein et al. 2021 Global Carbon Budget 2021, Earth System Science Data

Bedeutung des Global Carbon Projects – CO2 ist das wichtigste Treibhausgas, das zum vom Menschen verursachten Klimawandel beiträgt. Obwohl andere Treibhausgase den Planeten pro Molekül stärker erwärmen als CO2, ist CO2 aufgrund der schieren Menge an CO2-Emissionen aus menschlichen Aktivitäten und der Tatsache, dass einige der Emissionen Hunderte bis Tausende von Jahren in der Atmosphäre bleiben, die größte Herausforderung bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre erreichte 2018 407 Teile pro Million, etwa 46 % mehr als vor der Industrialisierung und die höchste Konzentration in den letzten 800.000 Jahren und wahrscheinlich in den letzten 2 Millionen Jahren. Ebenso beispiellos ist die Geschwindigkeit, mit der sich CO2 in der Atmosphäre während des Industriezeitalters angesammelt hat – etwa zehnmal schneller als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 66 Millionen Jahren.

Das Kohlenstoffbudget: Das Kohlenstoffbudget, wie es hier beschrieben wird, bezieht sich auf das Budget aller Emissionen und des Abbaus von CO2, die das direkte oder indirekte Ergebnis menschlicher Aktivitäten sind. Die größte Komponente dieser menschlichen Störung sind die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl und Gas), die fast 90 % aller CO2-Emissionen ausmachen, einschließlich einer kleinen Komponente aus der Zementherstellung. Der Rest der Emissionen stamm?t aus Landnutzungsänderungen (z. B. Entwaldung).
Glücklicherweise verbleibt von dem in die Atmosphäre abgegebenen CO2 nur etwa die Hälfte in der Atmosphäre und führt zum Klimawandel, die andere Hälfte wird durch die CO2-Senken an Land (Aufnahme durch die Vegetation über die Photosynthese) und in den Ozeanen (durch Diffusion) entfernt. Auf diese Weise ist die Auswirkung auf den Klimawandel nur halb so groß, wie es ohne die Hilfe dieser natürlichen CO2-Senken der Fall wäre. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Entwicklung der CO2-Senken überwachen, verstehen und vorhersagen, damit wir wissen, wie schnell und in welchem Umfang der Klimawandel eintreten wird.

Schätzung des Kohlenstoffbudgets: Das Global Carbon Project hat ein Konsortium von mehr als 50 Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt gegründet, das Beobachtungen und Statistiken sammelt und globale Modelle durchführt, um das Kohlenstoffbudget jedes Jahr zu aktualisieren und zu verbessern. Dazu müssen nationale und globale Statistiken über den Energieverbrauch, die Industrieproduktion, Veränderungen in der Landnutzung, die Ausbreitung von Bränden, die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre und im Ozean sowie zahlreiche Klimadaten gesammelt werden, damit Dutzende von Modellen laufen können, um die wichtigsten CO2-Quellen und -Senken unabhängig voneinander zu schätzen.

Unwägbarkeiten: Nicht alle CO2-Flüsse sind gleich gut bekannt, und obwohl die globalen Gesamtwerte am besten bekannt sind, bleibt der Versuch, die regionalen Beiträge für jeden Fluss zu verstehen, unsicher. Wir kennen die Emissionen fossiler Brennstoffe bis hin zur nationalen Ebene recht gut. Die CO2-Flüsse aus Landnutzungsänderungen sind am unsichersten, und das Wissenschaftler-Konsortium unternimmt alle möglichen Anstrengungen, um sie zu verbessern. Es gibt auch eine Variabilität dieser Flüsse auf der jährlichen und dekadischen Skala, für die wir einige ihrer Triebkräfte verstehen, aber nicht alle. Die langfristigen Trends sind jedoch besser bekannt und die wichtigsten Trends für das Verständnis und die Vorhersage des Klimawandels.

Künftige Arbeiten: Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Ziele wird das Team des Global Carbon Project umfassendere und besser eingeschränkte Kohlenstoffbudgets mit jährlichen Aktualisierungen weiterentwickeln.

CO2-Emissionen größte Verursacher

Bei den Ländern, die viel CO2 ausstoßen, scheinen die Emissionen 2021 zu den Trends aus der Zeit vor der Corona-Pandemie zurückzukehren, das bedeutet sinkende CO2-Emissionen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union und steigende CO2-Emissionen in Indien. In China hat die Reaktion auf die Corona-Pandemie zu einem weiteren Anstieg der CO2-Emissionen geführt, der vom Energie- und Industriesektor vorangetrieben wurde.

  • EU27: Die CO2-Emissionen werden 2021 voraussichtlich 7,6 Prozent höher liegen als 2020 und 2,8 Milliarden Tonnen erreichen (7 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen die Emissionen 4,2 Prozent unter dem Niveau von 2019.
  • USA: Auch in den Vereinigten Staaten steigen die Emissionen um 7,6 Prozent an, auf 5,1 Milliarden Tonnen (14 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen die Emissionen 3,7 Prozent unter dem Niveau von 2019.
  • China: 2021 werden die Emissionen um 4 Prozent auf 11,1 Milliarden Tonnen steigen (31% der globalen Emissionen). Damit liegen sie 5,5 Prozent über dem Niveau von 2019.
  • Indien: Die CO2-Emissionen steigen voraussichtlich um 12,6 Prozent auf 2,7 Milliarden Tonnen (7 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen sie 4,4 Prozent über dem Niveau von 2019.

Klimawandel: LMU koordiniert bundesweites Forschungsprogramm zu Kohlendioxid-Entnahme

Die Abschätzung der Emissionen aus Landnutzung, die Julia Pongratz koordiniert, beläuft sich 2021 auf etwa 2,9 Milliarden Tonnen CO2 netto, im Vergleich zum Vorjahreswert von 3,2 Milliarden Tonnen CO2 mit einem abnehmenden, wenngleich sehr unsicheren Trend. Der vergleichsweise kleine Netto-Fluss umfasst substanzielle Emissionen, vor allem aus Entwaldung, und CO2-Aufnahmen, etwa durch Aufforstung oder Nachwachsen von Wäldern nach Holzernte. Dabei belief sich der CO2-Ausstoß in der Dekade 2011 bis 2020 jährlich auf 14,1 Milliarden Tonnen.

„Dieser Ausstoß würde rasch und deutlich sinken, wenn ein Stopp der Entwaldung, wie in Glasgow beschlossen, umgesetzt würde“, sagt LMU-Geograph Dr. Clemens Schwingshackl, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Die Effekte der Pandemie gingen aber vermutlich in die andere Richtung: In mehreren Ländern wurden infolge von Lockdowns und Budgetrestriktionen Einschränkungen im Monitoring und in der Vollstreckung von Maßnahmen gegen tropische Entwaldung beobachtet.

Zum ersten Mal verknüpfte das Global Carbon Project die unabhängigen Daten globaler Kohlenstoffmodelle mit den nationalen Treibhausgasinventaren der betrachteten Länder. Während die Modelle klar zwischen natürlichen und menschengemachten Prozessen trennen, schreiben die von den Ländern gemeldeten Daten auch Teile der natürlichen Landsenke auf bewirtschafteten Flächen dem Landnutzungssektor zu, der sich dadurch in der Summe über die Länder hinweg als CO2-Senke darstellt. Nur unter Berücksichtigung dieser Umverteilung natürlicher Senken sind beide Ansätze konsistent. „Der Abgleich der unabhängigen Abschätzungen der globalen Kohlenstoffmodelle mit den nationalen Treibhausgasinventaren ist ein wichtiger Schritt im Hinblick auf den Global Stocktake, mit dem die Umsetzung des Paris-Abkommens überprüft und der gemeinsame Fortschritt bei der Umsetzung der vereinbarten Ziele bewertet wird”, so Pongratz.

Schrumpfendes Kohlenstoffbudget

Die anhaltend hohen Emissionen haben das Kohlenstoffbudget, das noch bleibt, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad, 1,7 Grad oder 2 Grad Celsius zu begrenzen, weiter verringert. Laut dem Bericht des Global Carbon Projects bleiben noch etwa jeweils 420 Milliarden Tonnen, 770 Milliarden Tonnen oder 1270 Milliarden Tonnen CO2 für eine 50-prozentige Chance, die 1,5-Grad-, 1,7-Grad- oder 2-Grad-Grenze nicht zu überschreiten. Dies entspricht etwa 11, 20 oder 32 Jahren bei gleichbleibenden Emissionen auf dem Niveau von 2021.

Das Global Carbon Project ist ein internationales Forschungsprojekt der Forschungsinitiative Future Earth zur globalen Nachhaltigkeit. Es zielt darauf ab, ein vollständiges Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs zu entwickeln, das sowohl dessen bio-physikalische als auch dessen menschliche Dimension und die Wechselwirkungen zwischen ihnen umfasst. Klimaforscherinnen und -forscher aus aller Welt arbeiten an dem Bericht. Aus Deutschland sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (Hamburg), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (Jena), des Karlsruher Instituts für Technologie, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung (Kiel) und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (Warnemünde) beteiligt.

Das Global Carbon Budget 2021 ist die 16. Ausgabe des jährlich erscheinenden Berichts. Die Zahlen sind eine Aktualisierung von 2020, den der Weltklimarat (IPCC) im ersten Teil seines Sechsten Sachstandsberichts einbezogen hat.

Das globale Kohlenstoffbudget wurde im Rahmen der COP26 in Glasgow am 4. November um 10:30 Uhr (MEZ) im Wissenschaftspavillon des UN-IPCC vorgestellt – Live-Stream

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