Europäische Umweltagentur: 178.000 starben früher durch schlechte Luft

Aktuelle EUA-Analyse

Saubere Luft hätte 2019 EU-weit mindestens 178.000 Leben retten können, schrieb die EUA am 15.11.2021 in einer Medienmitteilung über eine Analyse für 2019 unter dem Titel: „Health impacts of air pollution in Europe“. So viele vorzeitige Todesfälle und Krankheiten in der Europäischen Union hätten durch eine Verbesserung der Luftqualität auf das kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Niveau mehr als die Hälfte der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Feinstaubbelastung verhindert werden können.

Dicke Luft: Dieselauspuff eines spanischen Busses – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das EUA-Briefing „Health impacts of air pollution in Europe“ (dt.: Gesundheitliche Auswirkungen der Luftverschmutzung in Europa) enthält aktualisierte Schätzungen darüber, wie sich drei wichtige Schadstoffe – Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon – 2019 auf die Gesundheit der Europäer auswirkten. Das Briefing bewertet auch den potenziellen Nutzen einer Verbesserung der Luftqualität in Richtung neuer, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlener Richtwerte. Darüber hinaus werden die Fortschritte auf dem Weg zum Ziel des EU-Aktionsplans zur Bekämpfung der Luftverschmutzung gemessen, die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Feinstaubbelastung bis 2030 um mehr als 55 % zu senken.

Nach den jüngsten Schätzungen der EUA starben 2019 in der EU 307.000 Menschen vorzeitig an den Folgen der Feinstaubbelastung (ohne Großbritannnien). Hätten alle EU-Mitgliedstaaten den neuen WHO-Luftqualitätsrichtwert von 5 µg/m3 erreicht, wären mindestens 58 % bzw. 178 000 dieser Todesfälle vermeidbar gewesen.

Die Luftqualität in Europa war 2019 besser als 2018, was ebenfalls zu weniger negativen Gesundheitsauswirkungen führte. Der Rückgang der Luftverschmutzung folgt einem langfristigen Trend, der durch Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und zur Verbesserung der Luftqualität vorangetrieben wird.

Als Teil des europäischen Green Deals setzt der EU-Aktionsplan zur Bekämpfung der Luftverschmutzung das Ziel, die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Feinstaubbelastung bis 2030 um mehr als 55 % im Vergleich zu 2005 zu senken. Nach einer Analyse der EUA ist die EU derzeit auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen, da die Zahl dieser Todesfälle zwischen 2005 und 2019 um etwa ein Drittel zurückgegangen ist.

  • EUA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx: „Investitionen in sauberere Heizungen, Mobilität, Landwirtschaft und Industrie führen zu besserer Gesundheit, Produktivität und Lebensqualität für alle Europäer und insbesondere für die am meisten gefährdeten Menschen. Diese Investitionen retten Leben und tragen auch dazu bei, den Fortschritt in Richtung Kohlenstoffneutralität und starke biologische Vielfalt zu beschleunigen“.
  • Und der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Henri P. Kluge: „Saubere Luft zu atmen sollte ein grundlegendes Menschenrecht sein. Es ist eine notwendige Voraussetzung für gesunde und produktive Gesellschaften. Auch wenn sich die Luftqualität in unserer Region in den letzten Jahren verbessert hat, haben wir noch einen weiten Weg vor uns, um die Werte der neuen globalen WHO-Luftgüteleitlinien zu erreichen“, sagte der. „Wir bei der WHO begrüßen die Arbeit der EUA, die uns zeigt, wie viele Leben gerettet werden könnten, wenn die neuen Luftqualitätswerte erreicht würden, und die den politischen Entscheidungsträgern einen soliden Beweis für die dringende Notwendigkeit liefert, diese Gesundheitsbelastung zu bekämpfen.

Das EUA-Briefing wurde kurz vor dem EU-Forum für saubere Luft veröffentlicht, das am 18. und 19. November 2021 stattfinden wird. Das Forum bringt Entscheidungsträger, Interessenvertreter und Experten zusammen, um über die Entwicklung und Umsetzung wirksamer europäischer, nationaler und lokaler Maßnahmen, Projekte und Programme zur Luftreinhaltung nachzudenken und über die laufende Überarbeitung der EU-Vorschriften zu informieren, einschließlich ihrer engeren Angleichung an die WHO-Luftqualitätsleitlinien.

Hintergrund

Luftverschmutzung ist eine der Hauptursachen für vorzeitige Todesfälle und Krankheiten und stellt das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa dar. Herzerkrankungen und Schlaganfälle sind die häufigsten Ursachen für vorzeitige Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, gefolgt von Lungenerkrankungen und Lungenkrebs.

In den Luftqualitätsrichtlinien der EU sind Normen für die wichtigsten Luftschadstoffe festgelegt. Diese Werte berücksichtigen die WHO-Leitlinien von 2005 sowie Überlegungen zur technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung.

Die in diesem Herbst veröffentlichten Daten der EUA zeigen, dass die Luftverschmutzung in den meisten europäischen Ländern weiterhin über den gesetzlichen Grenzwerten der EU liegt.

