„Greenflation“ bedroht Energiewende

CO2-Neutralität verteuert Rohstoffe

Eine „verhängnisvolle Paradoxie der Klimapolitik“ beschreibt Matthias Koch am 09.01.2022 im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) – die „Greenflation“: „Je erfolgreicher die Klimaschützer im Bemühen sind, möglichst viele Staaten und Unternehmen in Richtung einer CO2-freien Wirtschaft zu schubsen, umso mehr treiben sie damit die Preise nach oben“. Vor allem soziale Folgen für Geringverdienende befürchten Wirtschaftsforscher wie Rudolf Hickel im Gespräch mit dem RND: „Die Greenflation kann noch erhebliche Probleme aufwerfen.“ Den Chef der Kölner IW-Consult, Karl Lichtblau, beunruhigt eine Tendenz, die nicht nur den einen oder anderen, sondern 22 Rohstoffe gleichzeitig betreffe. Und Ruchir Sharma, Chief Global Strategist bei Morgan Stanley, befürchtet gegenüber dem RND gar ein „Entgleisen der Klimapolitik“.

Panorama der Kupfermine Chuquicamata – Foto © Berg2 – Eig. Werk, commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

In seinem Vortrag vor bayerischen Industriellen überbrachte Lichtblau „unlängst lauter schlechte Nachrichten“, so Koch im RND. Fazit: Die für die Energiewende nötigen Rohstoffe würden knapp. IW Consult hat dieselben in einer Untersuchung für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft als „rote Gruppe“ als „Risikoklasse I“ zusammengestellt: Kobalt, Lithium, Zinn und Kupfer stehen ganz vorne unter den Risikorohstoffen.

Die Untersuchung stellt etwa fest. „Durch zusätzliche politische Bemühungen im Klimaschutz verändert sich die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen. Die beschleunigte Marktdurchdringung von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen intensiviert beispielsweise die Nachfrage nach Batterierohstoffen.“ Auch die Herstellung von Elektrolyseuren werde den Bedarf steigern, der vor allem Iridium, Platin und Nickel zusätzlich verknappen könne.

Entsprechend fordert sie die Regierungen zum Handeln auf: „Wo die Unternehmen mit ihren Strategien zur Rohstoffsicherung an Grenzen stoßen, muss der Staat flankierend eingreifen, um auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige Produktion am Standort zu ermöglichen. Die wichtigsten Aufgaben des Staates im Bereich der Rohstoffversorgung sind die Offenhaltung der entsprechenden Märkte sowie die Unterhaltung guter Beziehungen zu den Quellenländern. Diese staatlichen Maßnahmen sind umso wichtiger, als viele Rohstoffvorkommen in Ländern liegen, die politisch als instabil oder gar als Krisenherd gelten.“

Nicht nur die geringsten Kosten seien künftig bei der Rohstoffbeschaffung entscheidend, sondern auch die Risiken. Durch bilaterale Abkommen müsse sichergestellt werden, „dass rohstoffreiche Länder ihre Rohstoffexporte nicht durch künstliche Mengenbeschränkungen einschränken“. Denn: „Marktverzerrungen zu Lasten der Weltwirtschaft müssen verhindert werden“. Staatliche Stellen müssten „das Beschaffungswesen gezielt einsetzen, um die Marktentwicklung bei Sekundärrohstoffen und Innovationen etwa im Hinblick auf Substitute oder Effizienz zu fördern.“ Ein Beispiel dafür sieht IW Consult in der „Vorgabe von Recyclingfähigkeit und Verwendung von Recyclaten bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand.“ Zusätzlich müssten die verwendeten Baustoffe systematisch dokumentiert werden. Recycling-Anreize seien wichtig; dazu müsse es eine stetige Prüfung und Revision der Kriterien für den Einsatz von Sekundärrohstoffen geben“.

Dabei warnt das Kölner Beratungsunternehmen in seiner Untersuchung: „Die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen wird in Europa durch illegale Exporte in außereuropäische Länder stark beeinträchtigt. So werden Abfälle fälschlicherweise als gebrauchsfähige Produkte ausgeführt oder die Stoffe nicht korrekt deklariert. Die behördlichen Kontrollen müssen an dieser Stelle effektiver werden, beispielsweise durch verbesserte Stichproben.“ Schließlich fordert IW Consult eine zielgenaue Ausrichtung der Grundlagenforschung im Bereich der Rohstoffversorgung, dafür müssten „entsprechende Forschungsprojekte vorangetrieben“ und wirksame Konzepte zur Erreichung höherer Recyclingquoten erstellt werden. Als Beispiel nennt die Studie Smartphones.

Am Schluss werden Landesplanung und Raumordnung in die Pflicht genommen, die „Überplanung“ heimischer Rohstofflagerstätten durch Schutzgebiete und andere Nutzungsansprüche einzuschränken, damit diese nicht dem Rohstoffabbau entzogen würden. Denn als Konsequenz der künstlichen Verknappung von heimischen mineralischen Rohstoffen, die geologisch in ausreichendem Maß vorhanden seien, drohe zunehmende Importabhängigkeit. Fazit der IW Consult: „Daher müssen bei ökonomische, ökologische und soziale Belange gleichrangig berücksichtigt werden. Lagerstätten müssen bedarfsunabhängig ausgewiesen werden können“.

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