Die WHO hat vor kurzem neue globale Leitlinien für die Luftqualität zum Schutz der öffentlichen Gesundheit aufgestellt. Diese Leitlinien beruhen auf einer systematischen Überprüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die menschliche Gesundheit, die zeigen, dass die Luftverschmutzung die menschliche Gesundheit schon bei geringeren Konzentrationen schädigt als bisher angenommen.

Die EU-Luftqualitätsnormen sind ein wichtiges politisches Instrument, und die engere Angleichung dieser Normen an die WHO-Empfehlungen wäre ein wichtiger Schritt hin zu sauberer Luft in Europa, in Verbindung mit verbesserten Maßnahmen zur Reduzierung der Verschmutzung an der Quelle.

Bei der Bewertung des potenziellen Nutzens geht die EUA von einem Szenario aus, bei dem alle Gebiete in der EU-27, die 2019 über dem WHO-Luftqualitätsrichtwert für Feinstaub lagen, stattdessen den Richtwert erreicht hätten, während alle anderen Gebiete die für 2019 gemessenen Konzentrationen beibehalten hätten. Dieses Szenario und die entsprechenden Schätzungen stellen daher den minimalen potenziellen Nutzen dar, der sich aus der Verbesserung der Luftqualität ergibt, wobei eine Verringerung der vorzeitigen Todesfälle auch in Gebieten zu erwarten ist, in denen der Richtwert bereits erreicht wurde, die aber wahrscheinlich auch von der saubereren Luft in den umliegenden Gebieten profitieren würden.

Die EUA-Analyse der gesundheitlichen Auswirkungen für 2019 wurde unter Verwendung der von der WHO 2013 empfohlenen Konzentrations-Wirkungs-Funktionen durchgeführt, um mit den von der EUA in den Vorjahren vorgenommenen Schätzungen übereinzustimmen. Die EUA geht jedoch davon aus, dass sie ihre Analyse ab dem nächsten Jahr vollständig an die neuen globalen Luftqualitätsrichtlinien der WHO anpassen wird.

Wichtige Ressourcen

  • Der Europäische Luftqualitätsindex zeigt Luftqualitätsdaten für Europa nahezu in Echtzeit an und ermöglicht es den Nutzern, die lokale Luftqualität an ihrem Wohnort oder auf Reisen zu überprüfen.
  • Der Luftqualitätsviewer für europäische Städte vergleicht die durchschnittlichen Feinstaubwerte in 323 europäischen Städten über die letzten zwei Kalenderjahre.
  • Der Datenviewer für nationale Luftschadstoffemissionen bietet Zugang zu den neuesten Daten über Luftschadstoffemissionen, die von den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie über nationale Emissionsreduktionsverpflichtungen (NEC) gemeldet wurden.
  • Das Datenzentrum für Luftverschmutzung bietet Zugang zu allen relevanten EUA-Daten zur Luftverschmutzung in Europa
  • Luftverschmutzung: Wie sie sich auf unsere Gesundheit auswirkt zeigt, wie die Belastung durch Feinstaub zu Krankheiten und vorzeitigen Todesfällen in Europa beiträgt und wie diese Belastung auf die europäische Gesellschaft verteilt ist.

DUH kritisiert deutsche Luftreinhaltepolitik

Dazu erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Die neuen Zahlen der obersten EU-Umweltbehörde zeigen das Ausmaß des Scheiterns der bisherigen Luftreinhaltepolitik in Deutschland. Die derzeitige Belastung mit Stickstoffdioxid, aber vor allem auch mit Feinstaub, ist viel zu hoch und die deutschen Luftqualitätsvorgaben sind nicht ausreichend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert eine Absenkung des geltenden Grenzwertes für feine Partikel in der Außenluft auf ein Fünftel der aktuellen Vorgaben. Laut Europäischer Umweltagentur hätten hierzulande bei Einhaltung der WHO-Empfehlung mindestens 26.800 vorzeitige Todesfälle vermieden werden können. Die Ampel-Parteien müssen die nationalen Grenzwerte für Feinstaub daher schnellstmöglich an die Empfehlungen der WHO anpassen. Das hatten die Grünen 2019 noch selbst im Bundestag gefordert. Als Sofortmaßnahme fordern wir eine Filterpflicht für alle mit Holz betriebenen Kaminöfen beziehungsweise Heizungen. Das Heizen mit Holz verursacht aktuell mehr Feinstaub als die Motoren von Pkw, Lkw und Bussen zusammen, seit die DUH für diese Fahrzeuge den Dieselpartikelfilter durchgesetzt hat. Holzöfen sind damit eine zentrale Quelle für hohe Feinstaubbelastung gerade in der gesundheitlich besonders problematischen kalten Jahreshälfte. Wir fordern die Länder und Kommunen auf, zum Beispiel über örtliche Satzungen entsprechende Auflagen zu erlassen. Auch angesichts der derzeit wieder steigenden Corona-Fälle müssen wir die gesundheitsschädliche Belastung unserer Atemluft dringend verringern.“

Mit der Mitmach-Aktion „Kein Ofen ohne Filter“ ruft die DUH zudem alle Bürgerinnen und Bürger auf, mit individualisierten Musterschreiben bei ihren Kommunen eine Filterpflicht für Holzöfen zu beantragen.

->Quellen: